Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.und diese nur mit Mühe findend, nach ihrer Art wohl und begehren nichts Besseres (Darwin 1, 230). Die Eskimos sind an ihre Schneewüsten, die Neuholländer an ihre unfruchtbaren Steppen, die ihre wandernde Lebensart bedingen, die neuholländischen Weiber an ein Leben voll Last und Mühe, an die schrecklichste Behandlung gewöhnt, so weit menschliche Natur sich gewöhnen kann. Trotz aller Gewöhnung aber hängt es mit der Lebensart der Naturvölker zusammen, dass sie, auch bei der ersten Bekanntschaft mit den Europäern, bisweilen selbst wenn sie schon eine gewisse Halbkultur erlangt hatten, verhältnissmässig so geringe Bevölkerungsziffern aufweisen; sie leben eben so, dass die menschliche Natur nicht anders als kümmerlich gedeiht -- wenn auch die einzelnen Individuen oft ganz besonders stark erscheinen. Es ist ja aber gerade ein oft wiederholter Ausspruch, die Naturvölker seien deshalb körperlich so kräftig, weil alle schwächlichen Kinder ohne weiteres erlägen; so z. B. Humboldt b 2, 189. Nicht bloss schwächliche Kinder erliegen indess; und diese Sterblichkeit der Kinder ist das erste, was wir hier zu betrachten haben. Die Feuerländer, deren Wohnung nicht den geringsten Schutz bietet (Darwin 1, 228), setzen ihre Kinder nackt der Wuth ihres Klimas aus (eb. 229). Fast alle Indianer in Nord- und Südamerika führen jetzt ein elendes Wanderleben; und überall hin werden die Kinder von den Müttern mitgeschleppt, auf den rauhesten und weitesten Märschen und oft noch, während sie durch aufgelegte Bretter und andere gewaltsame Mittel (um ihrem Kopf eine eigenthümliche Gestalt zu geben) in der natürlichen Entwickelung gestört sind. Schon bei der Geburt werden viele Kinder sterben. Denn überall ist es Sitte, dass das Weib kurz vor der Geburt sich in den Wald begiebt, dort allein gebiert, sich selbst die Nabelschnur abschneidet und unterbindet, dann sich und das Kind sogleich in kaltem Wasser badet und nun zurückkehrt, nicht etwa zur Pflege, sondern zur erneuten Arbeit. Dies war der Fall bei den Waraus in Guyana (Schomburgk 1, 166), bei den Cariben und Makusi (eb. 2, 315, 431); und in Nordamerika sehr vielfach (Waitz b, 98). Die Nahrung aber, welche ein Kind nach und neben der Muttermilch bekommt, ist oft schon an und für sich schädlich und ungesund. Grosse Sterblichkeit herrscht noch unter den Kindern des heutigen Mexiko in Folge verkehrter Diät (Waiz 4, 196). Die Nahrung wird ihnen auch noch beschränkt durch die eigenthümliche Sitte, neben den Kindern Thiere, Affen, Beutelratten u. s. w. zu säugen, was die Makusi, die Waraus, die Cariben und verschiedene andere Völker thun (Schomburgk 2, 315. 1, 167). Von der schlechten Wartung der Kinder, wenn sie krank sind, spricht Humboldt b. 4, 224 und der Schmutz, in welchem sie aufwachsen, und von denen Schomburgk aus Guyana Abschreckendes erzählt, kann auch keinen guten Einfluss haben. Und doch lieben und diese nur mit Mühe findend, nach ihrer Art wohl und begehren nichts Besseres (Darwin 1, 230). Die Eskimos sind an ihre Schneewüsten, die Neuholländer an ihre unfruchtbaren Steppen, die ihre wandernde Lebensart bedingen, die neuholländischen Weiber an ein Leben voll Last und Mühe, an die schrecklichste Behandlung gewöhnt, so weit menschliche Natur sich gewöhnen kann. Trotz aller Gewöhnung aber hängt es mit der Lebensart der Naturvölker zusammen, dass sie, auch bei der ersten Bekanntschaft mit den Europäern, bisweilen selbst wenn sie schon eine gewisse Halbkultur erlangt hatten, verhältnissmässig so geringe