Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.sprechen dafür, dass diese Krankheit zahlreichere Opfer forderte, als Krieg und Branntwein zusammengenommen; dass ihr gewiss die Hälfte bis zwei Drittel der Urbevölkerung Amerikas erlegen sind. Allein nicht bloss auf Amerika beschränken sich die Verheerungen der Pocken. 1767 brachen sie, eingeschleppt durch einen russischen Soldaten, in Kamtschatka aus und wütheten wie die Pest: nicht weniger als 20,000 Kamtschadalen, Kuriler und Koriäken sollen ihnen erlegen sein. Ganze Dörfer starben aus und Cooks Reisebegleiter fanden selbst noch eine Menge ganz leer stehender Dörfer vor. Ein anderes, vor der Epidemie mit 360 Menschen bevölkert, hatte nachher noch 36 Seelen (Cook 3. Reise 4. 174-75). Aehnliche, wenn auch minder starke Epidemien traten 1800 und 1801 auf, welche gegen 5000 Kamtschadalen dahinrafften und bei dem schon lange immer mehr um sich greifenden Schwinden der Bevölkerung so verheerend wirkten, dass in den Ostrogen (kleinen Dörfern des Inneren), welche vorher meist 30-40 Einwohner hatten, nachher meistens nur 8-10, in einigen wenigen 15-20 Bewohner übrig blieben (Krusenstern 3, 49. 52. 2. Theil, 2. Abtheil. Cap. 8). Auf Neuholland brachen die Blattern zuerst 1789 aus und verwüsteten ganz Cumberland; 1830 verheerten sie, bis zur Nordküste hin das Innere von Ostaustralien (Meinicke a 2, 179). Auch diese Seuche entstand nach Meinicke a.a.O. ohne Einschleppung spontan unter den Eingeborenen. Von einer furchtbaren Pockenepidemie auf Ponapi (Puinipet, Banabe, Carolinen) erzählt die Novarareise 2, 395: die Krankheit war durch einen englischen Matrosen eingeschleppt und raffte 3000 Menschen hin; 2000 blieben übrig. Auf der Hawaiigruppe starben 1853 an den Pocken 5-6000 Menschen (Waitz 1, 176). Auch die Hottentotten, wenigstens in der Nähe der Capstadt, sind wesentlich durch die Pocken vermindert (Waitz 2, 346). Ausser dieser Krankheit haben dann die Masern und Rötheln schlimm unter den Naturvölkern gehaust, so in Brasilien, Guyana, im Mosquitolande (Waitz 1, 162), in Neuholland (Darwin 2, 213); und noch gefährlicher verschiedene Fieber, welche z. B. die Oregonindianer schwer heimsuchten, die oberen Tschinuks 1823 von 10,000 auf 500 zusammenschmolzen und zwar so schnell, dass die Zahl der Ueberlebenden nicht hinreichte, die Todten zu begraben (Wilkes und Haie bei Waitz 1, 162). Doch sind wir durch diese Fieber bei den Seuchen angekommen, denen die Naturvölker vor dem Auftreten der Europäer unterworfen waren. Epidemische Krankheiten sind zwar vorher selten, doch finden sie sich auch. So jene Seuche, welche vor Cook auf der Ostküste von Neu-Seeland wüthete, und zwar so heftig und rasch, dass auch hier nicht alle Todten begraben werden konnten (Dieffen- sprechen dafür, dass diese Krankheit zahlreichere Opfer forderte, als Krieg und Branntwein zusammengenommen; dass ihr gewiss die Hälfte bis zwei Drittel der Urbevölkerung Amerikas erlegen sind. Allein nicht bloss auf Amerika beschränken sich die Verheerungen der Pocken. 1767 brachen sie, eingeschleppt durch einen russischen Soldaten, in Kamtschatka aus und wütheten wie die Pest: nicht weniger als 20,000 Kamtschadalen, Kuriler und Koriäken sollen ihnen erlegen sein. Ganze Dörfer starben aus und Cooks Reisebegleiter fanden selbst noch eine Menge ganz leer stehender Dörfer vor. Ein anderes, vor der Epidemie mit 360 Menschen bevölkert, hatte nachher noch 36 Seelen (Cook 3. Reise 4. 174-75). Aehnliche, wenn auch minder starke Epidemien traten 1800 und 1801 auf, welche gegen 5000 Kamtschadalen dahinrafften und bei dem schon lange immer mehr um sich greifenden Schwinden der Bevölkerung so verheerend wirkten, dass in den Ostrogen (kleinen Dörfern des Inneren), welche vorher meist 30-40 Einwohner hatten, nachher meistens nur 8-10, in einigen wenigen 15-20 Bewohner übrig blieben (Krusenstern 3, 49. 