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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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wohl besser ihre Verhärtung ist, nach und nach langsam vergehen und erlöschen würden. Denn nichts ist der menschlichen Natur, die so sehr auf Wechselbeziehung zwischen Leib und Seele gegründet ist, schädlicher, als eine solche Unthätigkeit beider.

Ein dritter Zug ihres Charakters, der uns hier näher angeht, ist eine gewisse Melancholie, die sich, wie bekannt, zumeist bei den Amerikanern findet. Doch auch die scheinbar so fröhlichen Polynesier, wenn man gleich ihr Temperament nicht wie das der Amerikaner melancholisch nennen kann, zeigen manches Entsprechende. So resigniren sich die Tahitier über ihr Aussterben durch den oft wiederholten Ausspruch, den wohl Ellis (1, 103-104) zuerst mittheilte: der Hibiskus soll wachsen, die Koralle sich ausbreiten, der Mensch aber dahinsterben; und "es war melancholisch, sagt Darwin (2, 213), die schönen energischen Eingeborenen Neuseelands sagen zu hören, sie wüssten, dass das Land nicht das Eigenthum ihrer Kinder bleiben würde." Für Kamtschatka ist wichtig, was v. Kittlitz über das Klima dieses Landes sagt, das bald (oder Einzelne) zur tiefsten Melancholie stimme, bald (oder Andere) zur höchsten excentrischsten Freude aufrege. Die Schilderungen der Aleuten bei Kotzebue, Chamisso, Langsdorff u.a. enthalten ganz ähnliche Züge von Niedergeschlagenheit, die allerdings hier mit grossem Phlegma gepaart scheint.

Es ist klar, dass diese Melancholie mit jener schon besprochenen Trägheit zusammenhängt; denn diese raubt dem Geist der Naturvölker, der nach aller Naturvölker Art ganz und gar vom jedesmaligen sinnlichen Eindruck und meist nur von solchen abhängig ist, die besonnene und feste Willens- und Widerstandskraft immer mehr. So wie nun aber jeder Willensakt eine rein physische Nerventhätigkeit voraussetzt, so wird auch fortgesetztes Nichtwollen zum bleibenden Nervenhabitus, zum nicht Wollenkönnen und dadurch vom übelsten Einfluss auf die Seele, der, wenn dieser letzteren Leiden entgegentreten, um so grösser und vernichtender wird.

Das zeigt sich nun schon bei den Naturvölkern im Leben der Individuen. Wir sahen, dass Krankheiten überall als Bezauberung oder Einwirkung von Dämonen gelten; viele aber, die von Krankheiten befallen sind, sterben aus keinem andern Grund, als aus Melancholie über die vermeintliche Bezauberung. Beispiele für Neuseeland gibt Dieffenbach 2, 16, Browne 75; für Tahiti Ellis 1, 364, 367-68; für Neuholland, wo eine namenlose Angst vor Bezauberung herrscht, Grey 1, 363-64. 2, 336-40; für Nordamerika, wo der Tod aus abergläubischer Furcht gar nicht selten ist, Waitz 3, 213: und nach allem Gesagten werden wir in den Ländern, wo Krankheit durch Zauberei entsteht oder als Folge von Sünden gilt, wie z. B. in Kamtschatka, wo Krankheit und Tod erfolgen, wenn man Kohle mit dem Messer spiesst oder Schnee mit dem Messer

wohl besser ihre Verhärtung ist, nach und nach langsam vergehen und erlöschen würden. Denn nichts ist der menschlichen Natur, die so sehr auf Wechselbeziehung zwischen Leib und Seele gegründet ist, schädlicher, als eine solche Unthätigkeit beider.

Ein dritter Zug ihres Charakters, der uns hier näher angeht, ist eine gewisse Melancholie, die sich, wie bekannt, zumeist bei den Amerikanern findet. Doch auch die scheinbar so fröhlichen Polynesier, wenn man gleich ihr Temperament nicht wie das der Amerikaner melancholisch nennen kann, zeigen manches Entsprechende. So resigniren sich die Tahitier über ihr Aussterben durch den oft wiederholten Ausspruch, den wohl Ellis (1, 103-104) zuerst mittheilte: der Hibiskus soll wachsen, die Koralle sich ausbreiten, der Mensch aber dahinsterben; und »es war melancholisch, sagt Darwin (2, 213), die schönen energischen Eingeborenen Neuseelands sagen zu hören, sie wüssten, dass das Land nicht das Eigenthum ihrer Kinder bleiben würde.« Für Kamtschatka ist wichtig, was v. Kittlitz über das Klima dieses Landes sagt, das bald (oder Einzelne) zur tiefsten Melancholie stimme, bald (oder Andere) zur höchsten excentrischsten Freude aufrege. Die Schilderungen der Aleuten bei Kotzebue, Chamisso, Langsdorff u.a. enthalten ganz ähnliche Züge von Niedergeschlagenheit, die allerdings hier mit grossem Phlegma gepaart scheint.

