Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Erster Abschnitt. pflegt diese Sätze wohl als "Volksrechte" zu bezeichnen,um damit anzudeuten, dass jedes Mitglied des Volks an der Wohlthat der nun erweiterten und gewähr- leisteten Freiheit der Bewegung Theil nimmt; aber keinenfalls darf dieser Ausdruck zu der Annahme ver- leiten, dass es sich dabei um Rechte im subjectiven Sinne handele, da sie vielmehr durchweg als Rechts- sätze, d. h. Sätze des objectiven Rechts erscheinen.2 Es sind in der Hauptsache folgende: 1. Der Staat soll nicht die religiöse Ueberzeugung wie solche von der deutschen Nationalversammlung festgestellt waren.) Preussische Verfassungsurkunde, Art. 4--42, Bayerische IV. §. 5 flg., Sächsische §. 26--40, Hannoverische §. 28 flg., Würt- tembergische §. 21 flg. Badische §. 7. flg., Kurhessische §. 20 flg., Grossherzogl. Hessische §. 18 flg., Altenburgische §. 44 flg., Gothai- sche §. 29 flg., Braunschweigische §. 29 flg., Oldenburgische §. 31 flg., Schwarzburg-Sondershausensche §. 10 flg., Reussische §. 6 flg. 2 Die Verfassungsurkunden selbst geben zu dieser sehr all-
gemein verbreiteten irrthümlichen Auffassung Veranlassung, in- dem sie in der Regel diese Rechtssätze als "Rechte der Staats- bürger" in eine Reihe mit dem Indigenate u. s. w. stellen. Man kann nur sagen, dass jeder Staatsbürger in dem Genusse der Frei- heit des Handelns an den Vortheilen betheiligt ist, welche für je- den Einzelnen aus der Existenz solcher Sätze hervorgehen, sowie, dass die concreten Rechtsverhältnisse, welche auf Grund dieser Rechtssätze entstehen, als rechtmässige anerkannt und geschützt werden. Aber der Gesammtinhalt solcher allgemeinen Gesetze, z. B. die Einrichtung der Pressfreiheit, der Gewissensfreiheit, kann nicht als Inhalt eines subjectiven Rechts in der Rechtssphäre des Individuums localisirt erscheinen. Siehe Gerber, öffentliche Rechte, S. 77 flg. Erster Abschnitt. pflegt diese Sätze wohl als „Volksrechte“ zu bezeichnen,um damit anzudeuten, dass jedes Mitglied des Volks an der Wohlthat der nun erweiterten und gewähr- leisteten Freiheit der Bewegung Theil nimmt; aber keinenfalls darf dieser Ausdruck zu der Annahme ver- leiten, dass es sich dabei um Rechte im subjectiven Sinne handele, da sie vielmehr durchweg als Rechts- sätze, d. h. Sätze des objectiven Rechts erscheinen.2 Es sind in der Hauptsache folgende: 1. Der Staat soll nicht die religiöse Ueberzeugung wie solche von der deutschen Nationalversammlung festgestellt waren.) Preussische Verfassungsurkunde, Art. 4—42, Bayerische IV. §. 5 flg., Sächsische §. 26—40, Hannoverische §. 28 flg., Würt- tembergische §. 21 flg. Badische §. 7. flg., Kurhessische §. 20 flg., Grossherzogl. Hessische §. 18 flg., Altenburgische §. 44 flg., Gothai- sche §. 29 flg., Braunschweigische §. 29 flg., Oldenburgische §. 31 flg., Schwarzburg-Sondershausensche §. 10 flg., Reussische §. 6 flg. 2 Die Verfassungsurkunden selbst geben zu dieser sehr all-
gemein verbreiteten irrthümlichen Auffassung Veranlassung, in- dem sie in der Regel diese Rechtssätze als „Rechte der Staats- bürger“ in eine Reihe mit dem Indigenate u. s. w. stellen. Man kann nur sagen, dass jeder Staatsbürger in dem Genusse der Frei- heit des Handelns an den Vortheilen betheiligt ist, welche für je- den Einzelnen aus der Existenz solcher Sätze hervorgehen, sowie, dass die concreten Rechtsverhältnisse, welche auf Grund dieser Rechtssätze entstehen, als rechtmässige anerkannt und geschützt werden. Aber der Gesammtinhalt solcher allgemeinen Gesetze, z. B. die Einrichtung der Pressfreiheit, der Gewissensfreiheit, kann nicht als Inhalt eines subjectiven Rechts in der Rechtssphäre des Individuums localisirt erscheinen. Siehe Gerber, öffentliche Rechte, S. 77 flg. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0050" n="32"/><fw place="top" type="header">Erster Abschnitt.</fw><lb/> pflegt diese Sätze wohl als „Volksrechte“ zu bezeichnen,<lb/> um damit anzudeuten, dass jedes Mitglied des Volks<lb/> an der Wohlthat der nun erweiterten und gewähr-<lb/> leisteten Freiheit der Bewegung Theil nimmt; aber<lb/> keinenfalls darf dieser Ausdruck zu der Annahme ver-<lb/> leiten, dass es sich dabei um Rechte im subjectiven<lb/> Sinne handele, da sie vielmehr durchweg als Rechts-<lb/> sätze, d. h. Sätze des objectiven Rechts erscheinen.