Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.§ 23. Zukunft der Naturvölker. Mittel, sie zu
heben. Was wird nun die Zukunft der Naturvölker sein? Geradezu vernichtet sind nur wenige bis jetzt und noch können wir, und da wir Unfähigkeit zur Entwickelung, leibliche oder geistige, nirgends bei ihnen finden, noch müssen wir hoffen. Freilich ist viel verdorben; und die Leichtigkeit der Annäherung, das Vertrauen, mit dem sie der Kultur entgegenkamen, ist bei den meisten unwiederbringlich verloren. Wie bisher die Missionäre die grössten Verdienste um diese Völker haben, so fallen auch, wenn wir nach der Zukunft fragen, unsere Augen zunächst auf die Missionäre. Wenn wir bedenken, dass die Polynesier man kann wohl sagen ihre Rettung bisher ihnen verdanken, dass, die Hottentotten und so mancher amerikanische Stamm nur und allein durch sie Gelegenheit hatten, auch die guten Seiten der Kultur an sich zu erfahren; so können wir nicht dringend genug wünschen, dass ihr Werk sich segensreich immer weiter ausbreiten möge. Dazu gehört zunächst Unterstützung durch die weltlichen Mächte, freilich anders als sie von Frankreich den katholischen Missionären zu Theil wurde: denn die Staaten müssten, im Interesse der jedesmaligen Eingeborenen, jede segensreiche Wirksamkeit gleichviel von welcher Confession gleichmässig schützen. Und so hat sich, um gar nicht vom Christenthum zu reden, auch vom anthropologischen Standpunkt aus die katholische Kirche und Frankreich in ihrem Dienst in der Südsee schwer vergangen. Die Mächte, welche unter den Naturvölkern Kolonien haben, England besonders, haben den grössten Vortheil von einer tüchtigen Wirksamkeit der Missionäre; denn einmal werden durch sie unnütze Kriege, die doch auch den Weissen oft schädlich genug sind, vermieden, und ferner die Eingeborenen selbst der Kolonie gewonnen. Man sollte also von Staatswegen die Missionen mit allen Mitteln stützen (nicht gewaltsam einführen, nur stützen), aber auch zugleich ein wachsames Auge auf sie haben und sie nöthigen Falles zur Rechenschaft ziehen. Denn Menschlichkeiten können vorkommen und sind auch unter den protestantischen Missionären der Südsee vorgekommen, welche z. B. in Neuseeland durch ihre Landankäufe und Spekulationen sich und ihrer Sache und den Eingeborenen gleichviel geschadet haben. Aber auch die Missionäre müssen auf sich selbst das strengste Augenmerk haben. Sie müssen immer mehr und mehr zu der richtigen und wichtigen Einsicht gelangen, dass es nichts hilft, Völker zu taufen oder sie auf abstrakte und für jene Menschen ebenso unverständliche wie unbrauchbare Lehrbegriffe hinzuweisen, wenn man nicht alle ihre Geisteskräfte weckt, die Wahrheiten dieser Lehre sich anzueignen. Nach dieser Seite -- wer wollte es läugnen? übersteigt es doch auch § 23. Zukunft der Naturvölker. Mittel, sie zu
heben. Was wird nun die Zukunft der Naturvölker sein? Geradezu vernichtet sind nur wenige bis jetzt und noch können wir, und da wir Unfähigkeit zur Entwickelung, leibliche oder geistige, nirgends bei ihnen finden, noch müssen wir hoffen. Freilich ist viel verdorben; und die Leichtigkeit der Annäherung, das Vertrauen, mit dem sie der Kultur entgegenkamen, ist bei den meisten unwiederbringlich verloren. Wie bisher die Missionäre die grössten Verdienste um diese Völker haben, so fallen auch, wenn wir nach der Zukunft fragen, unsere Augen zunächst auf die Missionäre. Wenn wir bedenken, dass die Polynesier man kann wohl sagen ihre Rettung bisher ihnen verdanken, dass, die Hottentotten und so mancher amerikanische Stamm nur und allein durch sie Gelegenheit hatten, auch die guten Seiten der Kultur an sich zu erfahren; so können wir nicht dringend genug wünschen, dass ihr Werk sich segensreich immer weiter ausbreiten möge. Dazu gehört zunächst Unterstützung durch die weltlichen Mächte, freilich anders als sie von Frankreich