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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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über das milde Verfahren der Russen nicht eben hoch anschlägt (3, 313-14). Nach den Schilderungen von Chamisso, der hier mit Kotzebue (1, 167 -- 68) ganz übereinstimmt, sind sie jetzt ein träges auch in seiner Freude trübes und theilnahmloses Volk (Cham. 177), wozu sie in Folge des unaufhörlichen Drucks geworden sind. Einzelne sollen sich, ähnlich wie die "wilden Männer" von Tahiti, in die Berge geflüchtet haben und dort ein kümmerliches Leben fristen (Chamisso 177).

Von der Inselwelt des stillen Ozeans kamen die Europäer zuerst in dauernde Berührung mit den Marianen, wo die Spanier, als sie 1668 landeten eine sehr bedeutende Bevölkerung (100,000 ist nicht übertrieben, wie wir schon sahen) auf der ganzen Kette vertheilt fanden -- und um 1710 war nur noch Guaham, die südlichste und grösste Insel bewohnt, die anderen verödet. Der Krieg, welchen namentlich Quiroga mit blutiger Tapferkeit führte, und der über 30 Jahre dauerte, zahlreiche Epidemien, Verpflanzung der Eingeborenen von einem Distrikt zum anderen (welches Mittel auch in Amerika die verheerendsten Folgen hatte) trugen zu dieser Vernichtung das ihrige bei. Aber wenn auch nach den Berichten, die wir haben und die ganz, wie le Gobien und Freycinet, auf spanischen Quellen beruhen oder Erzählungen der bei der spanischen Unterwerfung thätigen Jesuiten sind wie die Berichte im "neuen Weltbott" (einer Missionzeitung a.d. Anfange des vorigen Jahrhunderts); wenn auch nach diesen Quellen die Spanier nicht mit der empörenden Grausamkeit verfuhren wie in Amerika: so ist es doch auffallend, dass wir ganz dieselben Erscheinungen hier wie dort nach ihrem Auftreten finden, wildeste Verzweiflung der Eingeborenen -- welche hier wie dort anfangs den Spaniern sehr freundlich entgegenkamen -- massenhaftes Auswandern derselben, zahllosen Selbstmord, künstliche Fehlgeburt oder Ermordung der Kinder bei der Geburt und schliesslich und sehr bald totale Entvölkerung der Inseln, welche für Guaham nur durch zahlreiche Einführung philippinischer Tagalen verhütet ist. Wahrscheinlich hausten also hier die Spanier mit derselben rohen Bedrückung und wilden Grausamkeit, welche sie überall zum Fluch der neuentdeckten Länder machte, nur dass hier, ganz ähnlich wie über das ebenso rasch entvölkerte Honduras (Waitz 4, 280), unsere Quellen schweigen, oder nur parteiisch und einseitig berichten. Sicher wird man aus dem Aussterben der marianischen Bevölkerung keinen Schluss ziehen können zu Gunsten der Ansicht, dass die Naturvölker, weil sie von schlechterer Organisation seien, den Weissen erlägen.

Polynesien ist 3 Jahrhunderte später entdeckt worden als Amerika, eins später als die Marianen; so sehen wir denn hier die kultivirte Menschheit anders als bisher. Zwar zeigen die früheren Durchsegler des Ozeans, die Spanier, Dampier, Roggeween, dieselbe Roh-

über das milde Verfahren der Russen nicht eben hoch anschlägt (3, 313-14). Nach den Schilderungen von Chamisso, der hier mit Kotzebue (1, 167 — 68) ganz übereinstimmt, sind sie jetzt ein träges auch in seiner Freude trübes und theilnahmloses Volk (Cham. 177), wozu sie in Folge des unaufhörlichen Drucks geworden sind. Einzelne sollen sich, ähnlich wie die »wilden Männer« von Tahiti, in die Berge geflüchtet haben und dort ein kümmerliches Leben fristen (Chamisso 177).

Von der Inselwelt des stillen Ozeans kamen die Europäer zuerst in dauernde Berührung mit den Marianen, wo die Spanier, als sie 1668 landeten eine sehr bedeutende Bevölkerung (100,000 ist nicht übertrieben, wie wir schon sahen) auf der ganzen Kette vertheilt fanden — und um 1710 war nur noch Guaham, die südlichste und grösste Insel bewohnt, die anderen verödet. Der Krieg, welchen namentlich Quiroga mit blutiger Tapferkeit führte, und der über 30 Jahre dauerte, zahlreiche Epidemien, Verpflanzung der Eingeborenen von einem Distrikt zum anderen (welches Mittel auch in Amerika die verheerendsten Folgen hatte) trugen zu dieser Vernichtung das ihrige bei. Aber wenn auch nach den Berichten, die wir haben und die ganz, wie le Gobien und Freycinet, auf spanischen Quellen beruhen oder Erzählungen der bei der spanischen Unterwerfung thätigen Jesuiten sind wie die Berichte im »neuen Weltbott« (einer Missionzeitung a.d. Anfange des vorigen Jahrhunderts); wenn auch nach diesen Quellen die Spanier nicht mit der empörenden Grausamkeit verfuhren wie in Amerika: so ist es doch auffallend, dass wir ganz dieselben Erscheinungen hier wie dort nach ihrem Auftreten finden, wildeste Verzweiflung der Eingeborenen — welche hier wie dort anfangs den Spaniern sehr freundlich entgegenkamen — massenhaftes Auswandern derselben, zahllosen Selbstmord, künstliche Fehlgeburt oder Ermordung der Kinder bei der Geburt und schliesslich und sehr bald totale Entvölkerung der Inseln, welche für Guaham nur durch zahlreiche Einführung philippinischer Tagalen verhütet ist. Wahrscheinlich hausten also hier die Spanier mit derselben rohen Bedrückung und wilden Grausamkeit, welche sie überall zum Fluch der neuentdeckten Länder machte, nur dass hier, ganz ähnlich wie über das ebenso rasch entvölkerte Honduras (Waitz 4, 280), unsere Quellen schweigen, oder nur parteiisch und einseitig berichten. Sicher wird man aus dem Aussterben der marianischen Bevölkerung keinen Schluss ziehen können zu Gunsten der Ansicht, dass die Naturvölker, weil sie von schlechterer Organisation seien, den Weissen erlägen.

