Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826.Endlich muß er geübt werden über seine sinnlichen Demnach umfaßt das Kapitel vom Gehorsam die setzen, und die Stille davon als Folge oder als Nebenbedingung.
Sie haben aber einen Begriff von Stille, den wir gar nicht brauchen können. Denn einmal meinen sie darunter bloßes Aufhören der leiblichen Unruhe und Geschäftigkeit, wie dasselbe stattfindet, wenn der Geist im Nachdenken begriffen ist. Für diesen aber haben sie keine Bürgschaft, ob nicht, wenn Mund und Füße ruhen, der Blick nur aus Schlauheit auf den |Lehrer geheftet, oder ob nicht bloß darauf geachtet wird, wie der Lehrer gekleidet ist und sich geberdet, wie er lächelt oder zürnt, von welchen Dingen viele aufmerksam scheinende Kinder nach der Lehrstunde allein zu sagen wissen; wie sie auch während derselben gleich sich wenden, je nachdem irgend ein unerwarteter Schall ihr Ohr trifft, oder ein Vorfall ihr Auge lockt. Wir aber nen- nen das Neugier und Zerstrenung, und verlangen, daß von derselben der Geist auch gesammelt werde; wie eine Tafel rein sein muß um neue Züge zu empfangen. Zweitens ist auch die leibliche Stille, die jener Ansicht genügt, nicht rechter Art. Sie ist nicht Ruhe sondern Gespanntheit; wie wir sie an dem Soldaten sehen, wenn er Achtung gibt um zu exerciren, und wie jeder Mensch sie hat in Erwartung eines Geschäfts oder Vergnügens, allein dadurch an Tugend nichts gewinnt. Freilich kommt jene Ansicht von einer solchen wieder her, daß die Schule ein Ort sei, wo gewisse Geschäfte vollbracht werden. Wir indeß, welche dadurch den Menschen in seinem Jnnern gefördert wissen wollen, müssen wünschen, daß nicht allein die Beweglichkeit sondern auch die Spannung des Körpers aufhöre, und also der Mensch erst zur vollkommenen Ruhe komme, um darnach aufmerksam zu sein. Endlich muß er geuͤbt werden uͤber ſeine ſinnlichen Demnach umfaßt das Kapitel vom Gehorſam die ſetzen, und die Stille davon als Folge oder als Nebenbedingung.
Sie haben aber einen Begriff von Stille, den wir gar nicht brauchen koͤnnen. Denn einmal meinen ſie darunter bloßes Aufhoͤren der leiblichen Unruhe und Geſchaͤftigkeit, wie daſſelbe ſtattfindet, wenn der Geiſt im Nachdenken begriffen iſt. Fuͤr dieſen aber haben ſie keine Buͤrgſchaft, ob nicht, wenn Mund und Fuͤße ruhen, der Blick nur aus Schlauheit auf den |Lehrer geheftet, oder ob nicht bloß darauf geachtet wird, wie der Lehrer gekleidet iſt und ſich geberdet, wie er laͤchelt oder zuͤrnt, von welchen Dingen viele aufmerkſam ſcheinende Kinder nach der Lehrſtunde allein zu ſagen wiſſen; wie ſie auch waͤhrend derſelben gleich ſich wenden, je nachdem irgend ein unerwarteter Schall ihr Ohr trifft, oder ein Vorfall ihr Auge lockt. Wir aber nen- nen das Neugier und Zerſtrenung, und verlangen, daß von derſelben der Geiſt auch geſammelt werde; wie eine Tafel rein ſein muß um neue Zuͤge zu empfangen. Zweitens iſt auch die leibliche Stille, die jener Anſicht genuͤgt, nicht rechter Art. Sie iſt nicht Ruhe ſondern Geſpanntheit; wie wir ſie an dem Soldaten ſehen, wenn er Achtung gibt um zu exerciren, und wie jeder Menſch ſie hat in Erwartung eines Geſchaͤfts oder Vergnuͤgens, allein dadurch an Tugend nichts gewinnt. Freilich kommt jene Anſicht von einer ſolchen wieder her, daß die Schule ein Ort ſei, wo gewiſſe Geſchaͤfte vollbracht werden. Wir indeß, welche dadurch den Menſchen in ſeinem Jnnern gefoͤrdert wiſſen wollen, muͤſſen wuͤnſchen, daß nicht allein die Beweglichkeit ſondern auch die Spannung des Koͤrpers aufhoͤre, und alſo der Menſch erſt zur vollkommenen Ruhe komme, um darnach aufmerkſam zu ſein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="29"/> Endlich muß er geuͤbt werden uͤber ſeine ſinnlichen<lb/> Organe ſolche Macht des Willens zu erringen, daß,<lb/> was in ihn als Pflicht gelegt iſt, er auch im Stande ſei<lb/> durch die That darzuſtellen, in dem Maße als es ihm<lb/> befohlen wird. Er muß <hi rendition="#g">Puͤnktlichkeit</hi> erlangen.</p><lb/> <p>Demnach umfaßt das Kapitel vom Gehorſam die<lb/> Anordnungen, welche Stille, Aufmerkſamkeit und<lb/> Puͤnktlichkeit hervorbringen. Die <hi rendition="#g">Stille</hi> beſteht<lb/> darin, daß der Schuͤler ſeinen Willen einem hoͤhern<lb/> Willen unterordnet und ſich ganz hingibt dem uͤber<lb/><note xml:id="a04" prev="#a03" place="foot" n="*)">ſetzen, und die Stille davon als Folge oder als Nebenbedingung.