Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Zweiter Abschnitt. der Fall einer solchen eintritt. Hieran schliessen dieVerfassungen noch mancherlei andere öffentliche Rechte der fürstlichen Agnaten, insbesondere ein Recht der Mitwirkung bei der Entscheidung der Frage, ob eine Regentschaft einzutreten oder aufzuhören habe,4 ferner ein Recht der Theilnahme am Familienrathe, sofern ein solcher besteht, und Sitz und Stimme in der ersten Kammer.5 Ein Recht, an der Regierung selbst Theil zu nehmen oder bei gewissen Regierungshandlungen zur Mitwirkung berufen zu werden,6 besteht dagegen für die fürstlichen Agnaten ebensowenig, als eine Ge- richtsbarkeit derselben über den Monarchen.7 4 Siehe unten §. 34. 5 Zu den Auszeichnungen der Mitglieder des Regentenhauses gehört in der Regel auch ein besonderer Volljährigkeitstermin; ferner privilegirter Gerichtsstand, bisweilen noch die herkömm- lichen Familienausträge. 6 Nur zur Wahrung ihrer agnatischen Rechte, namentlich ihrer Successions- und privatrechtlichen Domanialrechte steht ihnen ein selbständiges Recht der Mitbestimmung zu, nicht aber bei der Ausübung der Staatsoberhauptschaft. Es würde eine völlige Verkennung des Wesens der heutigen Monarchie voraus- setzen, wenn man etwa den Uebergang der absoluten Monarchie in eine constitutionelle als eine Substanzminderung des agnati- schen Patrimonium auffassen wollte, welche nicht ohne Zustim- mung der Agnaten erfolgen könne. Ueber die eigenthümlichen Verhältnisse von Lippe siehe Protocolle der deutschen Bundes- verfassung von 1819 S. 636 flg., und v. Campe, Lehre von den Landständen, 2. Aufl. 1864, S. 281. Note 2. 7 So richtig Zachariä, deutsches Staats- u. Bundesrecht I.,
§. 84. Note 10., wo auch die das Entgegengesetzte behauptende Hannöverische Denkschrift bei Gelegenheit der Absetzung des Her- zogs Carl von Braunschweig angeführt wird (als Rechtsgrund wird daselbst geltend gemacht, dass die Souverainetät in Deutschland den fürstlichen Familien (!) zustehe). A. A. Zöpfl, Staatsrecht, der das Entsetzungsrecht der Agnaten für ein "fundamental her- Zweiter Abschnitt. der Fall einer solchen eintritt. Hieran schliessen dieVerfassungen noch mancherlei andere öffentliche Rechte der fürstlichen Agnaten, insbesondere ein Recht der Mitwirkung bei der Entscheidung der Frage, ob eine Regentschaft einzutreten oder aufzuhören habe,4 ferner ein Recht der Theilnahme am Familienrathe, sofern ein solcher besteht, und Sitz und Stimme in der ersten Kammer.5 Ein Recht, an der Regierung selbst Theil zu nehmen oder bei gewissen Regierungshandlungen zur Mitwirkung berufen zu werden,6 besteht dagegen für die fürstlichen Agnaten ebensowenig, als eine Ge- richtsbarkeit derselben über den Monarchen.7 4 Siehe unten §. 34. 5 Zu den Auszeichnungen der Mitglieder des Regentenhauses gehört in der Regel auch ein besonderer Volljährigkeitstermin; ferner privilegirter Gerichtsstand, bisweilen noch die herkömm- lichen Familienausträge. 6 Nur zur Wahrung ihrer agnatischen Rechte, namentlich ihrer Successions- und privatrechtlichen Domanialrechte steht ihnen ein selbständiges Recht der Mitbestimmung zu, nicht aber bei der Ausübung der Staatsoberhauptschaft. Es würde eine völlige Verkennung des Wesens der heutigen Monarchie voraus- setzen, wenn man etwa den Uebergang der absoluten Monarchie in eine constitutionelle als eine Substanzminderung des agnati- schen Patrimonium auffassen wollte, welche nicht ohne Zustim- mung der Agnaten erfolgen könne. Ueber die eigenthümlichen Verhältnisse von Lippe siehe Protocolle der deutschen Bundes- verfassung von 1819 S. 636 flg., und v. Campe, Lehre von den Landständen, 2. Aufl. 1864, S. 281. Note 2. 7 So richtig Zachariä, deutsches Staats- u. Bundesrecht I.,
§. 84. Note 10., wo auch die das Entgegengesetzte behauptende Hannöverische Denkschrift bei Gelegenheit der Absetzung des Her- zogs Carl von Braunschweig angeführt wird (als Rechtsgrund wird daselbst geltend gemacht, dass die Souverainetät in Deutschland den fürstlichen Familien (!) zustehe). A. A. Zöpfl, Staatsrecht, der das Entsetzungsrecht der Agnaten für ein „fundamental her- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0096" n="78"/><fw place="top" type="header">Zweiter Abschnitt.