Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Fidschiinseln. Dort müssen neugebaute Kähne, damit sie vor Sturm und Unheil sicher sind, über lebende Sklaven in die See gerollt werden; jeden Pfosten eines neu gebaut werdenden Hauses muss, damit der Pfosten sicher steht, ein lebender Sklave umfassen -- und zu diesem lebendig Zerquetscht-, zu diesem lebendig Begrabenwerden drängen sich die Opfer, denen es im Jenseits mächtig vergolten wird (Erskine 249-50). Die Sitte war nicht bloss melanesisch, sondern auch über ganz Polynesien verbreitet: in Neuseeland ruhte der Mittelpfeiler des Hauses früher auf Menschenleichen (Taylor 387 ff.) und von Tahiti erzählt dasselbe Mörenhout 2, 22-23; doch scheint auch hier der Gebrauch in späterer Zeit abgekommen zu sein; denn wenn er und Ellis (1, 346) diesen Gebrauch nur für Tempel angeben, so ist er wohl erst später nur auf diese beschränkt worden. Derselbe Gebrauch findet sich auch in Südamerika: der Palast des Bogota, des Herrschers der Chibcha stand auf Mädchenleichen und sein Grund so wie seine Thürpfosten waren mit Menschenblut getränkt (Waitz 4, 360).

Nachdem wir so diese Uebersicht über die Art, wie die Naturvölker das Menschenleben schätzen, vollendet haben, ergibt sich als Resultat, dass ihre Kriege für sie höchst gefährlich sind, ja einzelnen geradezu die Existenz gefährden, so dass wir sie in erster Linie aufführen müssen, wenn wir die Ursachen für das Aussterben der Naturvölker aufsuchen; dass aber Kannibalismus und Menschenopfer, obwohl in einzelnen Ländern furchtbar ausgedehnt, nur von sekundärer Wichtigkeit sind und nur wenn sie mit anderen Gründen vereint auftreten, zur sichtlichen Verminderung eines Volkes beigetragen haben.

Fidschiinseln. Dort müssen neugebaute Kähne, damit sie vor Sturm und Unheil sicher sind, über lebende Sklaven in die See gerollt werden; jeden Pfosten eines neu gebaut werdenden Hauses muss, damit der Pfosten sicher steht, ein lebender Sklave umfassen — und zu diesem lebendig Zerquetscht-, zu diesem lebendig Begrabenwerden drängen sich die Opfer, denen es im Jenseits mächtig vergolten wird (Erskine 249-50). Die Sitte war nicht bloss melanesisch, sondern auch über ganz Polynesien verbreitet: in Neuseeland ruhte der Mittelpfeiler des Hauses früher auf Menschenleichen (Taylor 387 ff.) und von Tahiti erzählt dasselbe Mörenhout 2, 22-23; doch scheint auch hier der Gebrauch in späterer Zeit abgekommen zu sein; denn wenn er und Ellis (1, 346) diesen Gebrauch nur für Tempel angeben, so ist er wohl erst später nur auf diese beschränkt worden. Derselbe Gebrauch findet sich auch in Südamerika: der Palast des Bogota, des Herrschers der Chibcha stand auf Mädchenleichen und sein Grund so wie seine Thürpfosten waren mit Menschenblut getränkt (Waitz 4, 360).

