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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Dritter Abschnitt. Die Verwendung der Torpedos.

Ob anfänglich langsam und dann erst mit Aufbietung äußerster
Kraft gefahren wird, oder ob Letzteres von Anfang an geschieht,
hängt von verschiedenen Umständen ab. Es wird dies von der An-
griffsrichtung, welche der kommandirende Offizier wählt, und von der
Entfernung des Gegners bedingt. Die Wahl der Angriffsrichtung
ist von höchstem Einfluß.

Befindet sich der Gegner in Fahrt, so gewährt ein Angriff von
vorn die schnellste Annäherung, denn dann nähern sich Freund und
Feind mit der Summe ihrer Geschwindigkeiten; ein Angriff mit der
Fahrtrichtung des Gegners erschwert die Annäherung, denn dann
nähern sich Angreifer und Angegriffener mit der Differenz ihrer
Geschwindigkeiten.

Die Richtung des Angriffes ist auch von hohem Einfluß auf
das Abkommen mit den Torpedos; auch ist es nicht gleichgültig,
unter welchem Winkel letztere ihr Ziel erreichen. Bilden die Fahrt-
richtung des Gegners und die Laufrichtung der Torpedos rechte
Winkel, so sind die Aussichten auf Treffen und Detoniren der
Torpedos die größten. Bei zu spitzem Auftreffwinkel kann es vor-
kommen, daß die Torpedos, ohne Schaden anzurichten, abgleiten, ganz
abgesehen davon, daß bei spitzem oder flachem Winkel zwischen Kiel
und Schußrichtung der Torpedos die Zielfläche sich verringert. Mit
höchster Fahrt stürmen die Boote auf den Gegner, sobald sie ihn
erkannt haben, und Aufgabe der Offiziere ist es, die Entfernung
richtig zu schätzen, den Angriff so anzusetzen, daß möglichst alle Rohre
zum Schuß und daß die Boote untereinander sich nicht in den Weg
kommen.

Die höchste Fahrt muß aufgenommen werden, sobald der Gegner
das Feuer eröffnet.

Es ist einleuchtend, daß die Fertigkeit, derartige Angriffe
fehlerfrei anzusetzen und auszuführen, sich nicht von heute auf morgen
erlernen läßt, daß vielmehr die Meisterschaft, wo nicht Genialität
ein Erlernen überflüssig macht, nur durch unausgesetzte Uebung unter
Anspannung aller Kräfte, nur bei genauester Ortskenntniß bei voller
Hingabe an die Sache und nur von Seeleuten erster Klasse zu er-
langen ist. Es ist einleuchtend, daß ein Gelingen von Torpedoboots-
angriffen nur zu erwarten ist bei kaltblütigen, energischen, umsichtigen
und tüchtigen Führern, bei willigen, disziplinirten, unerschrockenen

Dritter Abſchnitt. Die Verwendung der Torpedos.

Ob anfänglich langſam und dann erſt mit Aufbietung äußerſter
Kraft gefahren wird, oder ob Letzteres von Anfang an geſchieht,
hängt von verſchiedenen Umſtänden ab. Es wird dies von der An-
griffsrichtung, welche der kommandirende Offizier wählt, und von der
Entfernung des Gegners bedingt. Die Wahl der Angriffsrichtung
iſt von höchſtem Einfluß.

Befindet ſich der Gegner in Fahrt, ſo gewährt ein Angriff von
vorn die ſchnellſte Annäherung, denn dann nähern ſich Freund und
Feind mit der Summe ihrer Geſchwindigkeiten; ein Angriff mit der
Fahrtrichtung des Gegners erſchwert die Annäherung, denn dann
nähern ſich Angreifer und Angegriffener mit der Differenz ihrer
Geſchwindigkeiten.

Die Richtung des Angriffes iſt auch von hohem Einfluß auf
das Abkommen mit den Torpedos; auch iſt es nicht gleichgültig,
unter welchem Winkel letztere ihr Ziel erreichen. Bilden die Fahrt-
richtung des Gegners und die Laufrichtung der Torpedos rechte
Winkel, ſo ſind die Ausſichten auf Treffen und Detoniren der
Torpedos die größten. Bei zu ſpitzem Auftreffwinkel kann es vor-
kommen, daß die Torpedos, ohne Schaden anzurichten, abgleiten, ganz
abgeſehen davon, daß bei ſpitzem oder flachem Winkel zwiſchen Kiel
und Schußrichtung der Torpedos die Zielfläche ſich verringert. Mit
höchſter Fahrt ſtürmen die Boote auf den Gegner, ſobald ſie ihn
erkannt haben, und Aufgabe der Offiziere iſt es, die Entfernung
richtig zu ſchätzen, den Angriff ſo anzuſetzen, daß möglichſt alle Rohre
zum Schuß und daß die Boote untereinander ſich nicht in den Weg
kommen.

