Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.überwiegende Produktion der materiellen, den gemäßigten Klimaten die der geistigen Güter zufallen. Eine hohe Stufe intellektueller Bildung, tiefes Denken und eine durchgebildete, auf feiner und vielseitiger Ueberlegung ruhende Sittlichkeit, scheint bei der geistigen Erschlaffung kaum erreichbar zu sein, welche das Leben in der heissen Zone für den Europäer wie für den Eingeborenen mit sich bringt" (1, 185). Gerade weil aber das Leben unter den Tropen erschlaffend wirkt und auf den weissen Einwanderer noch mehr als auf den Eingeborenen, so ist es für ersteren der grösste Vortheil, wenn ihm Unterstützung von letzteren zu Theil würde. Von wie grossem Segen wäre es für alle Kolonien, statt wie jetzt in oft so blutiger Feindschaft mit den Eingeborenen zu leben, in ihnen Helfer und freundliche und intelligente Arbeiter zu finden und so empfiehlt sich schon von rein praktischer Seite für den Europäer die Schonung und Hebung der Naturvölker durchaus. Auch haben diese letzteren manches und wenn es bloss die Kenntniss der sie umgebenden Natur wäre, was sie als nützliche Dankesgabe für eine ihnen gewidmete treue Sorgfalt geben könnten. Hatten doch einige von ihnen reiche und originelle Kulturen entwickelt, deren Zerstörung ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit ist. Zunächst ist es die Höhe und Reinheit der mexikanischen Moral, wovon Waitz (4, 125 ff.) Proben gibt und die auch hinter den Lehren des Christenthums keineswegs weit zurückbleiben, was jene Behauptung rechtfertigt. Zugleich aber war in Mexiko wie in Peru auch die intellektuelle Fähigkeit hoch entwickelt, und was sie in industrieller Beziehung leisteten (Bauwerke, Goldarbeiten u. s. w.) ist bekannt genug. Sicher ist uns vieles von dem, was sie leisteten, durch die Art der Eroberung verloren; und was eine solche Kultur geleistet haben würde, wenn sie durch freundliches und allmähliches Bekanntwerden mit der europäischen erhöht worden wäre, darüber haben wir kein Urtheil. Jedenfalls sind verschiedene Brennpunkte der Kultur für die Menschheit nur ein Vortheil und zwar ein ganz unschätzbarer, wenn man bedenkt wie langsam im allgemeinen die Entwickelung der Völker ist. Auch ist kein geringer Werth auf die originale Verschiedenheit solcher selbständiger Kulturen zu legen; durch ihr Zusammentreffen, Wetteifern, selbständiges Schaffen wird mehr und allseitiges ins Leben gerufen und der menschliche Geist mehr und allseitiger entwickelt, als durch eine einzige in sich wesentlich gleiche Kultur. Möge denn von diesen Völkern wenigstens gerettet werden, was noch zu retten möglich ist. Bis jetzt steht die Entwickelung der Menschheit auch nach dieser Seite hin ganz unter naturalistischem Gesetz. Der "Kampf ums Dasein", in welchem es der Stärkere ist, welcher siegt, zeigt sich im vollsten Maasse; die erstarkten Racen breiten sich aus, gewaltsam und zum Unterschied von der überwiegende Produktion der materiellen, den gemäßigten Klimaten die der geistigen Güter zufallen. Eine hohe Stufe intellektueller Bildung, tiefes Denken und eine durchgebildete, auf feiner und vielseitiger Ueberlegung ruhende Sittlichkeit, scheint bei der geistigen Erschlaffung kaum erreichbar zu sein, welche das Leben in der heissen Zone für den Europäer wie für den Eingeborenen mit sich bringt« (1, 185). Gerade weil aber das Leben unter den Tropen erschlaffend wirkt und auf den weissen Einwanderer noch mehr als auf den Eingeborenen, so ist es für ersteren der grösste Vortheil, wenn ihm Unterstützung von letzteren zu Theil würde. Von wie grossem Segen wäre es für alle Kolonien, statt wie jetzt in oft so blutiger Feindschaft mit den Eingeborenen zu leben, in ihnen Helfer und freundliche und intelligente Arbeiter zu finden und so empfiehlt sich schon von rein praktischer Seite für den Europäer die Schonung und Hebung der Naturvölker durchaus. Auch haben diese letzteren