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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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nichtswürdig verachtet. Aus dem Vorstehenden aber kann man ermessen, wie vernichtend dieser Schlag ihr geistiges Leben traf.

Ebenso war es mit den politischen Einrichtungen: und auch hier müssen wir wenigstens auf einige Hauptpunkte hinweisen. Die despotische Verfassung, das strenge Adelsregiment der Südsee (um bei den Polynesiern zunächst zu bleiben), haben wir schon betrachtet. Aber mochte der Adel sich noch so hoch über das Volk stellen, das Volk aufs ärgste unterdrücken: er war doch von Gott, man hing ihm doch mit warmer Verehrung an, man brachte in den meisten Fällen sein Gut und Blut mit aufrichtigem Eifer dar -- lohnte doch eine solche Aufopferung mit einem besseren oder überhaupt mit einem Leben nach dem Tode! Jedenfalls beruhte auf diesem Verhältniss des Adels, der naturgemäss die stolzeste Meinung von sich hatte und sich keineswegs den europäischen Grossen untergeordnet fühlte, und des Volkes das gesammte öffentliche Leben Polynesiens und Mikronesiens und hier wieder vorzüglich der Marianen.

Durch den Einfluss der Europäer änderte sich das alles und so sehr auch das Volk nachher dadurch gewann: für den Augenblick musste es die Einrichtungen, die ihm seit Jahrtausenden gewohnt und ehrwürdig waren, aufgeben und die, welche es vordem gleich Göttern geachtet hatte, von den Europäern keineswegs besonders hochgestellt, ja oft mit Verachtung oder gar mit schreiendster Ungerechtigkeit behandelt, zum Theil wie auf den Marianen blutig verfolgt und vernichtet sehen. Der Adel selbst aber war noch schlimmer dran. Er war, bei völliger Unumschränktheit, der festen Ueberzeugung, von ganz anderem Stoff zu sein, als das gemeine Volk, er stellte sich ganz den höchsten Europäern gleich und wusste sich, wie Liholiho, Tamehameha I. Sohn in England bei seinem Aufenthalt unter der englischen höchsten Aristokratie bewiesen hat, diesen auch im äusseren Benehmen ziemlich gleich zu halten. Und nun fand er sich von den Europäern, oft von den gemeinsten Matrosen, nicht nur nicht göttlich verehrt, sondern verachtet, dem gemeinen Volke ganz gleich, und jedenfalls tief unter jeden Weissen gestellt, er fand sich von der Gesellschaft in den meisten Fällen (wo sich eine wirklich europäische Gesellschaft bilden konnte) entweder ausgeschlossen oder doch nur geduldet! So geschah es zu Neuseeland -- man kennt ja den Hochmuth der englischen Race einer farbigen Bevölkerung gegenüber -- so, seit der gloriosen französischen Occupation, zu Tahiti, so einige Jahrhunderte früher auf den Marianen, wo der Adel in den blutigen Kämpfen ganz zu Grunde ging.

Noch viel schlimmer, weil die Zerstörung gründlicher war, wirkten diese Dinge in Amerika. Denn auch hier war Volk und Herrscher durch Bande grosser Anhänglichkeit und Religiosität verknüpft. Der Herrscher, der aus dem hohen Adel gewählt wurde, und mit ihm der höchste Adel war, wie wir schon sahen, Stellvertreter Gottes auf

nichtswürdig verachtet. Aus dem Vorstehenden aber kann man ermessen, wie vernichtend dieser Schlag ihr geistiges Leben traf.

Ebenso war es mit den politischen Einrichtungen: und auch hier müssen wir wenigstens auf einige Hauptpunkte hinweisen. Die despotische Verfassung, das strenge Adelsregiment der Südsee (um bei den Polynesiern zunächst zu bleiben), haben wir schon betrachtet. Aber mochte der Adel sich noch so hoch über das Volk stellen, das Volk aufs ärgste unterdrücken: er war doch von Gott, man hing ihm doch mit warmer Verehrung an, man brachte in den meisten Fällen sein Gut und Blut mit aufrichtigem Eifer dar — lohnte doch eine solche Aufopferung mit einem besseren oder überhaupt mit einem Leben nach dem Tode! Jedenfalls beruhte auf diesem Verhältniss des Adels, der naturgemäss die stolzeste Meinung von sich hatte und sich keineswegs den europäischen Grossen untergeordnet fühlte, und des Volkes das gesammte öffentliche Leben Polynesiens und Mikronesiens und hier wieder vorzüglich der Marianen.