den katholischen Missionären zu Theil wurde: denn die Staaten müssten, im Interesse der jedesmaligen Eingeborenen, jede segensreiche Wirksamkeit gleichviel von welcher Confession gleichmässig schützen. Und so hat sich, um gar nicht vom Christenthum zu reden, auch vom anthropologischen Standpunkt aus die katholische Kirche und Frankreich in ihrem Dienst in der Südsee schwer vergangen. Die Mächte, welche unter den Naturvölkern Kolonien haben, England besonders, haben den grössten Vortheil von einer tüchtigen Wirksamkeit der Missionäre; denn einmal werden durch sie unnütze Kriege, die doch auch den Weissen oft schädlich genug sind, vermieden, und ferner die Eingeborenen selbst der Kolonie gewonnen. Man sollte also von Staatswegen die Missionen mit allen Mitteln stützen (nicht gewaltsam einführen, nur stützen), aber auch zugleich ein wachsames Auge auf sie haben und sie nöthigen Falles zur Rechenschaft ziehen. Denn Menschlichkeiten können vorkommen und sind auch unter den protestantischen Missionären der Südsee vorgekommen, welche z. B. in Neuseeland durch ihre Landankäufe und Spekulationen sich und ihrer Sache und den Eingeborenen gleichviel geschadet haben. Aber auch die Missionäre müssen auf sich selbst das strengste Augenmerk haben. Sie müssen immer mehr und mehr zu der richtigen und wichtigen Einsicht gelangen, dass es nichts hilft, Völker zu taufen oder sie auf abstrakte und für jene Menschen ebenso unverständliche wie unbrauchbare Lehrbegriffe hinzuweisen, wenn man nicht alle ihre Geisteskräfte weckt, die Wahrheiten dieser Lehre sich anzueignen. 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Wenn wir bedenken, dass die Polynesier man kann wohl sagen ihre Rettung bisher ihnen verdanken, dass, die Hottentotten und so mancher amerikanische Stamm nur und allein durch sie Gelegenheit hatten, auch die guten Seiten der Kultur an sich zu erfahren; so können wir nicht dringend genug wünschen, dass ihr Werk sich segensreich immer weiter ausbreiten möge. Dazu gehört zunächst Unterstützung durch die weltlichen Mächte, freilich anders als sie von Frankreich den katholischen Missionären zu Theil wurde: denn die Staaten müssten, im Interesse der jedesmaligen Eingeborenen, jede segensreiche Wirksamkeit gleichviel von welcher Confession gleichmässig schützen. Und so hat sich, um gar nicht vom Christenthum zu reden, auch vom anthropologischen Standpunkt aus die katholische Kirche und Frankreich in ihrem Dienst in der Südsee schwer vergangen. Die Mächte, welche unter den Naturvölkern Kolonien haben, England besonders, haben den grössten Vortheil von einer tüchtigen Wirksamkeit der Missionäre; denn einmal werden durch sie unnütze Kriege, die doch auch den Weissen oft schädlich genug sind, vermieden, und ferner die Eingeborenen selbst der Kolonie gewonnen. Man sollte also von Staatswegen die Missionen mit allen Mitteln stützen (nicht gewaltsam einführen, nur stützen), aber auch zugleich ein wachsames Auge auf sie haben und sie nöthigen Falles zur Rechenschaft ziehen. Denn Menschlichkeiten können vorkommen und sind auch unter den protestantischen Missionären der Südsee vorgekommen, welche z. B. in Neuseeland durch ihre Landankäufe und Spekulationen sich und ihrer Sache und den Eingeborenen gleichviel geschadet haben. Aber auch die Missionäre müssen auf sich selbst das strengste Augenmerk haben. Sie müssen immer mehr und mehr zu der richtigen und wichtigen Einsicht gelangen, dass es nichts hilft, Völker zu taufen oder sie auf abstrakte und für jene Menschen ebenso unverständliche wie unbrauchbare Lehrbegriffe hinzuweisen, wenn man nicht alle ihre Geisteskräfte weckt, die Wahrheiten dieser Lehre sich anzueignen. Nach dieser Seite — wer wollte es läugnen? übersteigt es doch auch </p> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
§ 23. Zukunft der Naturvölker. Mittel, sie zu heben.
