Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.

Bild:
<< vorherige Seite
Ugolino,
drücken konnte! Doch du thatst wohl, daß du den Bären aus
seiner Höle entferntest, und Dank sey deiner Weisheit! Beru-
higt euch, meine Kinder! Wie ists, Gaddo?
Gaddo. Sage mir, mein Vater, warum ward dieses Fen-
ster so klein gemacht?
Anselmo. Daß man nicht durchschlüpfe, Gaddo.
Gaddo. Ein glücklicher Einfall! Man hat vorausgesehn,
daß der Erzbischof versuchen würde, zu uns zu kommen, und
darum hat man das Fenster so klein gemacht. Ein guter Ein-
fall! Jch wunderte mich schon, daß er uns so lange in Ruhe ge-
lassen hat.
Anselmo. Wollte Gott, er käme!
Gaddo. Pfuy, Anselmo!
Anselmo. Jch sage noch einmal, wollte Gott, er käme.
Gaddo. Das Blut starrt mir in den Adern, du böser An-
selmo.
Anselmo. Aber wohl zu verstehn, durch dies kleine Fen-
ster: den Kopf voran, und die übrige Schlange strotzte draußen
im Freyen, und könnte sich nicht nachwinden! und ich stünde hin-
ter ihm an der Wand! ungesehn! Hey, Gaddo! (umarmt Gaddo)
Gaddo. Muthwilliger! Er würde seine Büttel mit sich
bringen.
Anselmo. Die möchten wieder heim kehren. Jch wünsche
keinem Menschen Arges, als ihm.
Gaddo. Hat er dich auch geschlagen?
Anselmo. Was schlimmers, Gaddo. Er hat mich ge-
höhnt.
Gaddo. Gehöhnt?
Anselmo. Er hob mich auf seine verhaßten Arme, als
wär ich ein Säugling, setzte mir sein Baret auf den Kopf, und
nannte mich Prinz von Pisa.
Gaddo. Prinz von Pisa? Was ist das?
An-
Ugolino,
druͤcken konnte! Doch du thatſt wohl, daß du den Baͤren aus
ſeiner Hoͤle entfernteſt, und Dank ſey deiner Weisheit! Beru-
higt euch, meine Kinder! Wie iſts, Gaddo?
Gaddo. Sage mir, mein Vater, warum ward dieſes Fen-
ſter ſo klein gemacht?
Anſelmo. Daß man nicht durchſchluͤpfe, Gaddo.
Gaddo. Ein gluͤcklicher Einfall! Man hat vorausgeſehn,
daß der Erzbiſchof verſuchen wuͤrde, zu uns zu kommen, und
darum hat man das Fenſter ſo klein gemacht. Ein guter Ein-
fall! Jch wunderte mich ſchon, daß er uns ſo lange in Ruhe ge-
laſſen hat.
Anſelmo. Wollte Gott, er kaͤme!
Gaddo. Pfuy, Anſelmo!
Anſelmo. Jch ſage noch einmal, wollte Gott, er kaͤme.
Gaddo. Das Blut ſtarrt mir in den Adern, du boͤſer An-
ſelmo.
Anſelmo. Aber wohl zu verſtehn, durch dies kleine Fen-
ſter: den Kopf voran, und die uͤbrige Schlange ſtrotzte draußen
im Freyen, und koͤnnte ſich nicht nachwinden! und ich ſtuͤnde hin-
ter ihm an der Wand! ungeſehn! Hey, Gaddo! (umarmt Gaddo)
Gaddo. Muthwilliger! Er wuͤrde ſeine Buͤttel mit ſich
bringen.
Anſelmo. Die moͤchten wieder heim kehren. Jch wuͤnſche
keinem Menſchen Arges, als ihm.
Gaddo. Hat er dich auch geſchlagen?
Anſelmo. Was ſchlimmers, Gaddo. Er hat mich ge-
hoͤhnt.
Gaddo. Gehoͤhnt?
Anſelmo. Er hob mich auf ſeine verhaßten Arme, als
waͤr ich ein Saͤugling, ſetzte mir ſein Baret auf den Kopf, und
nannte mich Prinz von Piſa.
Gaddo. Prinz von Piſa? Was iſt das?