</fw><lb/> der Fall einer solchen eintritt. Hieran schliessen die<lb/> Verfassungen noch mancherlei andere öffentliche Rechte<lb/> der fürstlichen Agnaten, insbesondere ein Recht der<lb/> Mitwirkung bei der Entscheidung der Frage, ob eine<lb/> Regentschaft einzutreten oder aufzuhören habe,<note place="foot" n="4">Siehe unten §. 34.</note> ferner<lb/> ein Recht der Theilnahme am Familienrathe, sofern ein<lb/> solcher besteht, und Sitz und Stimme in der ersten<lb/> Kammer.<note place="foot" n="5">Zu den Auszeichnungen der Mitglieder des Regentenhauses<lb/> gehört in der Regel auch ein besonderer Volljährigkeitstermin;<lb/> ferner privilegirter Gerichtsstand, bisweilen noch die herkömm-<lb/> lichen Familienausträge.</note> Ein Recht, an der Regierung selbst Theil<lb/> zu nehmen oder bei gewissen Regierungshandlungen<lb/> zur Mitwirkung berufen zu werden,<note place="foot" n="6">Nur zur Wahrung ihrer agnatischen Rechte, namentlich<lb/> ihrer Successions- und privatrechtlichen Domanialrechte steht<lb/> ihnen ein selbständiges Recht der Mitbestimmung zu, nicht aber<lb/> bei der Ausübung der Staatsoberhauptschaft. Es würde eine<lb/> völlige Verkennung des Wesens der heutigen Monarchie voraus-<lb/> setzen, wenn man etwa den Uebergang der absoluten Monarchie<lb/> in eine constitutionelle als eine Substanzminderung des agnati-<lb/> schen Patrimonium auffassen wollte, welche nicht ohne Zustim-<lb/> mung der Agnaten erfolgen könne. Ueber die eigenthümlichen<lb/> Verhältnisse von Lippe siehe Protocolle der deutschen Bundes-<lb/> verfassung von 1819 S. 636 flg., und v. <hi rendition="#g">Campe</hi>, Lehre von den<lb/> Landständen, 2. Aufl. 1864, S. 281. Note 2.</note> besteht dagegen<lb/> für die fürstlichen Agnaten ebensowenig, als eine Ge-<lb/> richtsbarkeit derselben über den Monarchen.<note xml:id="note-0096" next="#note-0097" place="foot" n="7">So richtig <hi rendition="#g">Zachariä</hi>, deutsches Staats- u. Bundesrecht I.,<lb/> §. 84. Note 10., wo auch die das Entgegengesetzte behauptende<lb/> Hannöverische Denkschrift bei Gelegenheit der Absetzung des Her-<lb/> zogs Carl von Braunschweig angeführt wird (als Rechtsgrund wird<lb/> daselbst geltend gemacht, dass die Souverainetät in Deutschland<lb/> den fürstlichen Familien (!) zustehe). A. A. <hi rendition="#g">Zöpfl</hi>, Staatsrecht,<lb/> der das Entsetzungsrecht der Agnaten für ein „fundamental her-</note></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0096]
Zweiter Abschnitt.
der Fall einer solchen eintritt. Hieran schliessen die
Verfassungen noch mancherlei andere öffentliche Rechte
der fürstlichen Agnaten, insbesondere ein Recht der
Mitwirkung bei der Entscheidung der Frage, ob eine
Regentschaft einzutreten oder aufzuhören habe, 4 ferner
ein Recht der Theilnahme am Familienrathe, sofern ein
solcher besteht, und Sitz und Stimme in der ersten
Kammer. 5 Ein Recht, an der Regierung selbst Theil
zu nehmen oder bei gewissen Regierungshandlungen
zur Mitwirkung berufen zu werden, 6 besteht dagegen
für die fürstlichen Agnaten ebensowenig, als eine Ge-
richtsbarkeit derselben über den Monarchen. 7
4 Siehe unten §. 34.
5 Zu den Auszeichnungen der Mitglieder des Regentenhauses
gehört in der Regel auch ein besonderer Volljährigkeitstermin;
ferner privilegirter Gerichtsstand, bisweilen noch die herkömm-
lichen Familienausträge.
6 Nur zur Wahrung ihrer agnatischen Rechte, namentlich
ihrer Successions- und privatrechtlichen Domanialrechte steht
ihnen ein selbständiges Recht der Mitbestimmung zu, nicht aber
bei der Ausübung der Staatsoberhauptschaft. Es würde eine
völlige Verkennung des Wesens der heutigen Monarchie voraus-
setzen, wenn man etwa den Uebergang der absoluten Monarchie
in eine constitutionelle als eine Substanzminderung des agnati-
schen Patrimonium auffassen wollte, welche nicht ohne Zustim-
mung der Agnaten erfolgen könne. Ueber die eigenthümlichen
Verhältnisse von Lippe siehe Protocolle der deutschen Bundes-
verfassung von 1819 S. 636 flg., und v. Campe, Lehre von den
Landständen, 2. Aufl. 1864, S. 281. Note 2.
7 So richtig Zachariä, deutsches Staats- u. Bundesrecht I.,
§. 84. Note 10., wo auch die das Entgegengesetzte behauptende
Hannöverische Denkschrift bei Gelegenheit der Absetzung des Her-
zogs Carl von Braunschweig angeführt wird (als Rechtsgrund wird
daselbst geltend gemacht, dass die Souverainetät in Deutschland
den fürstlichen Familien (!) zustehe). A. A. Zöpfl, Staatsrecht,
der das Entsetzungsrecht der Agnaten für ein „fundamental her-
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