<lb/> Sie haben aber einen Begriff von Stille, den wir gar nicht<lb/> brauchen koͤnnen. Denn einmal meinen ſie darunter bloßes<lb/> Aufhoͤren der leiblichen Unruhe und Geſchaͤftigkeit, wie daſſelbe<lb/> ſtattfindet, wenn der Geiſt im Nachdenken begriffen iſt. Fuͤr<lb/> dieſen aber haben ſie keine Buͤrgſchaft, ob nicht, wenn Mund<lb/> und Fuͤße ruhen, der Blick nur aus Schlauheit auf den |Lehrer<lb/> geheftet, oder ob nicht bloß darauf geachtet wird, wie der Lehrer<lb/> gekleidet iſt und ſich geberdet, wie er laͤchelt oder zuͤrnt, von<lb/> welchen Dingen viele aufmerkſam ſcheinende Kinder nach der<lb/> Lehrſtunde allein zu ſagen wiſſen; wie ſie auch waͤhrend derſelben<lb/> gleich ſich wenden, je nachdem irgend ein unerwarteter Schall<lb/> ihr Ohr trifft, oder ein Vorfall ihr Auge lockt. Wir aber nen-<lb/> nen das Neugier und Zerſtrenung, und verlangen, daß von<lb/> derſelben der Geiſt auch geſammelt werde; wie eine Tafel rein<lb/> ſein muß um neue Zuͤge zu empfangen. Zweitens iſt auch die<lb/> leibliche Stille, die jener Anſicht genuͤgt, nicht rechter Art.<lb/> Sie iſt nicht Ruhe ſondern Geſpanntheit; wie wir ſie an dem<lb/> Soldaten ſehen, wenn er Achtung gibt um zu exerciren, und<lb/> wie jeder Menſch ſie hat in Erwartung eines Geſchaͤfts oder<lb/> Vergnuͤgens, allein dadurch an Tugend nichts gewinnt. Freilich<lb/> kommt jene Anſicht von einer ſolchen wieder her, daß die Schule<lb/> ein Ort ſei, wo gewiſſe Geſchaͤfte vollbracht werden. Wir indeß,<lb/> welche dadurch den Menſchen in ſeinem Jnnern gefoͤrdert wiſſen<lb/> wollen, muͤſſen wuͤnſchen, daß nicht allein die Beweglichkeit ſondern<lb/> auch die Spannung des Koͤrpers aufhoͤre, und alſo der Menſch erſt<lb/> zur vollkommenen Ruhe komme, um darnach aufmerkſam zu ſein.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0037]
Endlich muß er geuͤbt werden uͤber ſeine ſinnlichen
Organe ſolche Macht des Willens zu erringen, daß,
was in ihn als Pflicht gelegt iſt, er auch im Stande ſei
durch die That darzuſtellen, in dem Maße als es ihm
befohlen wird. Er muß Puͤnktlichkeit erlangen.
Demnach umfaßt das Kapitel vom Gehorſam die
Anordnungen, welche Stille, Aufmerkſamkeit und
Puͤnktlichkeit hervorbringen. Die Stille beſteht
darin, daß der Schuͤler ſeinen Willen einem hoͤhern
Willen unterordnet und ſich ganz hingibt dem uͤber
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*) ſetzen, und die Stille davon als Folge oder als Nebenbedingung.
Sie haben aber einen Begriff von Stille, den wir gar nicht
brauchen koͤnnen. Denn einmal meinen ſie darunter bloßes
Aufhoͤren der leiblichen Unruhe und Geſchaͤftigkeit, wie daſſelbe
ſtattfindet, wenn der Geiſt im Nachdenken begriffen iſt. Fuͤr
dieſen aber haben ſie keine Buͤrgſchaft, ob nicht, wenn Mund
und Fuͤße ruhen, der Blick nur aus Schlauheit auf den |Lehrer
geheftet, oder ob nicht bloß darauf geachtet wird, wie der Lehrer
gekleidet iſt und ſich geberdet, wie er laͤchelt oder zuͤrnt, von
welchen Dingen viele aufmerkſam ſcheinende Kinder nach der
Lehrſtunde allein zu ſagen wiſſen; wie ſie auch waͤhrend derſelben
gleich ſich wenden, je nachdem irgend ein unerwarteter Schall
ihr Ohr trifft, oder ein Vorfall ihr Auge lockt. Wir aber nen-
nen das Neugier und Zerſtrenung, und verlangen, daß von
derſelben der Geiſt auch geſammelt werde; wie eine Tafel rein
ſein muß um neue Zuͤge zu empfangen. Zweitens iſt auch die
leibliche Stille, die jener Anſicht genuͤgt, nicht rechter Art.
Sie iſt nicht Ruhe ſondern Geſpanntheit; wie wir ſie an dem
Soldaten ſehen, wenn er Achtung gibt um zu exerciren, und
wie jeder Menſch ſie hat in Erwartung eines Geſchaͤfts oder
Vergnuͤgens, allein dadurch an Tugend nichts gewinnt. Freilich
kommt jene Anſicht von einer ſolchen wieder her, daß die Schule
ein Ort ſei, wo gewiſſe Geſchaͤfte vollbracht werden. Wir indeß,
welche dadurch den Menſchen in ſeinem Jnnern gefoͤrdert wiſſen
wollen, muͤſſen wuͤnſchen, daß nicht allein die Beweglichkeit ſondern
auch die Spannung des Koͤrpers aufhoͤre, und alſo der Menſch erſt
zur vollkommenen Ruhe komme, um darnach aufmerkſam zu ſein.
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