Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.erklärt er dagegen nur durch die ungeeignete und halbe Aenderung der einheimischen Lebensweise. Auch die Ausbreitung der Weissen beschränkt und beschädigt natürlich, schon durch sich selbst und ohne böswillige Absicht der sich Ausbreitenden, die Naturvölker in hohem Grade. Auf den kleinen polynesischen Inseln z. B., doch auch sonst und überall sind die Lebensmittel bei so riesig durch die Europäer gesteigertem Verkehr viel werthvoller und dadurch immer knapper geworden. Man denke nur, um dies Beispiel aus Polynesien auszuführen, was alle die Schiffe brauchen, welche zu Papeiti oder gar zu Honolulu vor Anker gehen, um sich zu verproviantiren. Und sollte man denken, dass grade dies grössere Bedürfniss ein Sporn für die Eingeborenen sei, der sie weiter bringe in der Kultur, im Ackerbau, Handel u. s. w.: so erwäge man, dass jetzt kaum ein Jahrhundert seit der ersten Entdeckung (die spanischen Besuche auf den Inseln, welche früher fallen, abgerechnet) verflossen ist, dass in einem so kurzen Zeitraum aber, wo so mannigfache Schicksale auf die Eingeborenen einstürmten, sich der Ackerbau noch gar nicht so entwickeln konnte, dass er diesen massenhaften Anforderungen entspräche; und dass zu grosse Forderungen eben nicht mehr anspornen, sondern erschlaffen, erdrücken. In anderen Gegenden gestaltet sich dieselbe Sache anders, aber die Resultate bleiben gleich. Die Neuholländer freuen sich, wenn sich in ihrem Gebiete Europäer niederliessen, sie wünschten es und forderten sie dazu an vielen Orten auf. Allein die nächste Folge war, dass sie in eine sehr elende Lage geriethen: denn (abgesehen von anderem, was wir später besprechen) ihre Jagdthiere verminderten sich auf der Stelle, ja sie verschwanden, theils verdrängt oder verjagt, theils ausgerottet von den meist sehr jagdlustigen Einwanderern (Lang bei Grey 2, 234-35). Daher sagte ein Australier sehr richtig zu einem Europäer: "Ihr solltet uns Schwarzen Milch, Kühe und Schafe geben, denn ihr seid hergekommen und habt die Opossums and Känguruhs vertilgt. Wir haben nichts mehr zu essen und sind hungrig" (Bennet bei Waitz 1, 183). Die brauchbaren Gras- und Weidestrecken nahmen die Europäer mehr und mehr im Lauf der Jahre ein in Neuholland, Neuseeland, Afrika, Amerika, die fruchtbaren Küstenstriche, sonst der gewöhnliche Aufenthalt der Eingeborenen, haben sie ganz und gar inne, das Land erklären sie für ihr Eigenthum, und da sie sich man kann wohl sagen täglich mehr und mehr ausbreiten, so drängen sie schon durch ihre blosse Existenz die Eingeborenen in die Wälder, die Berge, die Wildniss zurück; so dass es denn gar kein Wunder ist, wenn die Eingeborenen schon hierdurch allein "wie von einem giftigen Hauche berührt" (oder wie die Phrase lautet) verkommen. "Als der weisse Mann, so sagte der Cherokeehäuptling Bunteschlange in einer Rede, sich gewärmt hatte am Feuer des Indianers, erklärt er dagegen nur durch die ungeeignete und halbe Aenderung der einheimischen Lebensweise. Auch die Ausbreitung der Weissen beschränkt und beschädigt natürlich, schon durch sich selbst und ohne böswillige Absicht der sich Ausbreitenden, die Naturvölker in hohem Grade. Auf den kleinen polynesischen Inseln z. B., doch auch sonst und überall sind die Lebensmittel bei so riesig durch die Europäer gesteigertem Verkehr viel werthvoller und dadurch immer knapper geworden. Man denke nur, um dies Beispiel aus Polynesien auszuführen, was alle die Schiffe brauchen, welche zu Papeiti oder gar zu Honolulu vor Anker gehen, um sich zu verproviantiren. Und sollte man denken, dass grade dies grössere Bedürfniss ein Sporn für die Eingeborenen sei, der sie weiter bringe in der Kultur, im Ackerbau, Handel u. s. w.: so erwäge man, dass jetzt kaum ein Jahrhundert seit der ersten Entdeckung (die spanischen Besuche auf den Inseln, welche früher fallen, abgerechnet) verflossen ist, dass in einem so kurzen Zeitraum aber, wo so mannigfache Schicksale auf die Eingeborenen einstürmten, sich der Ackerbau noch gar nicht so entwickeln konnte, dass er diesen massenhaften Anforderungen entspräche; und dass zu grosse Forderungen eben nicht mehr anspornen, sondern erschlaffen, erdrücken. In anderen Gegenden gestaltet sich dieselbe Sache anders, aber die Resultate bleiben gleich. Die Neuholländer freuen sich, wenn sich in ihrem Gebiete Europäer niederliessen, sie wünschten es und forderten sie dazu an vielen Orten auf. Allein