Es ist klar, dass diese Melancholie mit jener schon besprochenen Trägheit zusammenhängt; denn diese raubt dem Geist der Naturvölker, der nach aller Naturvölker Art ganz und gar vom jedesmaligen sinnlichen Eindruck und meist nur von solchen abhängig ist, die besonnene und feste Willens- und Widerstandskraft immer mehr. So wie nun aber jeder Willensakt eine rein physische Nerventhätigkeit voraussetzt, so wird auch fortgesetztes Nichtwollen zum bleibenden Nervenhabitus, zum nicht Wollenkönnen und dadurch vom übelsten Einfluss auf die Seele, der, wenn dieser letzteren Leiden entgegentreten, um so grösser und vernichtender wird.

Das zeigt sich nun schon bei den Naturvölkern im Leben der Individuen. Wir sahen, dass Krankheiten überall als Bezauberung oder Einwirkung von Dämonen gelten; viele aber, die von Krankheiten befallen sind, sterben aus keinem andern Grund, als aus Melancholie über die vermeintliche Bezauberung. Beispiele für Neuseeland gibt Dieffenbach 2, 16, Browne 75; für Tahiti Ellis 1, 364, 367-68; für Neuholland, wo eine namenlose Angst vor Bezauberung herrscht, Grey 1, 363-64. 2, 336-40; für Nordamerika, wo der Tod aus abergläubischer Furcht gar nicht selten ist, Waitz 3, 213: und nach allem Gesagten werden wir in den Ländern, wo Krankheit durch Zauberei entsteht oder als Folge von Sünden gilt, wie z. B. in Kamtschatka, wo Krankheit und Tod erfolgen, wenn man Kohle mit dem Messer spiesst oder Schnee mit dem Messer

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 und Seele gegründet ist, schädlicher, als eine solche
 Unthätigkeit beider.</p>
        <p>Ein dritter Zug ihres Charakters, der uns hier näher
 angeht, ist eine gewisse Melancholie, die sich, wie bekannt,
 zumeist bei den Amerikanern findet. Doch auch die scheinbar so
 fröhlichen Polynesier, wenn man gleich ihr Temperament nicht
 wie das der Amerikaner melancholisch nennen kann, zeigen manches
 Entsprechende. So resigniren sich die Tahitier über ihr
 Aussterben durch den oft wiederholten Ausspruch, den wohl Ellis (1,
 103-104) zuerst mittheilte: der Hibiskus soll wachsen, die Koralle
 sich ausbreiten, der Mensch aber dahinsterben; und »es war
 melancholisch, sagt Darwin (2, 213), die schönen energischen
 Eingeborenen Neuseelands sagen zu hören, sie wüssten,
 dass das Land nicht das Eigenthum ihrer Kinder bleiben
 würde.« Für Kamtschatka ist wichtig, was v.
 Kittlitz über das Klima dieses Landes sagt, das bald (oder
 Einzelne) zur tiefsten Melancholie stimme, bald (oder Andere) zur
 höchsten excentrischsten Freude aufrege. Die Schilderungen der
 Aleuten bei Kotzebue, Chamisso, Langsdorff u.a. enthalten ganz
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 Trägheit zusammenhängt; denn diese raubt dem Geist der
 Naturvölker, der nach aller Naturvölker Art ganz und gar
 vom jedesmaligen sinnlichen Eindruck und meist nur von solchen
 abhängig ist, die besonnene und feste Willens- und
 Widerstandskraft immer mehr. So wie nun aber jeder Willensakt eine
 rein physische Nerventhätigkeit voraussetzt, so wird auch
 fortgesetztes Nichtwollen zum bleibenden Nervenhabitus, zum nicht
 Wollenkönnen und dadurch vom übelsten Einfluss auf die
 Seele, der, wenn dieser letzteren Leiden entgegentreten, um so
 grösser und vernichtender wird.</p>
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 Individuen. Wir sahen, dass Krankheiten überall als
 Bezauberung oder Einwirkung von Dämonen gelten; viele aber,
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 Beispiele für Neuseeland gibt Dieffenbach 2, 16, Browne 75;
 für Tahiti Ellis 1, 364, 367-68; für Neuholland, wo eine
 namenlose Angst vor Bezauberung herrscht, Grey 1, 363-64. 2,
 336-40; für Nordamerika, wo der Tod aus abergläubischer
 Furcht gar nicht selten ist, Waitz 3, 213: und nach allem Gesagten
 werden wir in den Ländern, wo Krankheit durch Zauberei
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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/50>, abgerufen am 21.11.2024.