manches und wenn es bloss die Kenntniss der sie umgebenden Natur wäre, was sie als nützliche Dankesgabe für eine ihnen gewidmete treue Sorgfalt geben könnten. Hatten doch einige von ihnen reiche und originelle Kulturen entwickelt, deren Zerstörung ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit ist. Zunächst ist es die Höhe und Reinheit der mexikanischen Moral, wovon Waitz (4, 125 ff.) Proben gibt und die auch hinter den Lehren des Christenthums keineswegs weit zurückbleiben, was jene Behauptung rechtfertigt. Zugleich aber war in Mexiko wie in Peru auch die intellektuelle Fähigkeit hoch entwickelt, und was sie in industrieller Beziehung leisteten (Bauwerke, Goldarbeiten u. s. w.) ist bekannt genug. Sicher ist uns vieles von dem, was sie leisteten, durch die Art der Eroberung verloren; und was eine solche Kultur geleistet haben würde, wenn sie durch freundliches und allmähliches Bekanntwerden mit der europäischen erhöht worden wäre, darüber haben wir kein Urtheil. Jedenfalls sind verschiedene Brennpunkte der Kultur für die Menschheit nur ein Vortheil und zwar ein ganz unschätzbarer, wenn man bedenkt wie langsam im allgemeinen die Entwickelung der Völker ist. Auch ist kein geringer Werth auf die originale Verschiedenheit solcher selbständiger Kulturen zu legen; durch ihr Zusammentreffen, Wetteifern, selbständiges Schaffen wird mehr und allseitiges ins Leben gerufen und der menschliche Geist mehr und allseitiger entwickelt, als durch eine einzige in sich wesentlich gleiche Kultur. Möge denn von diesen Völkern wenigstens gerettet werden, was noch zu retten möglich ist. Bis jetzt steht die Entwickelung der Menschheit auch nach dieser Seite hin ganz unter naturalistischem Gesetz. Der »Kampf ums Dasein«, in welchem es der Stärkere ist, welcher siegt, zeigt sich im vollsten Maasse; die erstarkten Raçen breiten sich aus, gewaltsam und zum Unterschied von der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156"/> überwiegende Produktion der materiellen, den gemäßigten Klimaten die der geistigen Güter zufallen. Eine hohe Stufe intellektueller Bildung, tiefes Denken und eine durchgebildete, auf feiner und vielseitiger Ueberlegung ruhende Sittlichkeit, scheint bei der geistigen Erschlaffung kaum erreichbar zu sein, welche das Leben in der heissen Zone für den Europäer wie für den Eingeborenen mit sich bringt« (1, 185). Gerade weil aber das Leben unter den Tropen erschlaffend wirkt und auf den weissen Einwanderer noch mehr als auf den Eingeborenen, so ist es für ersteren der grösste Vortheil, wenn ihm Unterstützung von letzteren zu Theil würde. Von wie grossem Segen wäre es für alle Kolonien, statt wie jetzt in oft so blutiger Feindschaft mit den Eingeborenen zu leben, in ihnen Helfer und freundliche und intelligente Arbeiter zu finden und so empfiehlt sich schon von rein praktischer Seite für den Europäer die Schonung und Hebung der Naturvölker durchaus.</p> <p>Auch haben diese letzteren manches und wenn es bloss die Kenntniss der sie umgebenden Natur wäre, was sie als nützliche Dankesgabe für eine ihnen gewidmete treue Sorgfalt geben könnten. Hatten doch einige von ihnen reiche und originelle Kulturen entwickelt, deren Zerstörung ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit ist. Zunächst ist es die Höhe und Reinheit der mexikanischen Moral, wovon Waitz (4, 125 ff.) Proben gibt und die auch hinter den Lehren des Christenthums keineswegs weit zurückbleiben, was jene Behauptung rechtfertigt. Zugleich aber war in Mexiko wie in Peru auch die intellektuelle Fähigkeit hoch entwickelt, und was sie in industrieller Beziehung leisteten (Bauwerke, Goldarbeiten u. s. w.) ist bekannt genug. Sicher ist uns vieles von dem, was sie leisteten, durch die Art der Eroberung verloren; und was eine solche Kultur geleistet haben würde, wenn sie durch freundliches und allmähliches Bekanntwerden mit der europäischen erhöht worden wäre, darüber haben wir kein Urtheil. Jedenfalls sind verschiedene Brennpunkte der Kultur für die Menschheit nur ein Vortheil und zwar ein ganz unschätzbarer, wenn man bedenkt wie langsam im allgemeinen die Entwickelung der Völker ist. Auch ist kein geringer Werth auf die originale Verschiedenheit solcher selbständiger Kulturen zu legen; durch ihr Zusammentreffen, Wetteifern, selbständiges Schaffen wird mehr und allseitiges ins Leben gerufen und der menschliche Geist mehr und allseitiger entwickelt, als durch eine einzige in sich wesentlich gleiche Kultur.