Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Prinz Libu, welchen Wilson gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von den Palau-Inseln mit nach England genommen hatte und dort sehr sorgfältig pflegte, an einer ähnlichen Krankheit, kurz nach seiner Ankunft (Keate die Pelewinseln, Schluss). Jetzt beweisen solche Besuche um so weniger, als jetzt die meisten Völker Bekanntschaft mit der weissen Race haben.

Nach alledem würde es kein Wunder, nichts Rätselhaftes sein, wenn die Naturvölker gegen solche Miasmen, die auch von ganz Gesunden ganz unbemerkt eingeschleppt werden können, um so empfänglicher und empfindlicher sind, je weniger sie Schutz durch irgend welche Gewöhnung haben; daher denn solche Krankheiten, welche scheinbar unerklärlich entstehen, mit einer Heftigkeit wüthen, wie, vor Zeiten die Pest. So erzählt Williams (280 ff.), dass bei jener Seuche auf Rarotonga von mehreren tausend Einwohnern kaum ein einziger ganz davon befreit blieb. -- Die Krankheiten, welche am meisten so ganz spontan dem Schein nach entstehen, sind Dysenterie, Influenza, Fieber, Blutungen, Geschwüre, Husten und Hautkrankheiten. (Einige Belegstellen: Turner 91; Dieffenbach 2, 12-14; le Gobien 376; Beechey 1, 94-95.)

Dass auch Geschwüre genannt werden, könnte auffallen. Die ausbrechenden Krankheiten richten sich jedenfalls theils nach den Miasmen, durch welche sie hervorgerufen sind, theils und wohl ganz besonders nach der Natur des Inficirten. Wie ja bei herrschenden Epidemien oder in der Nähe gefüllter Krankenhäuser jede Krankheit, jede oft unbedeutendste Verwundung durch den giftigen Einfluss der Miasmen schlimmer werden, ja bis zum Tode führen kann, auch ohne in die herrschende Krankheitsform überzugehen: ebenso natürlich ist es, dass sich solche eingeführten Miasmen gerade auf den Theil des inficirten Organismus werfen, welcher schon zuvor, in den meisten Fällen gewiss gleichfalls unbewusst, der schwächste oder gerade bei der Einführung des Miasma irgendwie erregt oder afficirt war. Auch erklärt es sich hieraus, wie bei gleichen Miasmen -- vorausgesetzt, dass sie gleich sind; denn eine Schiffsmannschaft kann leicht verschiedene zugleich bringen -- verschiedene Individuen, wie sich das gar nicht selten zeigt (z. B. bei Turner in Melanesien, bei le Gobien auf den Marianen, bei Beechey auf Pitkairn) verschiedene Krankheiten bekommen können.

So erklärt sich das räthselhafte Faktum (welches als Faktum durch die sichersten und verschiedenartigsten Zeugnisse feststeht), dass eine gesunde Schiffsmannschaft gesunden Menschen Krankheiten bringen kann*). Dabei dürfen wir nicht unerwähnt lassen, was

*) Auch die Beispiele, welche Darwin a.a.O. zur Erhärtung seiner Hypothese von dem schädlichen Effluvium lang eingeschlossener Menschen mittheilt, lassen sich aus Obigem, wie es scheint, erklären, ebenso das Erkranken der Shropshirer Schafe. Jenes Effluvium ist weiter nichts, als eben solche unbewusst mitgeschleppten Miasmen, an welche der, welcher sie mitbringt, seine Natur nach und nach accommodirt hat.

und der Prinz Libu, welchen Wilson gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von den Palau-Inseln mit nach England genommen hatte und dort sehr sorgfältig pflegte, an einer ähnlichen Krankheit, kurz nach seiner Ankunft (Keate die Pelewinseln, Schluss). Jetzt beweisen solche Besuche um so weniger, als jetzt die meisten Völker Bekanntschaft mit der weissen Raçe haben.

Nach alledem würde es kein Wunder, nichts Rätselhaftes sein, wenn die Naturvölker gegen solche Miasmen, die auch von ganz Gesunden ganz unbemerkt eingeschleppt werden können, um so empfänglicher und empfindlicher sind, je weniger sie Schutz durch irgend welche Gewöhnung haben; daher denn solche Krankheiten, welche scheinbar unerklärlich entstehen, mit einer Heftigkeit wüthen, wie, vor Zeiten die Pest. So erzählt Williams (280 ff.), dass bei jener Seuche auf Rarotonga von mehreren tausend Einwohnern kaum ein einziger ganz davon befreit blieb. — Die Krankheiten, welche am meisten so ganz spontan dem Schein nach entstehen, sind Dysenterie, Influenza, Fieber, Blutungen, Geschwüre, Husten und Hautkrankheiten. (Einige Belegstellen: Turner 91; Dieffenbach 2, 12-14; le Gobien 376; Beechey 1, 94-95.)

