Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].91 Weise vorträglich seyn kan, mit diesem Herrn personelle Bekann[unleserliches Material]dschaftzu haben. Er empfing uns in seiner Schreib-Stube sehr freundlich und fragte eines und das andere von denen bisherigen und noch ferner vorhabenden Reisen[unleserliches Material]. Ferner introducirte uns der Marquis de Montbrun bey dem Cardinal de Rohan, welcher als grand Aumo- nier de France gleichfals bey Hofe logiret. Er war überaus gnädig und offerirte alles zu Illmi Diensten. Weil aber der Päbstliche Nun- cius eben in Geschäften bey ihm [unleserliches Material]war, so musten wir uns bald wider beurlauben, und da sein Bruder der prince de Soubise in letzten Zügen lag, so wurden wir aus diser Ursache auch von ihm nicht zur Tafel invitiret. Wir passirten von hier, weil der Marquis de Montbrun nach Paris zurück zu reisen pressiret war, in die antichambre des Cardinals, und funden daselbst unter andern den Duc de Grammont, den Päbstlichen Nuncium die Ambassadeurs von Rußland, Venedig und Holland, den Graf Tessin und Herr von Flemming, Monsieur Gräfenbrock und Monsieur Tompson. Unser meistes Gespräche war mit dem Päbstlichen Nuncio und Holländischen Ambassadeur, von welchen beyden wir gantz besondere Geneigheit uns zu rühmen haben. Auf unser Ansuchen wurden wir hier von Monsieur Gräfenbrock an gedachten Rußischen Ambassadeur prince Cantimir praesentiret, welcher sich denn auch recht freundlich bezeigte. Hingegen praesentirete Monsieur Tompson an Illustrissimum den Mylord Deskeford, welcher mit Ihnen zugleich in Göttingen studi- ret hat und gantz modest und retire zu seyn scheinet. Nachdem der König mit zwey 8spännigen und Zwey 6spännigen Carossen unter Begleitung eines Detachements von der Guarde zu Pferde auf die Jagd gefahren, gingen wir unter Anführung des Introducteurs au leve de la Reine, welche in einem weißen poudre-Mantel vor dem Spiegel saß, sich die Haare selbst poudrete, auch des Kopf-Zeug unter assistentz einer Dame, selbst auf den Kopf zurecht steckte. Die Ringe wurden ihr durch die Duchesse de Mazarin überreichet. Als sie den poudre Mantel abthun wolte, gab sie einer andern Duchesse einen Winck, wel- che denn von ihrem Tabouret aufstund und gegen die Ambassa- deurs einen Reverentz machte, der Portier an der Thüre des Zimmers aber ziemlich laut rief: passons Messieurs. Worauf sich denn alles Manns-Personen zur Thür hinaus retirirten und der Zug nach dem Dine des Dauphins ging, deßen Be- schaffenheit schon ehemals beschrieben worden. Der Duc de Chatillon machte Illustrissimo einen sehr freundlichen Reverentz, doch wurde weder mit ihnen, noch mit Jemand anders etwas gesprochen. Nach der Tafel gab der Duc de Chatillon selbst dem Dauphin das Mund-Waßer und hielt das Serviet zum Hände abtrocknen, ein andrer Officier aber das verguldete Becken zum Ausspeien. Nachdem wir 91 Weise vorträglich seyn kan, mit diesem Herrn personelle Bekann[unleserliches Material]dschaftzu haben. Er empfing uns in seiner Schreib-Stube sehr freundlich und fragte eines und das andere von denen bisherigen und noch ferner vorhabenden Reisen[unleserliches Material]. Ferner introducirte uns der Marquis de Montbrun bey dem Cardinal de Rohan, welcher als grand Aumo- nier de France gleichfals bey Hofe logiret. Er war überaus gnädig und offerirte alles zu Illmi Diensten. Weil aber der Päbstliche Nun- cius eben in Geschäften bey ihm [unleserliches Material]war, so musten wir uns bald wider beurlauben, und da sein Bruder der prince de Soubise in letzten Zügen lag, so wurden wir aus diser Ursache auch von ihm nicht zur Tafel invitiret. Wir passirten von hier, weil der Marquis de Montbrun nach Paris zurück zu reisen pressiret war, in die antichambre des Cardinals, und funden daselbst unter andern den Duc de Grammont, den Päbstlichen Nuncium die Ambassadeurs von Rußland, Venedig und Holland, den Graf Tessin und Herr von Flemming, Monsieur Gräfenbrock und Monsieur Tompson. Unser meistes Gespräche war mit dem Päbstlichen Nuncio