Die höchſte Fahrt muß aufgenommen werden, ſobald der Gegner
das Feuer eröffnet.

Es iſt einleuchtend, daß die Fertigkeit, derartige Angriffe
fehlerfrei anzuſetzen und auszuführen, ſich nicht von heute auf morgen
erlernen läßt, daß vielmehr die Meiſterſchaft, wo nicht Genialität
ein Erlernen überflüſſig macht, nur durch unausgeſetzte Uebung unter
Anſpannung aller Kräfte, nur bei genaueſter Ortskenntniß bei voller
Hingabe an die Sache und nur von Seeleuten erſter Klaſſe zu er-
langen iſt. Es iſt einleuchtend, daß ein Gelingen von Torpedoboots-
angriffen nur zu erwarten iſt bei kaltblütigen, energiſchen, umſichtigen
und tüchtigen Führern, bei willigen, disziplinirten, unerſchrockenen

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[78/0096] Dritter Abſchnitt. Die Verwendung der Torpedos. Ob anfänglich langſam und dann erſt mit Aufbietung äußerſter Kraft gefahren wird, oder ob Letzteres von Anfang an geſchieht, hängt von verſchiedenen Umſtänden ab. Es wird dies von der An- griffsrichtung, welche der kommandirende Offizier wählt, und von der Entfernung des Gegners bedingt. Die Wahl der Angriffsrichtung iſt von höchſtem Einfluß. Befindet ſich der Gegner in Fahrt, ſo gewährt ein Angriff von vorn die ſchnellſte Annäherung, denn dann nähern ſich Freund und Feind mit der Summe ihrer Geſchwindigkeiten; ein Angriff mit der Fahrtrichtung des Gegners erſchwert die Annäherung, denn dann nähern ſich Angreifer und Angegriffener mit der Differenz ihrer Geſchwindigkeiten. Die Richtung des Angriffes iſt auch von hohem Einfluß auf das Abkommen mit den Torpedos; auch iſt es nicht gleichgültig, unter welchem Winkel letztere ihr Ziel erreichen. Bilden die Fahrt- richtung des Gegners und die Laufrichtung der Torpedos rechte Winkel, ſo ſind die Ausſichten auf Treffen und Detoniren der Torpedos die größten. Bei zu ſpitzem Auftreffwinkel kann es vor- kommen, daß die Torpedos, ohne Schaden anzurichten, abgleiten, ganz abgeſehen davon, daß bei ſpitzem oder flachem Winkel zwiſchen Kiel und Schußrichtung der Torpedos die Zielfläche ſich verringert. Mit höchſter Fahrt ſtürmen die Boote auf den Gegner, ſobald ſie ihn erkannt haben, und Aufgabe der Offiziere iſt es, die Entfernung richtig zu ſchätzen, den Angriff ſo anzuſetzen, daß möglichſt alle Rohre zum Schuß und daß die Boote untereinander ſich nicht in den Weg kommen. Die höchſte Fahrt muß aufgenommen werden, ſobald der Gegner das Feuer eröffnet. Es iſt einleuchtend, daß die Fertigkeit, derartige Angriffe fehlerfrei anzuſetzen und auszuführen, ſich nicht von heute auf morgen erlernen läßt, daß vielmehr die Meiſterſchaft, wo nicht Genialität ein Erlernen überflüſſig macht, nur durch unausgeſetzte Uebung unter Anſpannung aller Kräfte, nur bei genaueſter Ortskenntniß bei voller Hingabe an die Sache und nur von Seeleuten erſter Klaſſe zu er- langen iſt. Es iſt einleuchtend, daß ein Gelingen von Torpedoboots- angriffen nur zu erwarten iſt bei kaltblütigen, energiſchen, umſichtigen und tüchtigen Führern, bei willigen, disziplinirten, unerſchrockenen

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/96>, abgerufen am 24.11.2024.