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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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willen verfolgten und exilirten armen Priestern gegeben, auch
nunmehro sein Vermögen an solche vermacht, von denen er
versichert ist, daß sie die Einkünfte auf eben diese Weise an-
wenden werden. Von seiner Familie hat Niemand zu ihm
kommen dürffen, und als ihm vor ein paar Jahren der Duc
sagen laßen, daß der Herr Oncle sich doch bescheiden würde, dem
Gouverneur von Paris, dem alle Häuser offen stehen müsten,
die Thüre nicht zu versagen; ist gedachter Duc zwar vorge-
laßen, aber mit so vielen Ermahnungen und moralisationen
unterhalten worden, daß er niemalen wieder zu kommen begehret
hat. Dem Verlaut nach, wird die Gesverische Familie schon
bemeldtes Testament anfechten, und allenfals mit denen
Testaments-Erben sich auf ein gewißes quantum in Güte
vergleichen.

Den 18 April:

Weil Monsieur Rollin uns Nachricht gegeben, daß der hiesige berühmteste
Advocat Monsieur Cochin in der bekanten Sache der ehemals entführe-
ten Mademoiselle de Moras heute plaidiren werde, so begaben
wir uns an Palais, a la grande chambre du Parlement. Die
Sache stehet ietzo in folgenden terminis: Nachdem der Entführer
dieser Person, Comte de Courbeau, sich außer Landes salviret,
und darauf hier in effigie geköpft, seine Ehe vor null declari-
ret, und die Cammer-Frau der Moras gestäupt und gebrantmahlet,
Mademoiselle de Moras selbst aber, welche ietzo als pensionaire
in einem hiesigen Kloster lebet, von ihrer vor 2 Jahren
verstorbenen Mutter enterbet worden: So hat sie auf die
nullitaet dieses Testaments geklaget, und 1) ihre minorenitaet,
da sie zur Zeit der Entführung nur 12 Jahr alt gewesen,
und 2) die Verführung des 40 Jahre alten und höchst rafinirten
Comte de Courbeau vor sich angeführet, auch in der ersten Instantz,
nehmlich vor hiesigem Chatelet, eine beyfällige Sententz
erhalten, von welcher aber ihre Brüder an das Parlement
appelliret haben, um die Gültigkeit des mütterlichen Testa-
ments zu behaupten, und die Schwester von der Erbschaft
auszuschließen. Der Brüder Advocat ist Monsieur Oubri, ein
gantz junger Mann, deßen Vater aber eben so berühmt
gewesen, als ietzo Monsieur Cochin ist, und der seinem Vater
sehr wohl nachartet. Der premier President, die presidens
a mortier und die geist- und weltlichen parlements-Räthe
de la grande Chambre sitzen auf einem erhöheten Gestühle

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willen verfolgten und exilirten armen Priestern gegeben, auch
nunmehro sein Vermögen an solche vermacht, von denen er
versichert ist, daß sie die Einkünfte auf eben diese Weise an-
wenden werden. Von seiner Familie hat Niemand zu ihm
kommen dürffen, und als ihm vor ein paar Jahren der Duc
sagen laßen, daß der Herr Oncle sich doch bescheiden würde, dem
Gouverneur von Paris, dem alle Häuser offen stehen müsten,
die Thüre nicht zu versagen; ist gedachter Duc zwar vorge-
laßen, aber mit so vielen Ermahnungen und moralisationen
unterhalten worden, daß er niemalen wieder zu kommen begehret
hat. Dem Verlaut nach, wird die Gesverische Familie schon
bemeldtes Testament anfechten, und allenfals mit denen
Testaments-Erben sich auf ein gewißes quantum in Güte
vergleichen.