und Holländischen Ambassadeur, von welchen beyden wir gantz besondere Geneigheit uns zu rühmen haben. Auf unser Ansuchen wurden wir hier von Monsieur Gräfenbrock an gedachten Rußischen Ambassadeur prince Cantimir praesentiret, welcher sich denn auch recht freundlich bezeigte. Hingegen praesentirete Monsieur Tompson an Illustrissimum den Mylord Deskeford, welcher mit Ihnen zugleich in Göttingen studi- ret hat und gantz modest und retire zu seyn scheinet. Nachdem der König mit zwey 8spännigen und Zwey 6spännigen Carossen unter Begleitung eines Detachements von der Guarde zu Pferde auf die Jagd gefahren, gingen wir unter Anführung des Introducteurs au levé de la Reine, welche in einem weißen poudre-Mantel vor dem Spiegel saß, sich die Haare selbst poudrete, auch des Kopf-Zeug unter assistentz einer Dame, selbst auf den Kopf zurecht steckte. Die Ringe wurden ihr durch die Duchesse de Mazarin überreichet. Als sie den poudre Mantel abthun wolte, gab sie einer andern Duchesse einen Winck, wel- che denn von ihrem Tabouret aufstund und gegen die Ambassa- deurs einen Reverentz machte, der Portier an der Thüre des Zimmers aber ziemlich laut rief: passons Messieurs. 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91
Weise vorträglich seyn kan, mit diesem Hhn personelle Bekanndschaft
zu haben. Er empfing uns in seiner Schreib-Stube sehr freundl:
und fragte eines und das andere von denen bisherigen und noch
ferner vorhabenden Reisen. Ferner introducirte uns der Marquis
de Montbrun bey dem Cardinal de Rohan, welcher als grand Aumo-
nier de France gleichfals bey Hofe logiret. Er war überaus gnädig
und offerirte alles zu Illmi Diensten. Weil aber der Päbstl: Nun-
cius eben in Geschäften bey ihm war, so musten wir uns bald
wider beurlauben, und da sein Bruder der prince de Soubise
in letzten Zügen lag, so wurden wir aus diser Ursache auch
von ihm nicht zur Tafel invitiret. Wir passirten von hier,
weil der Marquis de Montbrun nach Paris zurück zu reisen
pressiret war, in die antichambre des Cardinals, und funden
daselbst unter andern den Duc de Grammont, den Pabstl: Nuncium
die Ambassadeurs von Rußland, Venedig und Holland, den Graf
Tessin und H. v. Flemming, Mr. Gräfenbrock und Mr. Tompson.
Unser meistes Gespräche war mit dem Päbstl: Nuncio und
Holländl: Ambassadeur, von welchen beyden wir gantz besondere
Geneigheit uns zu rühmen haben. Auf unser Ansuchen wurden
wir hier von Mr. Gräfenbrock an gedachten Rußil: Ambassadeur
prince Cantimir praesentiret, welcher sich denn auch recht freundl:
bezeigte. Hingegen praesentirete Mr. Tompson an Illmum den
Mylord Deskeford, welcher mit Ihnen zugleich in Göttingen studi-
ret hat und gantz modest und retire zu seyn scheinet. Nachdem
der König mit zwey 8spännigen und Zwey 6spännigen Carossen
unter Begleitung eines Detachements von der Guarde zu Pferde
auf die Jagd gefahren, gingen wir unter Anführung des
Introducteurs au levé de la Reine, welche in einem weißen
poudre-Mantel vor dem Spiegel saß, sich die Haare selbst
poudrete, auch des Kopf-Zeug unter assistentz einer Dame, selbst
auf den Kopf zurecht steckte. Die Ringe wurden ihr durch
die Duchesse de Mazarin überreichet. Als sie den poudre Mantel
abthun wolte, gab sie einer andern Duchesse einen Winck, wel-
che denn von ihrem Tabouret aufstund und gegen die Ambassa-
deurs einen Reverentz machte, der Portier an der Thüre des
Zimmers aber ziemlich laut rief: passons Messieurs. Worauf
sich denn alle Manns-Personen zur Thür hinaus retirirten
und der Zug nach dem Diné des Dauphins ging, deßen Be-
schaffenheit schon ehemals beschrieben worden. Der Duc de Chatillon
machte Illmo einen sehr freundl. Reverentz, doch wurde weder mit
ihnen, noch mit Jemand anders etwas gesprochen. Nach der Tafel
gab der Duc de Chatillon selbst dem Dauphin das Mund-Waßer
und hielt das Serviet zum Hände abtrocknen, ein andrer Officier
aber das verguldete Becken zum Ausspeien. Nachdem wir
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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