Dass auch Geschwüre genannt werden, könnte auffallen. Die ausbrechenden Krankheiten richten sich jedenfalls theils nach den Miasmen, durch welche sie hervorgerufen sind, theils und wohl ganz besonders nach der Natur des Inficirten. Wie ja bei herrschenden Epidemien oder in der Nähe gefüllter Krankenhäuser jede Krankheit, jede oft unbedeutendste Verwundung durch den giftigen Einfluss der Miasmen schlimmer werden, ja bis zum Tode führen kann, auch ohne in die herrschende Krankheitsform überzugehen: ebenso natürlich ist es, dass sich solche eingeführten Miasmen gerade auf den Theil des inficirten Organismus werfen, welcher schon zuvor, in den meisten Fällen gewiss gleichfalls unbewusst, der schwächste oder gerade bei der Einführung des Miasma irgendwie erregt oder afficirt war. Auch erklärt es sich hieraus, wie bei gleichen Miasmen — vorausgesetzt, dass sie gleich sind; denn eine Schiffsmannschaft kann leicht verschiedene zugleich bringen — verschiedene Individuen, wie sich das gar nicht selten zeigt (z. B. bei Turner in Melanesien, bei le Gobien auf den Marianen, bei Beechey auf Pitkairn) verschiedene Krankheiten bekommen können.

So erklärt sich das räthselhafte Faktum (welches als Faktum durch die sichersten und verschiedenartigsten Zeugnisse feststeht), dass eine gesunde Schiffsmannschaft gesunden Menschen Krankheiten bringen kann*). Dabei dürfen wir nicht unerwähnt lassen, was