52. 2. Theil, 2. Abtheil. Cap. 8). Auf Neuholland brachen die Blattern zuerst 1789 aus und verwüsteten ganz Cumberland; 1830 verheerten sie, bis zur Nordküste hin das Innere von Ostaustralien (Meinicke a 2, 179). Auch diese Seuche entstand nach Meinicke a.a.O. ohne Einschleppung spontan unter den Eingeborenen. Von einer furchtbaren Pockenepidemie auf Ponapi (Puinipet, Banabe, Carolinen) erzählt die Novarareise 2, 395: die Krankheit war durch einen englischen Matrosen eingeschleppt und raffte 3000 Menschen hin; 2000 blieben übrig. Auf der Hawaiigruppe starben 1853 an den Pocken 5-6000 Menschen (Waitz 1, 176). Auch die Hottentotten, wenigstens in der Nähe der Capstadt, sind wesentlich durch die Pocken vermindert (Waitz 2, 346). Ausser dieser Krankheit haben dann die Masern und Rötheln schlimm unter den Naturvölkern gehaust, so in Brasilien, Guyana, im Mosquitolande (Waitz 1, 162), in Neuholland (Darwin 2, 213); und noch gefährlicher verschiedene Fieber, welche z. B. die Oregonindianer schwer heimsuchten, die oberen Tschinuks 1823 von 10,000 auf 500 zusammenschmolzen und zwar so schnell, dass die Zahl der Ueberlebenden nicht hinreichte, die Todten zu begraben (Wilkes und Haie bei Waitz 1, 162). Doch sind wir durch diese Fieber bei den Seuchen angekommen, denen die Naturvölker vor dem Auftreten der Europäer unterworfen waren. Epidemische Krankheiten sind zwar vorher selten, doch finden sie sich auch. So jene Seuche, welche vor Cook auf der Ostküste von Neu-Seeland wüthete, und zwar so heftig und rasch, dass auch hier nicht alle Todten begraben werden konnten (Dieffen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> sprechen dafür, dass diese Krankheit zahlreichere Opfer forderte, als Krieg und Branntwein zusammengenommen; dass ihr gewiss die Hälfte bis zwei Drittel der Urbevölkerung Amerikas erlegen sind.</p> <p>Allein nicht bloss auf Amerika beschränken sich die Verheerungen der Pocken. 1767 brachen sie, eingeschleppt durch einen russischen Soldaten, in Kamtschatka aus und wütheten wie die Pest: nicht weniger als 20,000 Kamtschadalen, Kuriler und Koriäken sollen ihnen erlegen sein. Ganze Dörfer starben aus und Cooks Reisebegleiter fanden selbst noch eine Menge ganz leer stehender Dörfer vor. Ein anderes, vor der Epidemie mit 360 Menschen bevölkert, hatte nachher noch 36 Seelen (Cook 3. Reise 4. 174-75). Aehnliche, wenn auch minder starke Epidemien traten 1800 und 1801 auf, welche gegen 5000 Kamtschadalen dahinrafften und bei dem schon lange immer mehr um sich greifenden Schwinden der Bevölkerung so verheerend wirkten, dass in den Ostrogen (kleinen Dörfern des Inneren), welche vorher meist 30-40 Einwohner hatten, nachher meistens nur 8-10, in einigen wenigen 15-20 Bewohner übrig blieben (Krusenstern 3, 49. 52. 2. Theil, 2. Abtheil. Cap. 8).</p> <p>Auf Neuholland brachen die Blattern zuerst 1789 aus und verwüsteten ganz Cumberland; 1830 verheerten sie, bis zur Nordküste hin das Innere von Ostaustralien (Meinicke a 2, 179). Auch diese Seuche entstand nach Meinicke a.a.O. ohne Einschleppung spontan unter den Eingeborenen. Von einer furchtbaren Pockenepidemie auf Ponapi (Puinipet, Banabe, Carolinen) erzählt die Novarareise 2, 395: die Krankheit war durch einen englischen Matrosen eingeschleppt und raffte 3000 Menschen hin; 2000 blieben übrig. Auf der Hawaiigruppe starben 1853 an den Pocken 5-6000 Menschen (Waitz 1, 176).</p> <p>Auch die Hottentotten, wenigstens in der Nähe der Capstadt, sind wesentlich durch die Pocken vermindert (Waitz 2, 346).