Den 18 April:

Weil Monsieur Rollin uns Nachricht gegeben, daß der hiesige berühmteste
Advocat Monsieur Cochin in der bekanten Sache der ehemals entführe-
ten Mademoiselle de Moras heute plaidiren werde, so begaben
wir uns an Palais, à la grande chambre du Parlement. Die
Sache stehet ietzo in folgenden terminis: Nachdem der Entführer
dieser Person, Comte de Courbeau, sich außer Landes salviret,
und darauf hier in effigie geköpft, seine Ehe vor null declari-
ret, und die Cammer-Frau der Moras gestäupt und gebrantmahlet,
Mademoiselle de Moras selbst aber, welche ietzo als pensionaire
in einem hiesigen Kloster lebet, von ihrer vor 2 Jahren
verstorbenen Mutter enterbet worden: So hat sie auf die
nullitaet dieses Testaments geklaget, und 1) ihre minorenitaet,
da sie zur Zeit der Entführung nur 12 Jahr alt gewesen,
und 2) die Verführung des 40 Jahre alten und höchst rafinirten
Comte de Courbeau vor sich angeführet, auch in der ersten Instantz,
nehmlich vor hiesigem Chatelet, eine beyfällige Sententz
erhalten, von welcher aber ihre Brüder an das Parlement
appelliret haben, um die Gültigkeit des mütterlichen Testa-
ments zu behaupten, und die Schwester von der Erbschaft
auszuschließen. Der Brüder Advocat ist Monsieur Oubri, ein
gantz junger Mann, deßen Vater aber eben so berühmt
gewesen, als ietzo Monsieur Cochin ist, und der seinem Vater
sehr wohl nachartet. Der premier President, die presidens
a mortier und die geist- und weltlichen parlements-Räthe
de la grande Chambre sitzen auf einem erhöheten Gestühle

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[0262] 124 willen verfolgten und exilirten armen Priestern gegeben, auch nunmehro sein Vermögen an solche vermacht, von denen er versichert ist, daß sie die Einkünfte auf eben diese Weise an- wenden werden. Von seiner Familie hat Niemand zu ihm kommen dürffen, und als ihm vor ein paar Jahren der Duc sagen laßen, daß der H: Oncle sich doch bescheiden würde, dem Gouverneur von Paris, dem alle Häuser offen stehen müsten, die Thüre nicht zu versagen; ist gedachter Duc zwar vorge- laßen, aber mit so vielen Ermahnungen und moralisationen unterhalten worden, daß er niemalen wieder zu kommen begehret hat. Dem Verlaut nach, wird die Gesverische Familie schon bemeldtes Testament anfechten, und allenfals mit denen Testaments-Erben sich auf ein gewißes quantum in Güte vergleichen. Den 18 April: Weil Mr: Rollin uns Nachricht gegeben, daß der hiesige berühmteste Advocat Mr. Cochin in der bekanten Sache der ehemals entführe- ten Mademoiselle de Moras heute plaidiren werde, so begaben wir uns an Palais, à la grande chambre du Parlement. Die Sache stehet ietzo in folgenden terminis: Nachdem der Entführer dieser Person, Comte de Courbeau, sich außer Landes salviret, und darauf hier in effigie geköpft, seine Ehe vor null declari- ret, und die Cammer-Frau der Moras gestäupt und gebrantmahlet, Mademoiselle de Moras selbst aber, welche ietzo als pensionaire in einem hiesigen Kloster lebet, von ihrer vor 2 Jahren verstorbenen Mutter enterbet worden: So hat sie auf die nullitaet dieses Testaments geklaget, und 1) ihre minorenitaet, da sie zur Zeit der Entführung nur 12 Jahr alt gewesen, und 2) die Verführung des 40 Jahre alten und höchst rafinirten Comte de Courbeau vor sich angeführet, auch in der ersten Instantz, nehml: vor hiesigem Chatelet, eine beyfällige Sententz erhalten, von welcher aber ihre Brüder an das Parlement appelliret haben, um die Gültigkeit des mütterlichen Testa- ments zu behaupten, und die Schwester von der Erbschaft auszuschließen. Der Brüder Advocat ist Mr. Oubri, ein gantz junger Mann, deßen Vater aber eben so berühmt gewesen, als ietzo Mr. Cochin ist, und der seinem Vater sehr wohl nachartet. Der premier President, die presidens a mortier und die geist- und weltlichen parlements-Räthe de la grande Chambre sitzen auf einem erhöheten Gestühle

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/262>, abgerufen am 27.11.2024.