*) Auch die Beispiele, welche Darwin a.a.O. zur Erhärtung seiner Hypothese von dem schädlichen Effluvium lang eingeschlossener Menschen mittheilt, lassen sich aus Obigem, wie es scheint, erklären, ebenso das Erkranken der Shropshirer Schafe. Jenes Effluvium ist weiter nichts, als eben solche unbewusst mitgeschleppten Miasmen, an welche der, welcher sie mitbringt, seine Natur nach und nach accommodirt hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026"/>
und der Prinz
 Libu, welchen Wilson gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von den
 Palau-Inseln mit nach England genommen hatte und dort sehr
 sorgfältig pflegte, an einer ähnlichen Krankheit, kurz
 nach seiner Ankunft (Keate die Pelewinseln, Schluss). Jetzt
 beweisen solche Besuche um so weniger, als jetzt die meisten
 Völker Bekanntschaft mit der weissen Raçe haben.</p>
        <p>Nach alledem würde es kein Wunder, nichts Rätselhaftes
 sein, wenn die Naturvölker gegen solche Miasmen, die auch von
 ganz Gesunden ganz unbemerkt eingeschleppt werden können, um
 so empfänglicher und empfindlicher sind, je weniger sie Schutz
 durch irgend welche Gewöhnung haben; daher denn solche
 Krankheiten, welche scheinbar unerklärlich entstehen, mit
 einer Heftigkeit wüthen, wie, vor Zeiten die Pest. So
 erzählt Williams (280 ff.), dass bei jener Seuche auf
 Rarotonga von mehreren tausend Einwohnern kaum ein einziger ganz
 davon befreit blieb. &#x2014; Die Krankheiten, welche am meisten so
 ganz spontan dem Schein nach entstehen, sind Dysenterie, Influenza,
 Fieber, Blutungen, Geschwüre, Husten und Hautkrankheiten.
 (Einige Belegstellen: Turner 91; Dieffenbach 2, 12-14; le Gobien
 376; Beechey 1, 94-95.)</p>
        <p>Dass auch Geschwüre genannt werden, könnte auffallen.
 Die ausbrechenden Krankheiten richten sich jedenfalls theils nach
 den Miasmen, durch welche sie hervorgerufen sind, theils und wohl
 ganz besonders nach der Natur des Inficirten. Wie ja bei
 herrschenden Epidemien oder in der Nähe gefüllter
 Krankenhäuser jede Krankheit, jede oft unbedeutendste
 Verwundung durch den giftigen Einfluss der Miasmen schlimmer
 werden, ja bis zum Tode führen kann, auch ohne in die
 herrschende Krankheitsform überzugehen: ebenso natürlich
 ist es, dass sich solche eingeführten Miasmen gerade auf den
 Theil des inficirten Organismus werfen, welcher schon zuvor, in den
 meisten Fällen gewiss gleichfalls unbewusst, der
 schwächste oder gerade bei der Einführung des Miasma
 irgendwie erregt oder afficirt war. Auch erklärt es sich
 hieraus, wie bei gleichen Miasmen &#x2014; vorausgesetzt, dass sie
 gleich sind; denn eine Schiffsmannschaft kann leicht verschiedene
 zugleich bringen &#x2014; verschiedene Individuen, wie sich das gar
 nicht selten zeigt (z. B. bei Turner in Melanesien, bei le Gobien
 auf den Marianen, bei Beechey auf Pitkairn) verschiedene
 Krankheiten bekommen können.</p>
        <p>So erklärt sich das räthselhafte Faktum (welches als
 Faktum durch die sichersten und verschiedenartigsten Zeugnisse
 feststeht), dass eine gesunde Schiffsmannschaft gesunden Menschen
 Krankheiten bringen kann<note place="foot" n="*)">Auch die Beispiele, welche Darwin a.a.O. zur Erhärtung seiner Hypothese von dem schädlichen Effluvium lang eingeschlossener Menschen mittheilt, lassen sich aus Obigem, wie es scheint, erklären, ebenso das Erkranken der Shropshirer Schafe. Jenes Effluvium ist weiter nichts, als eben solche unbewusst mitgeschleppten Miasmen, an welche der, welcher sie mitbringt, seine Natur nach und nach accommodirt hat.</note>. Dabei dürfen wir nicht
 unerwähnt lassen, was
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] und der Prinz Libu, welchen Wilson gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von den Palau-Inseln mit nach England genommen hatte und dort sehr sorgfältig pflegte, an einer ähnlichen Krankheit, kurz nach seiner Ankunft (Keate die Pelewinseln, Schluss). Jetzt beweisen solche Besuche um so weniger, als jetzt die meisten Völker Bekanntschaft mit der weissen Raçe haben. Nach alledem würde es kein Wunder, nichts Rätselhaftes sein, wenn die Naturvölker gegen solche Miasmen, die auch von ganz Gesunden ganz unbemerkt eingeschleppt werden können, um so empfänglicher und empfindlicher sind, je weniger sie Schutz durch irgend welche Gewöhnung haben; daher denn solche Krankheiten, welche scheinbar unerklärlich entstehen, mit einer Heftigkeit wüthen, wie, vor Zeiten die Pest. So erzählt Williams (280 ff.), dass bei jener Seuche auf Rarotonga von mehreren tausend Einwohnern kaum ein einziger ganz davon befreit blieb. — Die Krankheiten, welche am meisten so ganz spontan dem Schein nach entstehen, sind Dysenterie, Influenza, Fieber, Blutungen, Geschwüre, Husten und Hautkrankheiten. (Einige Belegstellen: Turner 91; Dieffenbach 2, 12-14; le Gobien 376; Beechey 1, 94-95.) Dass auch Geschwüre genannt werden, könnte auffallen. Die ausbrechenden Krankheiten richten sich jedenfalls theils nach den Miasmen, durch welche sie hervorgerufen sind, theils und wohl ganz besonders nach der Natur des Inficirten. Wie ja bei herrschenden Epidemien oder in der Nähe gefüllter Krankenhäuser jede Krankheit, jede oft unbedeutendste Verwundung durch den giftigen Einfluss der Miasmen schlimmer werden, ja bis zum Tode führen kann, auch ohne in die herrschende Krankheitsform überzugehen: ebenso natürlich ist es, dass sich solche eingeführten Miasmen gerade auf den Theil des inficirten Organismus werfen, welcher schon zuvor, in den meisten Fällen gewiss gleichfalls unbewusst, der schwächste oder gerade bei der Einführung des Miasma irgendwie erregt oder afficirt war. Auch erklärt es sich hieraus, wie bei gleichen Miasmen — vorausgesetzt, dass sie gleich sind; denn eine Schiffsmannschaft kann leicht verschiedene zugleich bringen — verschiedene Individuen, wie sich das gar nicht selten zeigt (z. B. bei Turner in Melanesien, bei le Gobien auf den Marianen, bei Beechey auf Pitkairn) verschiedene Krankheiten bekommen können. So erklärt sich das räthselhafte Faktum (welches als Faktum durch die sichersten und verschiedenartigsten Zeugnisse feststeht), dass eine gesunde Schiffsmannschaft gesunden Menschen Krankheiten bringen kann *). Dabei dürfen wir nicht unerwähnt lassen, was *) Auch die Beispiele, welche Darwin a.a.O. zur Erhärtung seiner Hypothese von dem schädlichen Effluvium lang eingeschlossener Menschen mittheilt, lassen sich aus Obigem, wie es scheint, erklären, ebenso das Erkranken der Shropshirer Schafe. Jenes Effluvium ist weiter nichts, als eben solche unbewusst mitgeschleppten Miasmen, an welche der, welcher sie mitbringt, seine Natur nach und nach accommodirt hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription entspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/26
Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/26>, abgerufen am 21.11.2024.