Wenn ein Seil über eine Scheibe gezogen und an beiden Enden gleich viel bela-Fig. 4. Tab. 27. Fig. 5. stet wird, so steht es im Zustande der Ruhe zu beiden Seiten gleich weit ab. Be- wegt sich aber die Scheibe, d. h. zieht P die Last Q hinauf, so muss das Seil von k bis o erst gebogen werden, und wird desshalb von der Scheibe um e k abstehen. Von der andern Seite aber wickelt sich das schon gebogene Seil ab, und legt sich um etwas gegen die Rolle hinein; das Seil nimmt demnach die Lage Fig. 5 ein. Es ist nun zu berechnen, welchen Einfluss diess Abstehen des Seiles verursacht. Ziehen wir von der Mitte des Seiles die Vertikalen A k und B j, dann durch die Mitte des Seiles einen Kreis, und bezeichnen den Halbmesser der Scheibe mit a, den Durchmesser des Seiles aber mit d, so ist P . c j = Q . c k oder
[Formel 1]
. Wir sehen hier- aus, dass die Unbiegsamkeit der Seile den Hebelsarm der Kraft P um die Grösse f j vermindert, und dagegen den Hebelsarm der Last Q um die Grösse e k vermehrt, dem- nach zur Ueberwältigung der Last eine grössere Kraft erfordert wird, oder dass P grös- ser als Q seyn muss. Nennen wir daher die Kraft auf der einen Seite = Q + p, so ist
[Formel 2]
, woraus
[Formel 3]
die Grösse des Widerstandes, der von der Unbiegsam- keit der Seile herrührt.
Wir sehen hieraus, dass der Widerstand um so grösser wird:
1tens Je grösser die Last Q ist,
2tens kleiner der mittlere Halbmesser
[Formel 4]
ist, und
3tens Je grösser die Summe der Abstände e k + f j ist. Diese Abstände werden aber um so grösser, je dicker die Seile und je steifer sie sind, dann je kleiner das ange- hängte Gewicht ist. Diess Letztere steht der Bemerkung, dass der Abstand mit der Last zunimmt, offenbar entgegen; wir sehen daher, dass es eigentlich nur auf die Dif- ferenz zwischen der angehängten Last und der Steifheit oder Elastizität des Seiles an- kommt. Die kleine Grösse f j kann im Nenner ohne Anstand gegen
[Formel 5]
vernach- lässigt werden.
Da die Steifheit der Seile für jedes Materiale, den Grad der Drehung ..... ver- schieden ist, so sieht man, dass sich hierüber keine allgemeine Regel angeben lässt, und dass demnach auch aus der, nach den Erfahrungen von Coulomb §. 445 abgeleiteten Formel, wo auf die Differenz zwischen der Elastizität und der angehängten Last keine Rücksicht genommen wurde, zu keiner allgemeinen Vorschrift dienen können. Man nimmt in dieser Hinsicht folgende Erfahrung bei dem gewöhnlichen Voranschlage der Maschinen an:
Einfluss der Unbiegsamkeit der Seile.
§. 446.
Wenn ein Seil über eine Scheibe gezogen und an beiden Enden gleich viel bela-Fig. 4. Tab. 27. Fig. 5. stet wird, so steht es im Zustande der Ruhe zu beiden Seiten gleich weit ab. Be- wegt sich aber die Scheibe, d. h. zieht P die Last Q hinauf, so muss das Seil von k bis o erst gebogen werden, und wird desshalb von der Scheibe um e k abstehen. Von der andern Seite aber wickelt sich das schon gebogene Seil ab, und legt sich um etwas gegen die Rolle hinein; das Seil nimmt demnach die Lage Fig. 5 ein. Es ist nun zu berechnen, welchen Einfluss diess Abstehen des Seiles verursacht. Ziehen wir von der Mitte des Seiles die Vertikalen A k und B j, dann durch die Mitte des Seiles einen Kreis, und bezeichnen den Halbmesser der Scheibe mit a, den Durchmesser des Seiles aber mit δ, so ist P . c j = Q . c k oder
[Formel 1]
. Wir sehen hier- aus, dass die Unbiegsamkeit der Seile den Hebelsarm der Kraft P um die Grösse f j vermindert, und dagegen den Hebelsarm der Last Q um die Grösse e k vermehrt, dem- nach zur Ueberwältigung der Last eine grössere Kraft erfordert wird, oder dass P grös- ser als Q seyn muss. Nennen wir daher die Kraft auf der einen Seite = Q + p, so ist
[Formel 2]
, woraus
[Formel 3]
die Grösse des Widerstandes, der von der Unbiegsam- keit der Seile herrührt.