<note place="foot" n="2">Die Verfassungsurkunden selbst geben zu dieser sehr all-<lb/> gemein verbreiteten irrthümlichen Auffassung Veranlassung, in-<lb/> dem sie in der Regel diese Rechtssätze als „Rechte der Staats-<lb/> bürger“ in eine Reihe mit dem Indigenate u. s. w. stellen. Man<lb/> kann nur sagen, dass jeder Staatsbürger in dem Genusse der Frei-<lb/> heit des Handelns an den Vortheilen betheiligt ist, welche für je-<lb/> den Einzelnen aus der Existenz solcher Sätze hervorgehen, sowie,<lb/> dass die concreten Rechtsverhältnisse, welche auf Grund dieser<lb/> Rechtssätze entstehen, als rechtmässige anerkannt und geschützt<lb/> werden. Aber der Gesammtinhalt solcher allgemeinen Gesetze,<lb/> z. B. die Einrichtung der Pressfreiheit, der Gewissensfreiheit,<lb/> kann nicht als Inhalt eines subjectiven Rechts in der Rechtssphäre<lb/> des Individuums localisirt erscheinen. Siehe <hi rendition="#g">Gerber</hi>, öffentliche<lb/> Rechte, S. 77 flg.</note><lb/> Es sind in der Hauptsache folgende:</p><lb/> <p>1. Der Staat soll nicht die <hi rendition="#g">religiöse</hi> Ueberzeugung<lb/> seiner Volksglieder beherrschen (Gewissensfreiheit). Er<lb/> kann daher ein bestimmtes religiöses Bekenntniss und<lb/> seine Uebung weder gebieten noch verbieten, und auch<lb/> nicht indirect auf die Wahl desselben durch Vorent-<lb/><note xml:id="note-0050" prev="#note-0049a" place="foot" n="1">wie solche von der deutschen Nationalversammlung festgestellt<lb/> waren.) Preussische Verfassungsurkunde, Art. 4—42, Bayerische<lb/> IV. §. 5 flg., Sächsische §. 26—40, Hannoverische §. 28 flg., Würt-<lb/> tembergische §. 21 flg. Badische §. 7. flg., Kurhessische §. 20 flg.,<lb/> Grossherzogl. Hessische §. 18 flg., Altenburgische §. 44 flg., Gothai-<lb/> sche §. 29 flg., Braunschweigische §. 29 flg., Oldenburgische §. 31 flg.,<lb/> Schwarzburg-Sondershausensche §. 10 flg., Reussische §. 6 flg.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0050]
Erster Abschnitt.
pflegt diese Sätze wohl als „Volksrechte“ zu bezeichnen,
um damit anzudeuten, dass jedes Mitglied des Volks
an der Wohlthat der nun erweiterten und gewähr-
leisteten Freiheit der Bewegung Theil nimmt; aber
keinenfalls darf dieser Ausdruck zu der Annahme ver-
leiten, dass es sich dabei um Rechte im subjectiven
Sinne handele, da sie vielmehr durchweg als Rechts-
sätze, d. h. Sätze des objectiven Rechts erscheinen. 2
Es sind in der Hauptsache folgende:
1. Der Staat soll nicht die religiöse Ueberzeugung
seiner Volksglieder beherrschen (Gewissensfreiheit). Er
kann daher ein bestimmtes religiöses Bekenntniss und
seine Uebung weder gebieten noch verbieten, und auch
nicht indirect auf die Wahl desselben durch Vorent-
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2 Die Verfassungsurkunden selbst geben zu dieser sehr all-
gemein verbreiteten irrthümlichen Auffassung Veranlassung, in-
dem sie in der Regel diese Rechtssätze als „Rechte der Staats-
bürger“ in eine Reihe mit dem Indigenate u. s. w. stellen. Man
kann nur sagen, dass jeder Staatsbürger in dem Genusse der Frei-
heit des Handelns an den Vortheilen betheiligt ist, welche für je-
den Einzelnen aus der Existenz solcher Sätze hervorgehen, sowie,
dass die concreten Rechtsverhältnisse, welche auf Grund dieser
Rechtssätze entstehen, als rechtmässige anerkannt und geschützt
werden. Aber der Gesammtinhalt solcher allgemeinen Gesetze,
z. B. die Einrichtung der Pressfreiheit, der Gewissensfreiheit,
kann nicht als Inhalt eines subjectiven Rechts in der Rechtssphäre
des Individuums localisirt erscheinen. Siehe Gerber, öffentliche
Rechte, S. 77 flg.
1 wie solche von der deutschen Nationalversammlung festgestellt
waren.) Preussische Verfassungsurkunde, Art. 4—42, Bayerische
IV. §. 5 flg., Sächsische §. 26—40, Hannoverische §. 28 flg., Würt-
tembergische §. 21 flg. Badische §. 7. flg., Kurhessische §. 20 flg.,
Grossherzogl. Hessische §. 18 flg., Altenburgische §. 44 flg., Gothai-
sche §. 29 flg., Braunschweigische §. 29 flg., Oldenburgische §. 31 flg.,
Schwarzburg-Sondershausensche §. 10 flg., Reussische §. 6 flg.
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