Durch den Einfluss der Europäer änderte sich das alles und so sehr auch das Volk nachher dadurch gewann: für den Augenblick musste es die Einrichtungen, die ihm seit Jahrtausenden gewohnt und ehrwürdig waren, aufgeben und die, welche es vordem gleich Göttern geachtet hatte, von den Europäern keineswegs besonders hochgestellt, ja oft mit Verachtung oder gar mit schreiendster Ungerechtigkeit behandelt, zum Theil wie auf den Marianen blutig verfolgt und vernichtet sehen. Der Adel selbst aber war noch schlimmer dran. Er war, bei völliger Unumschränktheit, der festen Ueberzeugung, von ganz anderem Stoff zu sein, als das gemeine Volk, er stellte sich ganz den höchsten Europäern gleich und wusste sich, wie Liholiho, Tamehameha I. Sohn in England bei seinem Aufenthalt unter der englischen höchsten Aristokratie bewiesen hat, diesen auch im äusseren Benehmen ziemlich gleich zu halten. Und nun fand er sich von den Europäern, oft von den gemeinsten Matrosen, nicht nur nicht göttlich verehrt, sondern verachtet, dem gemeinen Volke ganz gleich, und jedenfalls tief unter jeden Weissen gestellt, er fand sich von der Gesellschaft in den meisten Fällen (wo sich eine wirklich europäische Gesellschaft bilden konnte) entweder ausgeschlossen oder doch nur geduldet! So geschah es zu Neuseeland — man kennt ja den Hochmuth der englischen Raçe einer farbigen Bevölkerung gegenüber — so, seit der gloriosen französischen Occupation, zu Tahiti, so einige Jahrhunderte früher auf den Marianen, wo der Adel in den blutigen Kämpfen ganz zu Grunde ging.

Noch viel schlimmer, weil die Zerstörung gründlicher war, wirkten diese Dinge in Amerika. Denn auch hier war Volk und Herrscher durch Bande grosser Anhänglichkeit und Religiosität verknüpft. Der Herrscher, der aus dem hohen Adel gewählt wurde, und mit ihm der höchste Adel war, wie wir schon sahen, Stellvertreter Gottes auf

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 müssen wir wenigstens auf einige Hauptpunkte hinweisen. Die
 despotische Verfassung, das strenge Adelsregiment der Südsee
 (um bei den Polynesiern zunächst zu bleiben), haben wir schon
 betrachtet. Aber mochte der Adel sich noch so hoch über das
 Volk stellen, das Volk aufs ärgste unterdrücken: er war
 doch von Gott, man hing ihm doch mit warmer Verehrung an, man
 brachte in den meisten Fällen sein Gut und Blut mit
 aufrichtigem Eifer dar &#x2014; lohnte doch eine solche Aufopferung
 mit einem besseren oder überhaupt mit einem Leben nach dem
 Tode! Jedenfalls beruhte auf diesem Verhältniss des Adels, der
 naturgemäss die stolzeste Meinung von sich hatte und sich
 keineswegs den europäischen Grossen untergeordnet fühlte,
 und des Volkes das gesammte öffentliche Leben Polynesiens und
 Mikronesiens und hier wieder vorzüglich der Marianen.</p>
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 Augenblick musste es die Einrichtungen, die ihm seit Jahrtausenden
 gewohnt und ehrwürdig waren, aufgeben und die, welche es
 vordem gleich Göttern geachtet hatte, von den Europäern
 keineswegs besonders hochgestellt, ja oft mit Verachtung oder gar
 mit schreiendster Ungerechtigkeit behandelt, zum Theil wie auf den
 Marianen blutig verfolgt und vernichtet sehen. Der Adel selbst aber
 war noch schlimmer dran. Er war, bei völliger
 Unumschränktheit, der festen Ueberzeugung, von ganz anderem
 Stoff zu sein, als das gemeine Volk, er stellte sich ganz den
 höchsten Europäern gleich und wusste sich, wie Liholiho,
 Tamehameha I. Sohn in England bei seinem Aufenthalt unter der
 englischen höchsten Aristokratie bewiesen hat, diesen auch im
 äusseren Benehmen ziemlich gleich zu halten. Und nun fand er
 sich von den Europäern, oft von den gemeinsten Matrosen, nicht
 nur nicht göttlich verehrt, sondern verachtet, dem gemeinen
 Volke ganz gleich, und jedenfalls tief unter jeden Weissen
 gestellt, er fand sich von der Gesellschaft in den meisten
 Fällen (wo sich eine wirklich europäische Gesellschaft
 bilden konnte) entweder ausgeschlossen oder doch nur geduldet! So
 geschah es zu Neuseeland &#x2014; man kennt ja den Hochmuth der
 englischen Raçe einer farbigen Bevölkerung
 gegenüber &#x2014; so, seit der gloriosen französischen
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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/103>, abgerufen am 21.11.2024.