Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 22. Das Staatsgebiet. ist es auch sein Territorium. Eine Theilung des Terri-toriums4 wäre, wenn sie der Staat vornähme, eine Selbstvernichtung. Aber auch einem Dritten kann gegenüber einem rechtlich bestehenden Staatsorganismus nicht ein Recht auf dessen Zerstörung durch Zer- stückelung seines Staatsgebiets zustehen.5 Das ist es, was die Verfassungen aussprechen wollen, wenn sie die Untheilbarkeit des Staatsgebiets an die Spitze aller Grundgesetze stellen.6 Von dieser Rechtsstellung des Staatsgebiets ganz 4 Ganz das Gleiche gilt von Veräusserungen von Territorial- theilen; die Begriffe Theilung und Veräusserung fallen für die hier in Frage stehende Beziehung zusammen. -- Eine Ausnahme von dem Principe des Textes kann nur für unbedeutende und durch Gegenerwerb ausgeglichene Abtretungen zum Zwecke der Gränz- regulirung zugegeben werden. 5 Ueber diesen sehr bestrittenen Punkt vergl. meine Ab- handlung in Aegidi's Zeitschrift für deutsches Staatsrecht, 1. Bd. (1865) S. 5 flg. 6 Preussische Verfassungsurkunde Art. 1 und 2. Bayerische
Verfassungsurkunde Tit. 3. §. 1. Sächsische Verfassungsurkunde §. 1. und 2. Hannoversche Verfassungsurkunde §. 1. Württem- bergische Verfassungsurkunde §. 1. u. s. w. Aus dem deutschen Bundesrechte ist für diese Frage Nichts zu entnehmen. §. 22. Das Staatsgebiet. ist es auch sein Territorium. Eine Theilung des Terri-toriums4 wäre, wenn sie der Staat vornähme, eine Selbstvernichtung. Aber auch einem Dritten kann gegenüber einem rechtlich bestehenden Staatsorganismus nicht ein Recht auf dessen Zerstörung durch Zer- stückelung seines Staatsgebiets zustehen.5 Das ist es, was die Verfassungen aussprechen wollen, wenn sie die Untheilbarkeit des Staatsgebiets an die Spitze aller Grundgesetze stellen.6 Von dieser Rechtsstellung des Staatsgebiets ganz 4 Ganz das Gleiche gilt von Veräusserungen von Territorial- theilen; die Begriffe Theilung und Veräusserung fallen für die hier in Frage stehende Beziehung zusammen. — Eine Ausnahme von dem Principe des Textes kann nur für unbedeutende und durch Gegenerwerb ausgeglichene Abtretungen zum Zwecke der Gränz- regulirung zugegeben werden. 5 Ueber diesen sehr bestrittenen Punkt vergl. meine Ab- handlung in Aegidi’s Zeitschrift für deutsches Staatsrecht, 1. Bd. (1865) S. 5 flg. 6 Preussische Verfassungsurkunde Art. 1 und 2. Bayerische
Verfassungsurkunde Tit. 3. §. 1. Sächsische Verfassungsurkunde §. 1. und 2. Hannoversche Verfassungsurkunde §. 1. Württem- bergische Verfassungsurkunde §. 1. u. s. w. Aus dem deutschen Bundesrechte ist für diese Frage Nichts zu entnehmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0081" n="63"/><fw place="top" type="header">§. 22. Das Staatsgebiet.</fw><lb/> ist es auch sein Territorium. Eine Theilung des Terri-<lb/> toriums<note place="foot" n="4">Ganz das Gleiche gilt von Veräusserungen von Territorial-<lb/> theilen; die Begriffe Theilung und Veräusserung fallen für die<lb/> hier in Frage stehende Beziehung zusammen. — Eine Ausnahme<lb/> von dem Principe des Textes kann nur für unbedeutende und durch<lb/> Gegenerwerb ausgeglichene Abtretungen zum Zwecke der Gränz-<lb/> regulirung zugegeben werden.