Nachdem wir so diese Uebersicht über die Art, wie die Naturvölker das Menschenleben schätzen, vollendet haben, ergibt sich als Resultat, dass ihre Kriege für sie höchst gefährlich sind, ja einzelnen geradezu die Existenz gefährden, so dass wir sie in erster Linie aufführen müssen, wenn wir die Ursachen für das Aussterben der Naturvölker aufsuchen; dass aber Kannibalismus und Menschenopfer, obwohl in einzelnen Ländern furchtbar ausgedehnt, nur von sekundärer Wichtigkeit sind und nur wenn sie mit anderen Gründen vereint auftreten, zur sichtlichen Verminderung eines Volkes beigetragen haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090"/>
Fidschiinseln. Dort müssen
 neugebaute Kähne, damit sie vor Sturm und Unheil sicher sind,
 über lebende Sklaven in die See gerollt werden; jeden Pfosten
 eines neu gebaut werdenden Hauses muss, damit der Pfosten sicher
 steht, ein lebender Sklave umfassen &#x2014; und zu diesem lebendig
 Zerquetscht-, zu diesem lebendig Begrabenwerden drängen sich
 die Opfer, denen es im Jenseits mächtig vergolten wird
 (Erskine 249-50). Die Sitte war nicht bloss melanesisch, sondern
 auch über ganz Polynesien verbreitet: in Neuseeland ruhte der
 Mittelpfeiler des Hauses früher auf Menschenleichen (Taylor
 387 ff.) und von Tahiti erzählt dasselbe Mörenhout 2,
 22-23; doch scheint auch hier der Gebrauch in späterer Zeit
 abgekommen zu sein; denn wenn er und Ellis (1, 346) diesen Gebrauch
 nur für Tempel angeben, so ist er wohl erst später nur
 auf diese beschränkt worden. Derselbe Gebrauch findet sich
 auch in Südamerika: der Palast des Bogota, des Herrschers der
 Chibcha stand auf Mädchenleichen und sein Grund so wie seine
 Thürpfosten waren mit Menschenblut getränkt (Waitz 4,
 360).</p>
        <p>Nachdem wir so diese Uebersicht über die Art, wie die
 Naturvölker das Menschenleben schätzen, vollendet haben,
 ergibt sich als Resultat, dass ihre Kriege für sie höchst
 gefährlich sind, ja einzelnen geradezu die Existenz
 gefährden, so dass wir sie in erster Linie aufführen
 müssen, wenn wir die Ursachen für das Aussterben der
 Naturvölker aufsuchen; dass aber Kannibalismus und
 Menschenopfer, obwohl in einzelnen Ländern furchtbar
 ausgedehnt, nur von sekundärer Wichtigkeit sind und nur wenn
 sie mit anderen Gründen vereint auftreten, zur sichtlichen
 Verminderung eines Volkes beigetragen haben.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] Fidschiinseln. Dort müssen neugebaute Kähne, damit sie vor Sturm und Unheil sicher sind, über lebende Sklaven in die See gerollt werden; jeden Pfosten eines neu gebaut werdenden Hauses muss, damit der Pfosten sicher steht, ein lebender Sklave umfassen — und zu diesem lebendig Zerquetscht-, zu diesem lebendig Begrabenwerden drängen sich die Opfer, denen es im Jenseits mächtig vergolten wird (Erskine 249-50). Die Sitte war nicht bloss melanesisch, sondern auch über ganz Polynesien verbreitet: in Neuseeland ruhte der Mittelpfeiler des Hauses früher auf Menschenleichen (Taylor 387 ff.) und von Tahiti erzählt dasselbe Mörenhout 2, 22-23; doch scheint auch hier der Gebrauch in späterer Zeit abgekommen zu sein; denn wenn er und Ellis (1, 346) diesen Gebrauch nur für Tempel angeben, so ist er wohl erst später nur auf diese beschränkt worden. Derselbe Gebrauch findet sich auch in Südamerika: der Palast des Bogota, des Herrschers der Chibcha stand auf Mädchenleichen und sein Grund so wie seine Thürpfosten waren mit Menschenblut getränkt (Waitz 4, 360). Nachdem wir so diese Uebersicht über die Art, wie die Naturvölker das Menschenleben schätzen, vollendet haben, ergibt sich als Resultat, dass ihre Kriege für sie höchst gefährlich sind, ja einzelnen geradezu die Existenz gefährden, so dass wir sie in erster Linie aufführen müssen, wenn wir die Ursachen für das Aussterben der Naturvölker aufsuchen; dass aber Kannibalismus und Menschenopfer, obwohl in einzelnen Ländern furchtbar ausgedehnt, nur von sekundärer Wichtigkeit sind und nur wenn sie mit anderen Gründen vereint auftreten, zur sichtlichen Verminderung eines Volkes beigetragen haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription entspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/90
Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/90>, abgerufen am 21.11.2024.