Bevölkerungsziffern aufweisen; sie leben eben so, dass die menschliche Natur nicht anders als kümmerlich gedeiht — wenn auch die einzelnen Individuen oft ganz besonders stark erscheinen. Es ist ja aber gerade ein oft wiederholter Ausspruch, die Naturvölker seien deshalb körperlich so kräftig, weil alle schwächlichen Kinder ohne weiteres erlägen; so z. B. Humboldt b 2, 189. Nicht bloss schwächliche Kinder erliegen indess; und diese Sterblichkeit der Kinder ist das erste, was wir hier zu betrachten haben. Die Feuerländer, deren Wohnung nicht den geringsten Schutz bietet (Darwin 1, 228), setzen ihre Kinder nackt der Wuth ihres Klimas aus (eb. 229). Fast alle Indianer in Nord- und Südamerika führen jetzt ein elendes Wanderleben; und überall hin werden die Kinder von den Müttern mitgeschleppt, auf den rauhesten und weitesten Märschen und oft noch, während sie durch aufgelegte Bretter und andere gewaltsame Mittel (um ihrem Kopf eine eigenthümliche Gestalt zu geben) in der natürlichen Entwickelung gestört sind. Schon bei der Geburt werden viele Kinder sterben. Denn überall ist es Sitte, dass das Weib kurz vor der Geburt sich in den Wald begiebt, dort allein gebiert, sich selbst die Nabelschnur abschneidet und unterbindet, dann sich und das Kind sogleich in kaltem Wasser badet und nun zurückkehrt, nicht etwa zur Pflege, sondern zur erneuten Arbeit. Dies war der Fall bei den Waraus in Guyana (Schomburgk 1, 166), bei den Cariben und Makusi (eb. 2, 315, 431); und in Nordamerika sehr vielfach (Waitz b, 98). Die Nahrung aber, welche ein Kind nach und neben der Muttermilch bekommt, ist oft schon an und für sich schädlich und ungesund. Grosse Sterblichkeit herrscht noch unter den Kindern des heutigen Mexiko in Folge verkehrter Diät (Waiz 4, 196). Die Nahrung wird ihnen auch noch beschränkt durch die eigenthümliche Sitte, neben den Kindern Thiere, Affen, Beutelratten u. s. w. zu säugen, was die Makusi, die Waraus, die Cariben und verschiedene andere Völker thun (Schomburgk 2, 315. 1, 167). Von der schlechten Wartung der Kinder, wenn sie krank sind, spricht Humboldt b. 4, 224 und der Schmutz, in welchem sie aufwachsen, und von denen Schomburgk aus Guyana Abschreckendes erzählt, kann auch keinen guten Einfluss haben. Und doch lieben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037"/> und diese nur mit Mühe findend, nach ihrer Art wohl und begehren nichts Besseres (Darwin 1, 230). 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Humboldt b 2, 189.</p> <p>Nicht bloss schwächliche Kinder erliegen indess; und diese Sterblichkeit der Kinder ist das erste, was wir hier zu betrachten haben. Die Feuerländer, deren Wohnung nicht den geringsten Schutz bietet (Darwin 1, 228), setzen ihre Kinder nackt der Wuth ihres Klimas aus (eb. 229). Fast alle Indianer in Nord- und Südamerika führen jetzt ein elendes Wanderleben; und überall hin werden die Kinder von den Müttern mitgeschleppt, auf den rauhesten und weitesten Märschen und oft noch, während sie durch aufgelegte Bretter und andere gewaltsame Mittel (um ihrem Kopf eine eigenthümliche Gestalt zu geben) in der natürlichen Entwickelung gestört sind. Schon bei der Geburt werden viele Kinder sterben. Denn überall ist es Sitte, dass das Weib kurz vor der Geburt sich in den Wald begiebt, dort allein gebiert, sich selbst die Nabelschnur abschneidet und unterbindet, dann sich und das Kind sogleich in kaltem Wasser badet und nun zurückkehrt, nicht etwa zur Pflege, sondern zur erneuten Arbeit. Dies war der Fall bei den Waraus in Guyana (Schomburgk 1, 166), bei den