</note> wäre, wenn sie der Staat vornähme, eine<lb/> Selbstvernichtung. Aber auch einem Dritten kann<lb/> gegenüber einem rechtlich bestehenden Staatsorganismus<lb/> nicht ein Recht auf dessen Zerstörung durch Zer-<lb/> stückelung seines Staatsgebiets zustehen.<note place="foot" n="5">Ueber diesen sehr bestrittenen Punkt vergl. <hi rendition="#g">meine</hi> Ab-<lb/> handlung in Aegidi’s Zeitschrift für deutsches Staatsrecht, 1. Bd.<lb/> (1865) S. 5 flg.</note> Das ist es,<lb/> was die Verfassungen aussprechen wollen, wenn sie die<lb/> Untheilbarkeit des Staatsgebiets an die Spitze aller<lb/> Grundgesetze stellen.<note place="foot" n="6">Preussische Verfassungsurkunde Art. 1 und 2. Bayerische<lb/> Verfassungsurkunde Tit. 3. §. 1. Sächsische Verfassungsurkunde<lb/> §. 1. und 2. Hannoversche Verfassungsurkunde §. 1. Württem-<lb/> bergische Verfassungsurkunde §. 1. u. s. w. Aus dem deutschen<lb/> Bundesrechte ist für <hi rendition="#g">diese</hi> Frage Nichts zu entnehmen.</note></p><lb/> <p>Von dieser Rechtsstellung des Staatsgebiets ganz<lb/> verschieden war die des Territoriums im älteren deut-<lb/> schen Staatsrechte. In ihm erschien es als das Object<lb/> eines im Ganzen privatrechtsartigen Rechts seines Lan-<lb/> desherrn. In dem Besitzrechte des Landesfürsten lag<lb/> der wesentliche Grund seines Zusammenhangs; denn<lb/> die einzelnen Theile desselben waren in der Regel auf<lb/> Grund sehr verschiedener Erwerbstitel zusammenge-<lb/> bracht worden, und bewahrten auch in der Hand ihres<lb/> Erwerbers die mannichfachsten rechtlichen Verschie-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0081]
§. 22. Das Staatsgebiet.
ist es auch sein Territorium. Eine Theilung des Terri-
toriums 4 wäre, wenn sie der Staat vornähme, eine
Selbstvernichtung. Aber auch einem Dritten kann
gegenüber einem rechtlich bestehenden Staatsorganismus
nicht ein Recht auf dessen Zerstörung durch Zer-
stückelung seines Staatsgebiets zustehen. 5 Das ist es,
was die Verfassungen aussprechen wollen, wenn sie die
Untheilbarkeit des Staatsgebiets an die Spitze aller
Grundgesetze stellen. 6
Von dieser Rechtsstellung des Staatsgebiets ganz
verschieden war die des Territoriums im älteren deut-
schen Staatsrechte. In ihm erschien es als das Object
eines im Ganzen privatrechtsartigen Rechts seines Lan-
desherrn. In dem Besitzrechte des Landesfürsten lag
der wesentliche Grund seines Zusammenhangs; denn
die einzelnen Theile desselben waren in der Regel auf
Grund sehr verschiedener Erwerbstitel zusammenge-
bracht worden, und bewahrten auch in der Hand ihres
Erwerbers die mannichfachsten rechtlichen Verschie-
4 Ganz das Gleiche gilt von Veräusserungen von Territorial-
theilen; die Begriffe Theilung und Veräusserung fallen für die
hier in Frage stehende Beziehung zusammen. — Eine Ausnahme
von dem Principe des Textes kann nur für unbedeutende und durch
Gegenerwerb ausgeglichene Abtretungen zum Zwecke der Gränz-
regulirung zugegeben werden.
5 Ueber diesen sehr bestrittenen Punkt vergl. meine Ab-
handlung in Aegidi’s Zeitschrift für deutsches Staatsrecht, 1. Bd.
(1865) S. 5 flg.
6 Preussische Verfassungsurkunde Art. 1 und 2. Bayerische
Verfassungsurkunde Tit. 3. §. 1. Sächsische Verfassungsurkunde
§. 1. und 2. Hannoversche Verfassungsurkunde §. 1. Württem-
bergische Verfassungsurkunde §. 1. u. s. w. Aus dem deutschen
Bundesrechte ist für diese Frage Nichts zu entnehmen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |