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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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vermeyne, bloß weil [unleserliches Material]der Comte de Saxe heiße. Von hier fuhren
wir 1) nach der Marquise de Montbrun, konten sie aber, weil
ihre Kranckheit mercklich zugenommen, dismal nicht sprechen, 2) nach
dem Duc de Gesvres, welchen wir nicht zu Hause fanden, 3.) zu
dem Duc de Tremouille, der bey unsrer Ankunft eben die Treppe
herunter gieng und ausfahren, durchaus aber auch mit uns wie-
der hinauf steigen, und unsern Besuch erst annehmen wolte.
Jedoch ließen wir solches nicht geschehen, sondern beurlaubten uns, nach
einem sehr kurtzen und höflichen [unleserliches Material]Entretiennt, so fort wider auf der
Treppe, und passirten den Uberrest des Abends 4) bey Monsieur de la
Tournelle
mit allerhand Gesprächen über die Conjuncturen der
ietzigen Zeit, da indeßen Madame de la Tournelle mit einigen
Italiänischen Herren spielete.

Den 18 Januar

Weil der Cardinal Polignac, nach deßen Gesundheits-Zustande,
der hiesigen Gewohnheit nach, wir zeithero uns täglich erkundigen
laßen, sich wider im Stande befand, Frembde zu sprechen; so
begaben wir uns Mittags nach seinem Hotel, und wurden von
einem seiner Cavalier auf der Treppe recht frölich empfangen,
zugleich aber auch benachrichtiget, daß der Modenesische Ministre
mit dem Cardinal pressanter affairen wegen in Conferentz
sey, deren Ausgang wir denn in einem Neben-Zimmer abwar-
teten, und daselbst mit dem Comte de Polignac, der ein See-Offi-
cier ist, bekannt wurden. Er erzehlte ein und anders von sei-
nen See-Reisen, lobte die Teutsche Nation wegen ihrer guten
Gewohnheit des Reisens, und schalt die Frantzosen vor betes, daß
sie ihre jungen Leute immer im Nest, und folglich in der Igno-
rantz vieler nützlichen Dinge stecken ließen, meinte auch,
es würde das Reisen kaum so viel kosten, als was ein jeun
homme de condition hier in seinem Vaterlande mit Kleidern,
Equipages und Spielen depensire. Wie er denn auf dieses letztere,
sonderl: auf das sogenannte Cavagnol, übel zu sprechen war, das jeu
de Commerce aber dennoch dabey vor unentbährlich erklärete. Auch
erfuhren wir von denen Anwesenden die gründliche Beschaffen-
heit des vor 6 Wochen hier gebohrnen und nunmehro verstorbenen
sogenannten zweyköpfigen Kindes, als welches der Cardinal in seiner
Kranckheit zu sich bringen laßen, und aufs genaueste besichtiget
hat. Es sind nehmlich 2 Mägdgen, mit denen Rücken gegen ein-
ander gekehret, beyde Cörper auch, bis an die 4 Ohren hinauf, voll-
ständig von ein ander separiret gewesen. Von denen Ohren an aber
hat sich nur ein gemeinschaftlicher Kopf mit 2 Gesichtern praesen-
tiret, deren iedwedes iedoch ordentlich auf seinem Halse gestanden. Den

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vermeyne, bloß weil [unleserliches Material]der Comte de Saxe heiße. Von hier fuhren
wir 1) nach der Marquise de Montbrun, konten sie aber, weil
ihre Kranckheit mercklich zugenommen, dismal nicht sprechen, 2) nach
dem Duc de Gesvres, welchen wir nicht zu Hause fanden, 3.) zu
dem Duc de Tremouille, der bey unsrer Ankunft eben die Treppe
herunter gieng und ausfahren, durchaus aber auch mit uns wie-
der hinauf steigen, und unsern Besuch erst annehmen wolte.
Jedoch ließen wir solches nicht geschehen, sondern beurlaubten uns, nach
einem sehr kurtzen und höflichen [unleserliches Material]Entretiennt, so fort wider auf der
Treppe, und passirten den Uberrest des Abends 4) bey Monsieur de la
Tournelle
mit allerhand Gesprächen über die Conjuncturen der
ietzigen Zeit, da indeßen Madame de la Tournelle mit einigen
Italiänischen Herren spielete.