Cariben und Makusi (eb. 2, 315, 431); und in Nordamerika sehr vielfach (Waitz b, 98). Die Nahrung aber, welche ein Kind nach und neben der Muttermilch bekommt, ist oft schon an und für sich schädlich und ungesund. Grosse Sterblichkeit herrscht noch unter den Kindern des heutigen Mexiko in Folge verkehrter Diät (Waiz 4, 196). Die Nahrung wird ihnen auch noch beschränkt durch die eigenthümliche Sitte, neben den Kindern Thiere, Affen, Beutelratten u. s. w. zu säugen, was die Makusi, die Waraus, die Cariben und verschiedene andere Völker thun (Schomburgk 2, 315. 1, 167). 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und diese nur mit Mühe findend, nach ihrer Art wohl und begehren nichts Besseres (Darwin 1, 230). Die Eskimos sind an ihre Schneewüsten, die Neuholländer an ihre unfruchtbaren Steppen, die ihre wandernde Lebensart bedingen, die neuholländischen Weiber an ein Leben voll Last und Mühe, an die schrecklichste Behandlung gewöhnt, so weit menschliche Natur sich gewöhnen kann. Trotz aller Gewöhnung aber hängt es mit der Lebensart der Naturvölker zusammen, dass sie, auch bei der ersten Bekanntschaft mit den Europäern, bisweilen selbst wenn sie schon eine gewisse Halbkultur erlangt hatten, verhältnissmässig so geringe Bevölkerungsziffern aufweisen; sie leben eben so, dass die menschliche Natur nicht anders als kümmerlich gedeiht — wenn auch die einzelnen Individuen oft ganz besonders stark erscheinen. Es ist ja aber gerade ein oft wiederholter Ausspruch, die Naturvölker seien deshalb körperlich so kräftig, weil alle schwächlichen Kinder ohne weiteres erlägen; so z. B. Humboldt b 2, 189.
Nicht bloss schwächliche Kinder erliegen indess; und diese Sterblichkeit der Kinder ist das erste, was wir hier zu betrachten haben. Die Feuerländer, deren Wohnung nicht den geringsten Schutz bietet (Darwin 1, 228), setzen ihre Kinder nackt der Wuth ihres Klimas aus (eb. 229). Fast alle Indianer in Nord- und Südamerika führen jetzt ein elendes Wanderleben; und überall hin werden die Kinder von den Müttern mitgeschleppt, auf den rauhesten und weitesten Märschen und oft noch, während sie durch aufgelegte Bretter und andere gewaltsame Mittel (um ihrem Kopf eine eigenthümliche Gestalt zu geben) in der natürlichen Entwickelung gestört sind. Schon bei der Geburt werden viele Kinder sterben. Denn überall ist es Sitte, dass das Weib kurz vor der Geburt sich in den Wald begiebt, dort allein gebiert, sich selbst die Nabelschnur abschneidet und unterbindet, dann sich und das Kind sogleich in kaltem Wasser badet und nun zurückkehrt, nicht etwa zur Pflege, sondern zur erneuten Arbeit. Dies war der Fall bei den Waraus in Guyana (Schomburgk 1, 166), bei den Cariben und Makusi (eb. 2, 315, 431); und in Nordamerika sehr vielfach (Waitz b, 98). Die Nahrung aber, welche ein Kind nach und neben der Muttermilch bekommt, ist oft schon an und für sich schädlich und ungesund. Grosse Sterblichkeit herrscht noch unter den Kindern des heutigen Mexiko in Folge verkehrter Diät (Waiz 4, 196). Die Nahrung wird ihnen auch noch beschränkt durch die eigenthümliche Sitte, neben den Kindern Thiere, Affen, Beutelratten u. s. w. zu säugen, was die Makusi, die Waraus, die Cariben und verschiedene andere Völker thun (Schomburgk 2, 315. 1, 167). Von der schlechten Wartung der Kinder, wenn sie krank sind, spricht Humboldt b. 4, 224 und der Schmutz, in welchem sie aufwachsen, und von denen Schomburgk aus Guyana Abschreckendes erzählt, kann auch keinen guten Einfluss haben. Und doch lieben
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