An-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#UGO">
            <p><pb facs="#f0012" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ugolino</hi>,</fw><lb/>
dru&#x0364;cken konnte! Doch du that&#x017F;t wohl, daß du den Ba&#x0364;ren aus<lb/>
&#x017F;einer Ho&#x0364;le entfernte&#x017F;t, und Dank &#x017F;ey deiner Weisheit! Beru-<lb/>
higt euch, meine Kinder! Wie i&#x017F;ts, Gaddo?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Sage mir, mein Vater, warum ward die&#x017F;es Fen-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;o klein gemacht?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Daß man nicht durch&#x017F;chlu&#x0364;pfe, Gaddo.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Ein glu&#x0364;cklicher Einfall! Man hat vorausge&#x017F;ehn,<lb/>
daß der Erzbi&#x017F;chof ver&#x017F;uchen wu&#x0364;rde, zu uns zu kommen, und<lb/>
darum hat man das Fen&#x017F;ter &#x017F;o klein gemacht. Ein guter Ein-<lb/>
fall! Jch wunderte mich &#x017F;chon, daß er uns &#x017F;o lange in Ruhe ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en hat.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Wollte Gott, er ka&#x0364;me!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Pfuy, An&#x017F;elmo!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Jch &#x017F;age noch einmal, wollte Gott, er ka&#x0364;me.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Das Blut &#x017F;tarrt mir in den Adern, du bo&#x0364;&#x017F;er An-<lb/>
&#x017F;elmo.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Aber wohl zu ver&#x017F;tehn, durch dies kleine Fen-<lb/>
&#x017F;ter: den Kopf voran, und die u&#x0364;brige Schlange &#x017F;trotzte draußen<lb/>
im Freyen, und ko&#x0364;nnte &#x017F;ich nicht nachwinden! und ich &#x017F;tu&#x0364;nde hin-<lb/>
ter ihm an der Wand! unge&#x017F;ehn! Hey, Gaddo! <stage>(umarmt Gaddo)</stage></p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Muthwilliger! Er wu&#x0364;rde &#x017F;eine Bu&#x0364;ttel mit &#x017F;ich<lb/>
bringen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Die mo&#x0364;chten wieder heim kehren. Jch wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
keinem Men&#x017F;chen Arges, als ihm.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Hat er dich auch ge&#x017F;chlagen?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Was &#x017F;chlimmers, Gaddo. Er hat mich ge-<lb/>
ho&#x0364;hnt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Geho&#x0364;hnt?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANS">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">An&#x017F;elmo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Er hob mich auf &#x017F;eine verhaßten Arme, als<lb/>
wa&#x0364;r ich ein Sa&#x0364;ugling, &#x017F;etzte mir &#x017F;ein Baret auf den Kopf, und<lb/>
nannte mich Prinz von Pi&#x017F;a.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#GAD">
            <speaker><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Gaddo</hi></hi>.</speaker>
            <p> Prinz von Pi&#x017F;a? Was i&#x017F;t das?</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">An</hi>-</fw>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0012] Ugolino, druͤcken konnte! Doch du thatſt wohl, daß du den Baͤren aus ſeiner Hoͤle entfernteſt, und Dank ſey deiner Weisheit! Beru- higt euch, meine Kinder! Wie iſts, Gaddo? Gaddo. Sage mir, mein Vater, warum ward dieſes Fen- ſter ſo klein gemacht? Anſelmo. Daß man nicht durchſchluͤpfe, Gaddo. Gaddo. Ein gluͤcklicher Einfall! Man hat vorausgeſehn, daß der Erzbiſchof verſuchen wuͤrde, zu uns zu kommen, und darum hat man das Fenſter ſo klein gemacht. Ein guter Ein- fall! Jch wunderte mich ſchon, daß er uns ſo lange in Ruhe ge- laſſen hat. Anſelmo. Wollte Gott, er kaͤme! Gaddo. Pfuy, Anſelmo! Anſelmo. Jch ſage noch einmal, wollte Gott, er kaͤme. Gaddo. Das Blut ſtarrt mir in den Adern, du boͤſer An- ſelmo. Anſelmo. Aber wohl zu verſtehn, durch dies kleine Fen- ſter: den Kopf voran, und die uͤbrige Schlange ſtrotzte draußen im Freyen, und koͤnnte ſich nicht nachwinden! und ich ſtuͤnde hin- ter ihm an der Wand! ungeſehn! Hey, Gaddo! (umarmt Gaddo) Gaddo. Muthwilliger! Er wuͤrde ſeine Buͤttel mit ſich bringen. Anſelmo. Die moͤchten wieder heim kehren. Jch wuͤnſche keinem Menſchen Arges, als ihm. Gaddo. Hat er dich auch geſchlagen? Anſelmo. Was ſchlimmers, Gaddo. Er hat mich ge- hoͤhnt. Gaddo. Gehoͤhnt? Anſelmo. Er hob mich auf ſeine verhaßten Arme, als waͤr ich ein Saͤugling, ſetzte mir ſein Baret auf den Kopf, und nannte mich Prinz von Piſa. Gaddo. Prinz von Piſa? Was iſt das? An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/12
Zitationshilfe: Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/12>, abgerufen am 21.11.2024.