die nächste Folge war, dass sie in eine sehr elende Lage geriethen: denn (abgesehen von anderem, was wir später besprechen) ihre Jagdthiere verminderten sich auf der Stelle, ja sie verschwanden, theils verdrängt oder verjagt, theils ausgerottet von den meist sehr jagdlustigen Einwanderern (Lang bei Grey 2, 234-35). Daher sagte ein Australier sehr richtig zu einem Europäer: »Ihr solltet uns Schwarzen Milch, Kühe und Schafe geben, denn ihr seid hergekommen und habt die Opossums and Känguruhs vertilgt. Wir haben nichts mehr zu essen und sind hungrig« (Bennet bei Waitz 1, 183). Die brauchbaren Gras- und Weidestrecken nahmen die Europäer mehr und mehr im Lauf der Jahre ein in Neuholland, Neuseeland, Afrika, Amerika, die fruchtbaren Küstenstriche, sonst der gewöhnliche Aufenthalt der Eingeborenen, haben sie ganz und gar inne, das Land erklären sie für ihr Eigenthum, und da sie sich man kann wohl sagen täglich mehr und mehr ausbreiten, so drängen sie schon durch ihre blosse Existenz die Eingeborenen in die Wälder, die Berge, die Wildniss zurück; so dass es denn gar kein Wunder ist, wenn die Eingeborenen schon hierdurch allein »wie von einem giftigen Hauche berührt« (oder wie die Phrase lautet) verkommen. »Als der weisse Mann, so sagte der Cherokeehäuptling Bunteschlange in einer Rede, sich gewärmt hatte am Feuer des Indianers, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0099"/> erklärt er dagegen nur durch die ungeeignete und halbe Aenderung der einheimischen Lebensweise.</p> <p>Auch die Ausbreitung der Weissen beschränkt und beschädigt natürlich, schon durch sich selbst und ohne böswillige Absicht der sich Ausbreitenden, die Naturvölker in hohem Grade. Auf den kleinen polynesischen Inseln z. B., doch auch sonst und überall sind die Lebensmittel bei so riesig durch die Europäer gesteigertem Verkehr viel werthvoller und dadurch immer knapper geworden. Man denke nur, um dies Beispiel aus Polynesien auszuführen, was alle die Schiffe brauchen, welche zu Papeiti oder gar zu Honolulu vor Anker gehen, um sich zu verproviantiren. Und sollte man denken, dass grade dies grössere Bedürfniss ein Sporn für die Eingeborenen sei, der sie weiter bringe in der Kultur, im Ackerbau, Handel u. s. w.: so erwäge man, dass jetzt kaum ein Jahrhundert seit der ersten Entdeckung (die spanischen Besuche auf den Inseln, welche früher fallen, abgerechnet) verflossen ist, dass in einem so kurzen Zeitraum aber, wo so mannigfache Schicksale auf die Eingeborenen einstürmten, sich der Ackerbau noch gar nicht so entwickeln konnte, dass er diesen massenhaften Anforderungen entspräche; und dass zu grosse Forderungen eben nicht mehr anspornen, sondern erschlaffen, erdrücken. In anderen Gegenden gestaltet sich dieselbe Sache anders, aber die Resultate bleiben gleich.</p> <p>Die Neuholländer freuen sich, wenn sich in ihrem Gebiete Europäer niederliessen, sie wünschten es und forderten sie dazu an vielen Orten auf. Allein die nächste Folge war, dass sie in eine sehr elende Lage geriethen: denn (abgesehen von anderem, was wir später besprechen) ihre Jagdthiere verminderten sich auf der Stelle, ja sie verschwanden, theils verdrängt oder verjagt, theils ausgerottet von den meist sehr jagdlustigen Einwanderern (Lang bei Grey 2, 234-35). Daher sagte ein Australier sehr richtig zu einem Europäer: »Ihr solltet uns Schwarzen Milch, Kühe und Schafe geben, denn ihr seid hergekommen und habt die Opossums and Känguruhs vertilgt. Wir haben nichts mehr zu essen und sind hungrig« (Bennet bei Waitz 1, 183). Die brauchbaren Gras- und Weidestrecken nahmen die Europäer mehr und mehr im Lauf der Jahre ein in Neuholland, Neuseeland, Afrika, Amerika, die fruchtbaren Küstenstriche, sonst der gewöhnliche Aufenthalt der Eingeborenen, haben sie ganz und gar inne, das Land erklären sie für ihr Eigenthum, und da sie sich man kann wohl sagen täglich mehr und mehr ausbreiten, so drängen sie schon durch ihre blosse Existenz die Eingeborenen in die Wälder, die Berge, die Wildniss zurück; so dass es denn gar kein Wunder ist, wenn die Eingeborenen schon hierdurch allein »wie von einem giftigen Hauche berührt« (oder wie die Phrase lautet) verkommen. »Als der weisse Mann, so sagte der Cherokeehäuptling Bunteschlange in einer Rede, sich gewärmt hatte am Feuer des Indianers, </p> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
erklärt er dagegen nur durch die ungeeignete und halbe Aenderung der einheimischen Lebensweise.