Polynesien ist 3 Jahrhunderte später entdeckt worden als Amerika, eins später als die Marianen; so sehen wir denn hier die kultivirte Menschheit anders als bisher. Zwar zeigen die früheren Durchsegler des Ozeans, die Spanier, Dampier, Roggeween, dieselbe Roh-

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 übereinstimmt, sind sie jetzt ein träges auch in seiner
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 Tahiti, in die Berge geflüchtet haben und dort ein
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 Guaham, die südlichste und grösste Insel bewohnt, die
 anderen verödet. Der Krieg, welchen namentlich Quiroga mit
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 dauerte, zahlreiche Epidemien, Verpflanzung der Eingeborenen von
 einem Distrikt zum anderen (welches Mittel auch in Amerika die
 verheerendsten Folgen hatte) trugen zu dieser Vernichtung das
 ihrige bei. Aber wenn auch nach den Berichten, die wir haben und
 die ganz, wie le Gobien und Freycinet, auf spanischen Quellen
 beruhen oder Erzählungen der bei der spanischen Unterwerfung
 thätigen Jesuiten sind wie die Berichte im »neuen
 Weltbott« (einer Missionzeitung a.d. Anfange des vorigen
 Jahrhunderts); wenn auch nach diesen Quellen die Spanier nicht mit
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 Kinder bei der Geburt und schliesslich und sehr bald totale
 Entvölkerung der Inseln, welche für Guaham nur durch
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 ist. Wahrscheinlich hausten also hier die Spanier mit derselben
 rohen Bedrückung und wilden Grausamkeit, welche sie
 überall zum Fluch der neuentdeckten Länder machte, nur
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 entvölkerte Honduras (Waitz 4, 280), unsere Quellen schweigen,
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[0122] über das milde Verfahren der Russen nicht eben hoch anschlägt (3, 313-14). Nach den Schilderungen von Chamisso, der hier mit Kotzebue (1, 167 — 68) ganz übereinstimmt, sind sie jetzt ein träges auch in seiner Freude trübes und theilnahmloses Volk (Cham. 177), wozu sie in Folge des unaufhörlichen Drucks geworden sind. Einzelne sollen sich, ähnlich wie die »wilden Männer« von Tahiti, in die Berge geflüchtet haben und dort ein kümmerliches Leben fristen (Chamisso 177). Von der Inselwelt des stillen Ozeans kamen die Europäer zuerst in dauernde Berührung mit den Marianen, wo die Spanier, als sie 1668 landeten eine sehr bedeutende Bevölkerung (100,000 ist nicht übertrieben, wie wir schon sahen) auf der ganzen Kette vertheilt fanden — und um 1710 war nur noch Guaham, die südlichste und grösste Insel bewohnt, die anderen verödet. Der Krieg, welchen namentlich Quiroga mit blutiger Tapferkeit führte, und der über 30 Jahre dauerte, zahlreiche Epidemien, Verpflanzung der Eingeborenen von einem Distrikt zum anderen (welches Mittel auch in Amerika die verheerendsten Folgen hatte) trugen zu dieser Vernichtung das ihrige bei. Aber wenn auch nach den Berichten, die wir haben und die ganz, wie le Gobien und Freycinet, auf spanischen Quellen beruhen oder Erzählungen der bei der spanischen Unterwerfung thätigen Jesuiten sind wie die Berichte im »neuen Weltbott« (einer Missionzeitung a.d. Anfange des vorigen Jahrhunderts); wenn auch nach diesen Quellen die Spanier nicht mit der empörenden Grausamkeit verfuhren wie in Amerika: so ist es doch auffallend, dass wir ganz dieselben Erscheinungen hier wie dort nach ihrem Auftreten finden, wildeste Verzweiflung der Eingeborenen — welche hier wie dort anfangs den Spaniern sehr freundlich entgegenkamen — massenhaftes Auswandern derselben, zahllosen Selbstmord, künstliche Fehlgeburt oder Ermordung der Kinder bei der Geburt und schliesslich und sehr bald totale Entvölkerung der Inseln, welche für Guaham nur durch zahlreiche Einführung philippinischer Tagalen verhütet ist. Wahrscheinlich hausten also hier die Spanier mit derselben rohen Bedrückung und wilden Grausamkeit, welche sie überall zum Fluch der neuentdeckten Länder machte, nur dass hier, ganz ähnlich wie über das ebenso rasch entvölkerte Honduras (Waitz 4, 280), unsere Quellen schweigen, oder nur parteiisch und einseitig berichten. Sicher wird man aus dem Aussterben der marianischen Bevölkerung keinen Schluss ziehen können zu Gunsten der Ansicht, dass die Naturvölker, weil sie von schlechterer Organisation seien, den Weissen erlägen. Polynesien ist 3 Jahrhunderte später entdeckt worden als Amerika, eins später als die Marianen; so sehen wir denn hier die kultivirte Menschheit anders als bisher. Zwar zeigen die früheren Durchsegler des Ozeans, die Spanier, Dampier, Roggeween, dieselbe Roh-

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/122>, abgerufen am 21.11.2024.