Was wird nun die Zukunft der Naturvölker sein? Geradezu vernichtet sind nur wenige bis jetzt und noch können wir, und da wir Unfähigkeit zur Entwickelung, leibliche oder geistige, nirgends bei ihnen finden, noch müssen wir hoffen. Freilich ist viel verdorben; und die Leichtigkeit der Annäherung, das Vertrauen, mit dem sie der Kultur entgegenkamen, ist bei den meisten unwiederbringlich verloren.
Wie bisher die Missionäre die grössten Verdienste um diese Völker haben, so fallen auch, wenn wir nach der Zukunft fragen, unsere Augen zunächst auf die Missionäre. Wenn wir bedenken, dass die Polynesier man kann wohl sagen ihre Rettung bisher ihnen verdanken, dass, die Hottentotten und so mancher amerikanische Stamm nur und allein durch sie Gelegenheit hatten, auch die guten Seiten der Kultur an sich zu erfahren; so können wir nicht dringend genug wünschen, dass ihr Werk sich segensreich immer weiter ausbreiten möge. Dazu gehört zunächst Unterstützung durch die weltlichen Mächte, freilich anders als sie von Frankreich den katholischen Missionären zu Theil wurde: denn die Staaten müssten, im Interesse der jedesmaligen Eingeborenen, jede segensreiche Wirksamkeit gleichviel von welcher Confession gleichmässig schützen. Und so hat sich, um gar nicht vom Christenthum zu reden, auch vom anthropologischen Standpunkt aus die katholische Kirche und Frankreich in ihrem Dienst in der Südsee schwer vergangen. Die Mächte, welche unter den Naturvölkern Kolonien haben, England besonders, haben den grössten Vortheil von einer tüchtigen Wirksamkeit der Missionäre; denn einmal werden durch sie unnütze Kriege, die doch auch den Weissen oft schädlich genug sind, vermieden, und ferner die Eingeborenen selbst der Kolonie gewonnen. Man sollte also von Staatswegen die Missionen mit allen Mitteln stützen (nicht gewaltsam einführen, nur stützen), aber auch zugleich ein wachsames Auge auf sie haben und sie nöthigen Falles zur Rechenschaft ziehen. Denn Menschlichkeiten können vorkommen und sind auch unter den protestantischen Missionären der Südsee vorgekommen, welche z. B. in Neuseeland durch ihre Landankäufe und Spekulationen sich und ihrer Sache und den Eingeborenen gleichviel geschadet haben. Aber auch die Missionäre müssen auf sich selbst das strengste Augenmerk haben. Sie müssen immer mehr und mehr zu der richtigen und wichtigen Einsicht gelangen, dass es nichts hilft, Völker zu taufen oder sie auf abstrakte und für jene Menschen ebenso unverständliche wie unbrauchbare Lehrbegriffe hinzuweisen, wenn man nicht alle ihre Geisteskräfte weckt, die Wahrheiten dieser Lehre sich anzueignen. Nach dieser Seite — wer wollte es läugnen? übersteigt es doch auch
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