Auch die Ausbreitung der Weissen beschränkt und beschädigt natürlich, schon durch sich selbst und ohne böswillige Absicht der sich Ausbreitenden, die Naturvölker in hohem Grade. Auf den kleinen polynesischen Inseln z. B., doch auch sonst und überall sind die Lebensmittel bei so riesig durch die Europäer gesteigertem Verkehr viel werthvoller und dadurch immer knapper geworden. Man denke nur, um dies Beispiel aus Polynesien auszuführen, was alle die Schiffe brauchen, welche zu Papeiti oder gar zu Honolulu vor Anker gehen, um sich zu verproviantiren. Und sollte man denken, dass grade dies grössere Bedürfniss ein Sporn für die Eingeborenen sei, der sie weiter bringe in der Kultur, im Ackerbau, Handel u. s. w.: so erwäge man, dass jetzt kaum ein Jahrhundert seit der ersten Entdeckung (die spanischen Besuche auf den Inseln, welche früher fallen, abgerechnet) verflossen ist, dass in einem so kurzen Zeitraum aber, wo so mannigfache Schicksale auf die Eingeborenen einstürmten, sich der Ackerbau noch gar nicht so entwickeln konnte, dass er diesen massenhaften Anforderungen entspräche; und dass zu grosse Forderungen eben nicht mehr anspornen, sondern erschlaffen, erdrücken. In anderen Gegenden gestaltet sich dieselbe Sache anders, aber die Resultate bleiben gleich.
Die Neuholländer freuen sich, wenn sich in ihrem Gebiete Europäer niederliessen, sie wünschten es und forderten sie dazu an vielen Orten auf. Allein die nächste Folge war, dass sie in eine sehr elende Lage geriethen: denn (abgesehen von anderem, was wir später besprechen) ihre Jagdthiere verminderten sich auf der Stelle, ja sie verschwanden, theils verdrängt oder verjagt, theils ausgerottet von den meist sehr jagdlustigen Einwanderern (Lang bei Grey 2, 234-35). Daher sagte ein Australier sehr richtig zu einem Europäer: »Ihr solltet uns Schwarzen Milch, Kühe und Schafe geben, denn ihr seid hergekommen und habt die Opossums and Känguruhs vertilgt. Wir haben nichts mehr zu essen und sind hungrig« (Bennet bei Waitz 1, 183). Die brauchbaren Gras- und Weidestrecken nahmen die Europäer mehr und mehr im Lauf der Jahre ein in Neuholland, Neuseeland, Afrika, Amerika, die fruchtbaren Küstenstriche, sonst der gewöhnliche Aufenthalt der Eingeborenen, haben sie ganz und gar inne, das Land erklären sie für ihr Eigenthum, und da sie sich man kann wohl sagen täglich mehr und mehr ausbreiten, so drängen sie schon durch ihre blosse Existenz die Eingeborenen in die Wälder, die Berge, die Wildniss zurück; so dass es denn gar kein Wunder ist, wenn die Eingeborenen schon hierdurch allein »wie von einem giftigen Hauche berührt« (oder wie die Phrase lautet) verkommen. »Als der weisse Mann, so sagte der Cherokeehäuptling Bunteschlange in einer Rede, sich gewärmt hatte am Feuer des Indianers,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/99 |
Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/99>, abgerufen am 16.07.2024. |