Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].9. und einem alten Trunckenbolde zugeredet habe, davon dieser Sünde abzulaßen und wohl zuerwegen, wie leichte er mitten in der Trunckenheit vom Tode könne hingerißen werden. Es habe aber dieser Mann geantwortet: ein trunckener Mensch sey wie ein Kind, das sich selbst nicht helffen könne; in solchem Zustande aber halte unser Herr Gott seine Hand gantz besonders über ihm, daß ihm nichts schaden könne, wie er sich denn dieserwegen auf seine eigne Erfahrung beruffen, der Prediger auch. Herr Petersen versichert habe, daß das gantze Dorf eben dieses vor einen rechten Glau- bens-Articul halte. Herr Frech zeigte Illustrissimo eine von ihm selbst erfundene gantz neue und leichte Art, etwas perspectivisch abzureißen. Es geschiehet solches vermittelst eines Visirs, und eines zwischen dem Objecto und dem Visir aufge- richteten Glases, als auf welches Glas, wenn es vorhero mit Gummi Waßer überzogen; das Objectum mit Tinte abgezeichnet, sodann das Glas gegen die Fenster- Scheibe gehalten, ein Papier darüber geleget und mit Bleyweiß dasjenige abge- zeichnet wird was auf dem Glase stehet. Sonst ist heute dem Armuth in allen Paroissen, von wegen des Königs, eine Quantitaet Reiß umsonst aus ge- theilet worden, um das Volck bey ietziger Theurung zu Soulagiren, wie dann auch der Preiß des Brodts, um 1/2 Sol aufs Pfund, herunter gefallen ist. Den 29 Königliche Von der heute geschehenen Besichtigung des Königlichen Observatorii, und des Den 30 October Herr Petersen stellete aus dem heutigen Ewangelio vor: das von 9. und einem alten Trunckenbolde zugeredet habe, davon dieser Sünde abzulaßen und wohl zuerwegen, wie leichte er mitten in der Trunckenheit vom Tode könne hingerißen werden. Es habe aber dieser Mann geantwortet: ein trunckener Mensch sey wie ein Kind, das sich selbst nicht helffen könne; in solchem Zustande aber halte unser Herr Gott seine Hand gantz besonders über ihm, daß ihm nichts schaden könne, wie er sich denn dieserwegen auf seine eigne Erfahrung beruffen, der Prediger auch. Herr Petersen versichert habe, daß das gantze Dorf eben dieses vor einen rechten Glau- bens-Articul halte. Herr Frech zeigte Illustrissimo eine von ihm selbst erfundene gantz neue und leichte Art, etwas perspectivisch abzureißen. Es geschiehet solches vermittelst eines Visirs, und eines zwischen dem Objecto und dem Visir aufge- richteten Glases, als auf welches Glas, wenn es vorhero mit Gummi Waßer überzogen; das Objectum mit Tinte abgezeichnet, sodann das Glas gegen die Fenster- Scheibe gehalten, ein Papier darüber geleget und mit Bleyweiß dasjenige abge- zeichnet wird was auf dem Glase stehet. Sonst ist heute dem Armuth in allen Paroissen, von wegen des Königs, eine Quantitaet Reiß umsonst aus ge- theilet worden, um das Volck bey ietziger Theurung zu Soulagiren, wie dann auch der Preiß des Brodts, um ½ Sol aufs Pfund, herunter gefallen ist. Den 29 Königliche Von der heute geschehenen Besichtigung des Königlichen Observatorii, und des Den 30 October Herr Petersen stellete aus dem heutigen Ewangelio vor: das von <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0028"/><fw type="folNum" place="top">9.</fw><lb/> und einem alten <persName xml:id="TidB8703" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Trunckenbolde</persName> zugeredet habe, davon <add place="superlinear">dieser Sünde</add> abzulaßen und wohl zu<lb/> erwegen, wie leichte er mitten in der Trunckenheit vom Tode könne hingerißen<lb/> werden. 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9.
und einem alten Trunckenbolde zugeredet habe, davon dieser Sünde abzulaßen und wohl zu
erwegen, wie leichte er mitten in der Trunckenheit vom Tode könne hingerißen
werden. Es habe aber dieser Mann geantwortet: ein trunckener Mensch sey wie ein
Kind, das sich selbst nicht helffen könne; in solchem Zustande aber halte unser
Herr Gott seine Hand gantz besonders über ihm, daß ihm nichts schaden könne, wie
er sich denn dieserwegen auf seine eigne Erfahrung beruffen, der Prediger auch.
H. Petersen versichert habe, daß das gantze Dorf eben dieses vor einen rechten Glau-
bens-Articul halte. Herr Frech zeigte Illmo eine von ihm selbst erfundene
gantz neue und leichte Art, etwas perspectivisch abzureißen. Es geschiehet solches
vermittelst eines Visirs, und eines zwischen dem Objecto und dem Visir aufge-
richteten Glases, als auf welches Glas, wenn es vorhero mit Gummi Waßer
überzogen; das Objectum mit Tinte abgezeichnet, sodann das Glas gegen die Fenster-
Scheibe gehalten, ein Papier darüber geleget und mit Bleyweiß dasjenige abge-
zeichnet wird was auf dem Glase stehet. Sonst ist heute dem Armuth in
allen Paroissen, von wegen des Königs, eine Quantitaet Reiß umsonst aus ge-
theilet worden, um das Volck bey ietziger Theurung zu Soulagiren, wie
dann auch der Preiß des Brodts, um ½ Sol aufs Pfund, herunter gefallen ist.
Den 29 Octobr:
Von der heute geschehenen Besichtigung des Königl: Observatorii, und des
prächtig erbauten Nonnen-Closters, Val de grace wird deswegen hier
keine Beschreibung gemacht, weil solche von demjenigen, was bereits
aus gedruckten Büchern und auch ehemaligen Diariis bekannt ist, eine
bloße Wiederholung seyn würde. Den Beschluß des Tages machte
man mit einer Promenade au Luxembourg.
Den 30 Octobr:
Herr Petersen stellete aus dem heutigen Ewangelio vor: das von
Gott uns angebotene Gute, und handelte dabey die zwey Fragen
ab: 1) warum solches von denen Wenigsten angenommen werde?
und 2.) was zu deßen Annehmung uns bewegen solle? nach-
mittags aber redete er über den Spruch aus dem Propheten Esaia:
verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt p.
Zu Erfüllung des leeren Platzes ist der ohngefähre Grund-Riß unsers
Apartements in dem Hotel de Modene auf der letzten Seite bey-
gefüget worden, so gut es ohne Linial und Circul gerathen
wollen.
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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