                                    Den 18 Januar

Weil der Cardinal Polignac, nach deßen Gesundheits-Zustande,
der hiesigen Gewohnheit nach, wir zeithero uns täglich erkundigen
laßen, sich wider im Stande befand, Frembde zu sprechen; so
begaben wir uns Mittags nach seinem Hôtel, und wurden von
einem seiner Cavalier auf der Treppe recht frölich empfangen,
zugleich aber auch benachrichtiget, daß der Modenesische Ministre
mit dem Cardinal pressanter affairen wegen in Conferentz
sey, deren Ausgang wir denn in einem Neben-Zimmer abwar-
teten, und daselbst mit dem Comte de Polignac, der ein See-Offi-
cier ist, bekannt wurden. Er erzehlte ein und anders von sei-
nen See-Reisen, lobte die Teutsche Nation wegen ihrer guten
Gewohnheit des Reisens, und schalt die Frantzosen vor bêtes, daß
sie ihre jungen Leute immer im Nest, und folglich in der Igno-
rantz vieler nützlichen Dinge stecken ließen, meinte auch,
es würde das Reisen kaum so viel kosten, als was ein jeun
homme de condition hier in seinem Vaterlande mit Kleidern,
Equipages und Spielen depensire. Wie er denn auf dieses letztere,
sonderl: auf das sogenannte Cavagnol, übel zu sprechen war, das jeu
de Commerce aber dennoch dabey vor unentbährlich erklärete. Auch
erfuhren wir von denen Anwesenden die gründliche Beschaffen-
heit des vor 6 Wochen hier gebohrnen und nunmehro verstorbenen
sogenannten zweyköpfigen Kindes, als welches der Cardinal in seiner
Kranckheit zu sich bringen laßen, und aufs genaueste besichtiget
hat. Es sind nehmlich 2 Mägdgen, mit denen Rücken gegen ein-
ander gekehret, beyde Cörper auch, bis an die 4 Ohren hinauf, voll-
ständig von ein ander separiret gewesen. Von denen Ohren an aber
hat sich nur ein gemeinschaftlicher Kopf mit 2 Gesichtern praesen-
tiret, deren iedwedes iedoch ordentlich auf seinem Halse gestanden. Den

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[0124] 57 vermeyne, bloß weil der Comte de Saxe heiße. Von hier fuhren wir 1) nach der Marquise de Montbrun, konten sie aber, weil ihre Kranckheit mercklich zugenommen, dismal nicht sprechen, 2) nach dem Duc de Gesvres, welchen wir nicht zu Hause fanden, 3.) zu dem Duc de Tremouille, der bey unsrer Ankunft eben die Treppe herunter gieng und ausfahren, durchaus aber auch mit uns wie- der hinauf steigen, und unsern Besuch erst annehmen wolte. Jedoch ließen wir solches nicht geschehen, sondern beurlaubten uns, nach einem sehr kurtzen und höflichen Entretien, so fort wider auf der Treppe, und passirten den Uberrest des Abends 4) bey Mr: de la Tournelle mit allerhand Gesprächen über die Conjuncturen der ietzigen Zeit, da indeßen Madame de la Tournelle mit einigen Italiänischen Herren spielete.                                     Den 18 Jan: Weil der Cardinal Polignac, nach deßen Gesundheits-Zustande, der hiesigen Gewohnheit nach, wir zeithero uns täglich erkundigen laßen, sich wider im Stande befand, Frembde zu sprechen; so begaben wir uns Mittags nach seinem Hôtel, und wurden von einem seiner Cavalier auf der Treppe recht frölich empfangen, zugleich aber auch benachrichtiget, daß der Modenesische Ministre mit dem Cardinal pressanter affairen wegen in Conferentz sey, deren Ausgang wir denn in einem Neben-Zimmer abwar- teten, und daselbst mit dem Comte de Polignac, der ein See-Offi- cier ist, bekannt wurden. Er erzehlte ein und anders von sei- nen See-Reisen, lobte die Teutsche Nation wegen ihrer guten Gewohnheit des Reisens, und schalt die Frantzosen vor bêtes, daß sie ihre jungen Leute immer im Nest, und folglich in der Igno- rantz vieler nützlichen Dinge stecken ließen, meinte auch, es würde das Reisen kaum so viel kosten, als was ein jeun homme de condition hier in seinem Vaterlande mit Kleidern, Equipages und Spielen depensire. Wie er denn auf dieses letztere, sonderl: auf das sogenannte Cavagnol, übel zu sprechen war, das jeu de Commerce aber dennoch dabey vor unentbährlich erklärete. Auch erfuhren wir von denen Anwesenden die gründliche Beschaffen- heit des vor 6 Wochen hier gebohrnen und nunmehro verstorbenen sogenannten zweyköpfigen Kindes, als welches der Cardinal in seiner Kranckheit zu sich bringen laßen, und aufs genaueste besichtiget hat. Es sind nehmlich 2 Mägdgen, mit denen Rücken gegen ein- ander gekehret, beyde Cörper auch, bis an die 4 Ohren hinauf, voll- ständig von ein ander separiret gewesen. Von denen Ohren an aber hat sich nur ein gemeinschaftlicher Kopf mit 2 Gesichtern praesen- tiret, deren iedwedes iedoch ordentlich auf seinem Halse gestanden. Den

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/124>, abgerufen am 26.11.2024.