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Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768.

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erster Aufzug.
Francesco. Hahah! schwindelt dir so früh?
Anselmo. Die Oeffnung, sagst du, oben an der Spitze
des Thurms! Geh doch! geh! dieser Gedanke ist so erhaben, daß
ich ihn dir nicht Nachdenken kann: um desto mehr aber bewundre
ich ihn.
Francesco. Schmeichler!
Anselmo. Ganz wider meine Absicht. Ueberdem getraut
ich mir kaum, ein Bein hindurchzubringen.
Francesco. Nicht gestritten! Jch sage dir Bübchen, die
Qeffnung ist so groß, daß sie beyde durchschlüpfen, Kopf und
Arme hinten drein.
Anselmo. Und wie hast du das gemacht?
Francesco. Wie macht mans? Erst hab ich einen Stein ge-
löst, dann wieder einen, dann noch einen, und abermals einen gelöst:
genug, Schwätzer, wenn du mir nicht glaubst, komm und sieh.
Anselmo. Dann springst du von oben mit einem Sprunge
aufs Pflaster herunter! Patsch! wars nicht so?
Francesco. Nicht völlig so. Mit Absätzen spring ich, wie
das Eichhörnchen vom Ahornbaum. Du hasts ja wohl gesehen.
Anselmo. Jch springe doch mit, Lieber? Nun du mir da-
von sprichst, wirds mir ja ganz warm im Kopfe. Nicht? ich
springe doch mit, Francesco?
Francesco. Nicht doch! Du schreitest mit aller Gemächlich-
keit zur Thurmthüre hinaus. Was ist begreiflicher, als das ich
die Thurmthüre öffne, wenn ich unten bin? Doch dieß muß seine
Zeit haben. So viel verspreche ich, ehe der Morgen kömmt,
seyd ihr frey, frey, wie euch Gott erschaffen hat; oder ich heiße
nicht Francesco.
Gaddo. (horchend) Achlieber Gott! dann wird gegessen werden!
Anselmo. (traurig) Und ich soll unten wie ein armseliger
Tropf, zur Thurmthüre hinnausschreiten? was sag ich schreiten?
schlei-
B 2
erſter Aufzug.
Franceſco. Hahah! ſchwindelt dir ſo fruͤh?
Anſelmo. Die Oeffnung, ſagſt du, oben an der Spitze
des Thurms! Geh doch! geh! dieſer Gedanke iſt ſo erhaben, daß
ich ihn dir nicht Nachdenken kann: um deſto mehr aber bewundre
ich ihn.
Franceſco. Schmeichler!
Anſelmo. Ganz wider meine Abſicht. Ueberdem getraut
ich mir kaum, ein Bein hindurchzubringen.
Franceſco. Nicht geſtritten! Jch ſage dir Buͤbchen, die
Qeffnung iſt ſo groß, daß ſie beyde durchſchluͤpfen, Kopf und
Arme hinten drein.
Anſelmo. Und wie haſt du das gemacht?
Francesco. Wie macht mans? Erſt hab ich einen Stein ge-
loͤſt, dann wieder einen, dann noch einen, und abermals einen geloͤſt:
genug, Schwaͤtzer, wenn du mir nicht glaubſt, komm und ſieh.
Anſelmo. Dann ſpringſt du von oben mit einem Sprunge
aufs Pflaſter herunter! Patſch! wars nicht ſo?
Franceſco. Nicht voͤllig ſo. Mit Abſaͤtzen ſpring ich, wie
das Eichhoͤrnchen vom Ahornbaum. Du haſts ja wohl geſehen.
Anſelmo. Jch ſpringe doch mit, Lieber? Nun du mir da-
von ſprichſt, wirds mir ja ganz warm im Kopfe. Nicht? ich
ſpringe doch mit, Franceſco?
Franceſco. Nicht doch! Du ſchreiteſt mit aller Gemaͤchlich-
keit zur Thurmthuͤre hinaus. Was iſt begreiflicher, als das ich
die Thurmthuͤre oͤffne, wenn ich unten bin? Doch dieß muß ſeine
Zeit haben. So viel verſpreche ich, ehe der Morgen koͤmmt,
ſeyd ihr frey, frey, wie euch Gott erſchaffen hat; oder ich heiße
nicht Franceſco.
Gaddo. (horchend) Achlieber Gott! dañ wird gegeſſen werden!
Anſelmo. (traurig) Und ich ſoll unten wie ein armſeliger
Tropf, zur Thurmthuͤre hinnausſchreiten? was ſag ich ſchreiten?
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B 2
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[11/0017] erſter Aufzug. Franceſco. Hahah! ſchwindelt dir ſo fruͤh? Anſelmo. Die Oeffnung, ſagſt du, oben an der Spitze des Thurms! Geh doch! geh! dieſer Gedanke iſt ſo erhaben, daß ich ihn dir nicht Nachdenken kann: um deſto mehr aber bewundre ich ihn. Franceſco. Schmeichler! Anſelmo. Ganz wider meine Abſicht. Ueberdem getraut ich mir kaum, ein Bein hindurchzubringen. Franceſco. Nicht geſtritten! Jch ſage dir Buͤbchen, die Qeffnung iſt ſo groß, daß ſie beyde durchſchluͤpfen, Kopf und Arme hinten drein. Anſelmo. Und wie haſt du das gemacht? Francesco. Wie macht mans? Erſt hab ich einen Stein ge- loͤſt, dann wieder einen, dann noch einen, und abermals einen geloͤſt: genug, Schwaͤtzer, wenn du mir nicht glaubſt, komm und ſieh. Anſelmo. Dann ſpringſt du von oben mit einem Sprunge aufs Pflaſter herunter! Patſch! wars nicht ſo? Franceſco. Nicht voͤllig ſo. Mit Abſaͤtzen ſpring ich, wie das Eichhoͤrnchen vom Ahornbaum. Du haſts ja wohl geſehen. Anſelmo. Jch ſpringe doch mit, Lieber? Nun du mir da- von ſprichſt, wirds mir ja ganz warm im Kopfe. Nicht? ich ſpringe doch mit, Franceſco? Franceſco. Nicht doch! Du ſchreiteſt mit aller Gemaͤchlich- keit zur Thurmthuͤre hinaus. Was iſt begreiflicher, als das ich die Thurmthuͤre oͤffne, wenn ich unten bin? Doch dieß muß ſeine Zeit haben. So viel verſpreche ich, ehe der Morgen koͤmmt, ſeyd ihr frey, frey, wie euch Gott erſchaffen hat; oder ich heiße nicht Franceſco. Gaddo. (horchend) Achlieber Gott! dañ wird gegeſſen werden! Anſelmo. (traurig) Und ich ſoll unten wie ein armſeliger Tropf, zur Thurmthuͤre hinnausſchreiten? was ſag ich ſchreiten? ſchlei- B 2

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Zitationshilfe: Gerstenberg, Heinrich Wilhelm: Ugolino. Hamburg u. a., 1768, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstenberg_ugolino_1768/17>, abgerufen am 21.11.2024.