</p> <p>Ausser dieser Krankheit haben dann die Masern und Rötheln schlimm unter den Naturvölkern gehaust, so in Brasilien, Guyana, im Mosquitolande (Waitz 1, 162), in Neuholland (Darwin 2, 213); und noch gefährlicher verschiedene Fieber, welche z. B. die Oregonindianer schwer heimsuchten, die oberen Tschinuks 1823 von 10,000 auf 500 zusammenschmolzen und zwar so schnell, dass die Zahl der Ueberlebenden nicht hinreichte, die Todten zu begraben (Wilkes und Haie bei Waitz 1, 162).</p> <p>Doch sind wir durch diese Fieber bei den Seuchen angekommen, denen die Naturvölker vor dem Auftreten der Europäer unterworfen waren. Epidemische Krankheiten sind zwar vorher selten, doch finden sie sich auch. So jene Seuche, welche vor Cook auf der Ostküste von Neu-Seeland wüthete, und zwar so heftig und rasch, dass auch hier nicht alle Todten begraben werden konnten (Dieffen- </p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
sprechen dafür, dass diese Krankheit zahlreichere Opfer forderte, als Krieg und Branntwein zusammengenommen; dass ihr gewiss die Hälfte bis zwei Drittel der Urbevölkerung Amerikas erlegen sind.
Allein nicht bloss auf Amerika beschränken sich die Verheerungen der Pocken. 1767 brachen sie, eingeschleppt durch einen russischen Soldaten, in Kamtschatka aus und wütheten wie die Pest: nicht weniger als 20,000 Kamtschadalen, Kuriler und Koriäken sollen ihnen erlegen sein. Ganze Dörfer starben aus und Cooks Reisebegleiter fanden selbst noch eine Menge ganz leer stehender Dörfer vor. Ein anderes, vor der Epidemie mit 360 Menschen bevölkert, hatte nachher noch 36 Seelen (Cook 3. Reise 4. 174-75). Aehnliche, wenn auch minder starke Epidemien traten 1800 und 1801 auf, welche gegen 5000 Kamtschadalen dahinrafften und bei dem schon lange immer mehr um sich greifenden Schwinden der Bevölkerung so verheerend wirkten, dass in den Ostrogen (kleinen Dörfern des Inneren), welche vorher meist 30-40 Einwohner hatten, nachher meistens nur 8-10, in einigen wenigen 15-20 Bewohner übrig blieben (Krusenstern 3, 49. 52. 2. Theil, 2. Abtheil. Cap. 8).
Auf Neuholland brachen die Blattern zuerst 1789 aus und verwüsteten ganz Cumberland; 1830 verheerten sie, bis zur Nordküste hin das Innere von Ostaustralien (Meinicke a 2, 179). Auch diese Seuche entstand nach Meinicke a.a.O. ohne Einschleppung spontan unter den Eingeborenen. Von einer furchtbaren Pockenepidemie auf Ponapi (Puinipet, Banabe, Carolinen) erzählt die Novarareise 2, 395: die Krankheit war durch einen englischen Matrosen eingeschleppt und raffte 3000 Menschen hin; 2000 blieben übrig. Auf der Hawaiigruppe starben 1853 an den Pocken 5-6000 Menschen (Waitz 1, 176).
Auch die Hottentotten, wenigstens in der Nähe der Capstadt, sind wesentlich durch die Pocken vermindert (Waitz 2, 346).
Ausser dieser Krankheit haben dann die Masern und Rötheln schlimm unter den Naturvölkern gehaust, so in Brasilien, Guyana, im Mosquitolande (Waitz 1, 162), in Neuholland (Darwin 2, 213); und noch gefährlicher verschiedene Fieber, welche z. B. die Oregonindianer schwer heimsuchten, die oberen Tschinuks 1823 von 10,000 auf 500 zusammenschmolzen und zwar so schnell, dass die Zahl der Ueberlebenden nicht hinreichte, die Todten zu begraben (Wilkes und Haie bei Waitz 1, 162).
Doch sind wir durch diese Fieber bei den Seuchen angekommen, denen die Naturvölker vor dem Auftreten der Europäer unterworfen waren. Epidemische Krankheiten sind zwar vorher selten, doch finden sie sich auch. So jene Seuche, welche vor Cook auf der Ostküste von Neu-Seeland wüthete, und zwar so heftig und rasch, dass auch hier nicht alle Todten begraben werden konnten (Dieffen-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-06T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |