ten, denen er auf dem nahen Stamm ein Haus von schlanken Weiden-Aesten geflochten hatte. Was ist das, so sprach er, das aus meinem Busen herauf seufzt, das so bang in meinem Herzen sizt? Zwar wechselt es ab, mit Entzüken und mit Freu- den-Thränen, wenn ich das Mädchen im Hain sehe, und seinen Gesang höre, aber wenn sie weg ist, o dann, dann sizt Schwermuth in meinem Bu- sen! Ach! was ist es, das aus meinem Busen herauf seufzt? Indess spielte seine Hand mit der angespanneten Saite des Bogens, und ein lieblicher Ton gieng von der Saite, und der Jüngling horch- te und wiederholt' erstaunt den Ton. Dann staunt er, und dacht' eine neue Erfindung zu ent- wikeln tief nach, und dann spielt' er wieder mit der angespanneten Saite des Bogens, von den Ge- därmen der Raubvögel geflochten. Aber izt sprang er auf, und fieng an Stäbe zu schneiden, zween lange Stäbe und zween kürzere, und die zween kürzern befestigt' er unten und oben gegen die
ten, denen er auf dem nahen Stamm ein Haus von ſchlanken Weiden-Aeſten geflochten hatte. Was iſt das, ſo ſprach er, das aus meinem Buſen herauf ſeufzt, das ſo bang in meinem Herzen ſizt? Zwar wechſelt es ab, mit Entzüken und mit Freu- den-Thränen, wenn ich das Mädchen im Hain ſehe, und ſeinen Geſang höre, aber wenn ſie weg iſt, o dann, dann ſizt Schwermuth in meinem Bu- ſen! Ach! was iſt es, das aus meinem Buſen herauf ſeufzt? Indeſs ſpielte ſeine Hand mit der angeſpanneten Saite des Bogens, und ein lieblicher Ton gieng von der Saite, und der Jüngling horch- te und wiederholt’ erſtaunt den Ton. Dann ſtaunt er, und dacht’ eine neue Erfindung zu ent- wikeln tief nach, und dann ſpielt’ er wieder mit der angeſpanneten Saite des Bogens, von den Ge- därmen der Raubvögel geflochten. Aber izt ſprang er auf, und fieng an Stäbe zu ſchneiden, zween lange Stäbe und zween kürzere, und die zween kürzern befeſtigt’ er unten und oben gegen die
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ten, denen er auf dem nahen Stamm ein Haus
von ſchlanken Weiden-Aeſten geflochten hatte.
Was iſt das, ſo ſprach er, das aus meinem Buſen
herauf ſeufzt, das ſo bang in meinem Herzen ſizt?
Zwar wechſelt es ab, mit Entzüken und mit Freu-
den-Thränen, wenn ich das Mädchen im Hain
ſehe, und ſeinen Geſang höre, aber wenn ſie weg
iſt, o dann, dann ſizt Schwermuth in meinem Bu-
ſen! Ach! was iſt es, das aus meinem Buſen
herauf ſeufzt? Indeſs ſpielte ſeine Hand mit der
angeſpanneten Saite des Bogens, und ein lieblicher
Ton gieng von der Saite, und der Jüngling horch-
te und wiederholt’ erſtaunt den Ton. Dann
ſtaunt er, und dacht’ eine neue Erfindung zu ent-
wikeln tief nach, und dann ſpielt’ er wieder mit
der angeſpanneten Saite des Bogens, von den Ge-
därmen der Raubvögel geflochten. Aber izt ſprang
er auf, und fieng an Stäbe zu ſchneiden, zween
lange Stäbe und zween kürzere, und die zween
kürzern befeſtigt’ er unten und oben gegen die
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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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