</p> <p>Möge denn von diesen Völkern wenigstens gerettet werden, was noch zu retten möglich ist. Bis jetzt steht die Entwickelung der Menschheit auch nach dieser Seite hin ganz unter naturalistischem Gesetz. Der »Kampf ums Dasein«, in welchem es der Stärkere ist, welcher siegt, zeigt sich im vollsten Maasse; die erstarkten Raçen breiten sich aus, gewaltsam und zum Unterschied von der </p> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
überwiegende Produktion der materiellen, den gemäßigten Klimaten die der geistigen Güter zufallen. Eine hohe Stufe intellektueller Bildung, tiefes Denken und eine durchgebildete, auf feiner und vielseitiger Ueberlegung ruhende Sittlichkeit, scheint bei der geistigen Erschlaffung kaum erreichbar zu sein, welche das Leben in der heissen Zone für den Europäer wie für den Eingeborenen mit sich bringt« (1, 185). Gerade weil aber das Leben unter den Tropen erschlaffend wirkt und auf den weissen Einwanderer noch mehr als auf den Eingeborenen, so ist es für ersteren der grösste Vortheil, wenn ihm Unterstützung von letzteren zu Theil würde. Von wie grossem Segen wäre es für alle Kolonien, statt wie jetzt in oft so blutiger Feindschaft mit den Eingeborenen zu leben, in ihnen Helfer und freundliche und intelligente Arbeiter zu finden und so empfiehlt sich schon von rein praktischer Seite für den Europäer die Schonung und Hebung der Naturvölker durchaus.
Auch haben diese letzteren manches und wenn es bloss die Kenntniss der sie umgebenden Natur wäre, was sie als nützliche Dankesgabe für eine ihnen gewidmete treue Sorgfalt geben könnten. Hatten doch einige von ihnen reiche und originelle Kulturen entwickelt, deren Zerstörung ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit ist. Zunächst ist es die Höhe und Reinheit der mexikanischen Moral, wovon Waitz (4, 125 ff.) Proben gibt und die auch hinter den Lehren des Christenthums keineswegs weit zurückbleiben, was jene Behauptung rechtfertigt. Zugleich aber war in Mexiko wie in Peru auch die intellektuelle Fähigkeit hoch entwickelt, und was sie in industrieller Beziehung leisteten (Bauwerke, Goldarbeiten u. s. w.) ist bekannt genug. Sicher ist uns vieles von dem, was sie leisteten, durch die Art der Eroberung verloren; und was eine solche Kultur geleistet haben würde, wenn sie durch freundliches und allmähliches Bekanntwerden mit der europäischen erhöht worden wäre, darüber haben wir kein Urtheil. Jedenfalls sind verschiedene Brennpunkte der Kultur für die Menschheit nur ein Vortheil und zwar ein ganz unschätzbarer, wenn man bedenkt wie langsam im allgemeinen die Entwickelung der Völker ist. Auch ist kein geringer Werth auf die originale Verschiedenheit solcher selbständiger Kulturen zu legen; durch ihr Zusammentreffen, Wetteifern, selbständiges Schaffen wird mehr und allseitiges ins Leben gerufen und der menschliche Geist mehr und allseitiger entwickelt, als durch eine einzige in sich wesentlich gleiche Kultur.
Möge denn von diesen Völkern wenigstens gerettet werden, was noch zu retten möglich ist. Bis jetzt steht die Entwickelung der Menschheit auch nach dieser Seite hin ganz unter naturalistischem Gesetz. Der »Kampf ums Dasein«, in welchem es der Stärkere ist, welcher siegt, zeigt sich im vollsten Maasse; die erstarkten Raçen breiten sich aus, gewaltsam und zum Unterschied von der
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