Wir sehen hieraus, dass der Widerstand um so grösser wird:
1tens Je grösser die Last Q ist,
2tens kleiner der mittlere Halbmesser
[Formel 4]
ist, und
3tens Je grösser die Summe der Abstände e k + f j ist. Diese Abstände werden aber um so grösser, je dicker die Seile und je steifer sie sind, dann je kleiner das ange- hängte Gewicht ist. Diess Letztere steht der Bemerkung, dass der Abstand mit der Last zunimmt, offenbar entgegen; wir sehen daher, dass es eigentlich nur auf die Dif- ferenz zwischen der angehängten Last und der Steifheit oder Elastizität des Seiles an- kommt. Die kleine Grösse f j kann im Nenner ohne Anstand gegen
[Formel 5]
vernach- lässigt werden.
Da die Steifheit der Seile für jedes Materiale, den Grad der Drehung ..... ver- schieden ist, so sieht man, dass sich hierüber keine allgemeine Regel angeben lässt, und dass demnach auch aus der, nach den Erfahrungen von Coulomb §. 445 abgeleiteten Formel, wo auf die Differenz zwischen der Elastizität und der angehängten Last keine Rücksicht genommen wurde, zu keiner allgemeinen Vorschrift dienen können. Man nimmt in dieser Hinsicht folgende Erfahrung bei dem gewöhnlichen Voranschlage der Maschinen an:
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[501/0533]
Einfluss der Unbiegsamkeit der Seile.
§. 446.
Wenn ein Seil über eine Scheibe gezogen und an beiden Enden gleich viel bela-
stet wird, so steht es im Zustande der Ruhe zu beiden Seiten gleich weit ab. Be-
wegt sich aber die Scheibe, d. h. zieht P die Last Q hinauf, so muss das Seil von
k bis o erst gebogen werden, und wird desshalb von der Scheibe um e k abstehen.
Von der andern Seite aber wickelt sich das schon gebogene Seil ab, und legt sich
um etwas gegen die Rolle hinein; das Seil nimmt demnach die Lage Fig. 5 ein.
Es ist nun zu berechnen, welchen Einfluss diess Abstehen des Seiles verursacht.
Ziehen wir von der Mitte des Seiles die Vertikalen A k und B j, dann durch die
Mitte des Seiles einen Kreis, und bezeichnen den Halbmesser der Scheibe mit a, den
Durchmesser des Seiles aber mit δ, so ist
P . c j = Q . c k oder [FORMEL]. Wir sehen hier-
aus, dass die Unbiegsamkeit der Seile den Hebelsarm der Kraft P um die Grösse f j
vermindert, und dagegen den Hebelsarm der Last Q um die Grösse e k vermehrt, dem-
nach zur Ueberwältigung der Last eine grössere Kraft erfordert wird, oder dass P grös-
ser als Q seyn muss. Nennen wir daher die Kraft auf der einen Seite = Q + p,
so ist [FORMEL],
woraus [FORMEL] die Grösse des Widerstandes, der von der Unbiegsam-
keit der Seile herrührt.
Fig.
4.
Tab.
27.
Fig.
5.
Wir sehen hieraus, dass der Widerstand um so grösser wird:
1tens Je grösser die Last Q ist,
2tens kleiner der mittlere Halbmesser [FORMEL] ist, und
3tens Je grösser die Summe der Abstände e k + f j ist. Diese Abstände werden aber
um so grösser, je dicker die Seile und je steifer sie sind, dann je kleiner das ange-
hängte Gewicht ist. Diess Letztere steht der Bemerkung, dass der Abstand mit der
Last zunimmt, offenbar entgegen; wir sehen daher, dass es eigentlich nur auf die Dif-
ferenz zwischen der angehängten Last und der Steifheit oder Elastizität des Seiles an-
kommt. Die kleine Grösse f j kann im Nenner ohne Anstand gegen [FORMEL] vernach-
lässigt werden.
Da die Steifheit der Seile für jedes Materiale, den Grad der Drehung ..... ver-
schieden ist, so sieht man, dass sich hierüber keine allgemeine Regel angeben lässt,
und dass demnach auch aus der, nach den Erfahrungen von Coulomb §. 445 abgeleiteten
Formel, wo auf die Differenz zwischen der Elastizität und der angehängten Last keine
Rücksicht genommen wurde, zu keiner allgemeinen Vorschrift dienen können. Man
nimmt in dieser Hinsicht folgende Erfahrung bei dem gewöhnlichen Voranschlage der
Maschinen an:
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/533>, abgerufen am 24.11.2024.
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