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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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welcher eine Gräfin von Provence zur Gemahlin gehabt, mit
eigner Hand verfertiget, da er nehmlich seine Maitresse nach dem
Tode wieder ausgraben laßen, und halb verfaulet in Lebens-Größe
abgeschildert. Sie stehet aufrecht vor einem hohen Creutz, an welchem
der geöffnete Sarg in die Höhe gelehnet ist, hat eine goldne Kette
um den von Würmern durchfreßenen Hals, und eine wun-
derbare hohe Coiffe von Stroh und Leinwand auf dem Kopf.
Auf einem großen neben ihr gemahlten Zettel stehen alte
Frantzösiche Verse mit Mönchs-Schrift von der facon eben dieses
Königs, deren Innhalt bloß darinnen bestehet, daß die ehemalige
Schönheit dieser Person mit ihrem ietzigen Aussehen in Vergleichung
gestellet, und das Frauen-Zimmer endlich ermahnet wird, seiner
Sterbligkeit eingedenck zu seyn. Es sollen von diesem Könige
sich noch mehrere Gemählde in dieser Landes-Gegend finden.

4.) Die Kirche derer Cordeliers, in welcher der in der frantzösischen
Historie bekannte Louis Berton de Crillon, Surnomme le Brave,
ein schönes Begräbniß monument hat. Er starb den 11 December 1615 und
heist es in der gantz kurtzen Grabschrift: lectear, l'histoire
t'en dira davantage. Die vornehmste Merckwürdigkeit dieser
Kirche aber ist das Grab der schönen und gelehrten Laura,
welche Petrarcha durch seine Verse und sein attachement an
dieselbe in der Welt berühmt gemacht hat. Sie ist aus dem
adelichen Geschlecht de Sade gewesen, und hat auf einem Schloß
bey der Fontaine de Vaucluse gewohnet, welches damals dem
Sadischen Hause zugehöret, dahero auch Petracha in seinen
Gedichten von dieser Fontaine so viel Wercks macht. Sie liegt
etliche Meilen von Avignon, und ist so mächtig, daß sie so fort
bey dem Ursprung sich von hohen Felsen gleich einem Strohm
herunter stürtzet, und sodann einen starcken Bach formiret.
Weil indeßen bey ietziger außerordentlichen Dürre die ge-
dachte Cascade fast gar nicht gangbar ist, so haben wir
eine eigne Reise dahin zu thun nicht werth geachtet. Aber
wieder auf das Grab der Laura zu kommen, so ist solches
mit einem schlechten auf der Erde liegenden Sand-Stein be-
deckt, und die Figur der Dame so wenig, als die Umschrift
mehr zu erkennen. So viel siehet man aber aus einer
andern mit Mönchs-Schrift an der Mauer stehenden Inscription,
daß der Ort, wo sie lieget, eine von dem Hause Sade ge-
stifftete Capelle gewesen. Zu Zeiten Francisci Imi hat man
bey Reparatur der Kirche ihr Grab geöffnet, und eine bleyerne
Schachtel mit einer medaille, auch auf Pergament geschriebene

welcher eine Gräfin von Provence zur Gemahlin gehabt, mit
eigner Hand verfertiget, da er nehmlich seine Maitresse nach dem
Tode wieder ausgraben laßen, und halb verfaulet in Lebens-Größe
abgeschildert. Sie stehet aufrecht vor einem hohen Creutz, an welchem
der geöffnete Sarg in die Höhe gelehnet ist, hat eine goldne Kette
um den von Würmern durchfreßenen Hals, und eine wun-
derbare hohe Coiffe von Stroh und Leinwand auf dem Kopf.
Auf einem großen neben ihr gemahlten Zettel stehen alte
Frantzösiche Verse mit Mönchs-Schrift von der facon eben dieses
Königs, deren Innhalt bloß darinnen bestehet, daß die ehemalige
Schönheit dieser Person mit ihrem ietzigen Aussehen in Vergleichung
gestellet, und das Frauen-Zimmer endlich ermahnet wird, seiner
Sterbligkeit eingedenck zu seyn. Es sollen von diesem Könige
sich noch mehrere Gemählde in dieser Landes-Gegend finden.

4.) Die Kirche derer Cordeliers, in welcher der in der frantzösischen
Historie bekannte Louis Berton de Crillon, Surnommé le Brave,
ein schönes Begräbniß monument hat. Er starb den 11 December 1615 und
heist es in der gantz kurtzen Grabschrift: lectear, l‘histoire
t‘en dira davantage. Die vornehmste Merckwürdigkeit dieser
Kirche aber ist das Grab der schönen und gelehrten Laura,
welche Petrarcha durch seine Verse und sein attachement an
dieselbe in der Welt berühmt gemacht hat. Sie ist aus dem
adelichen Geschlecht de Sade gewesen, und hat auf einem Schloß
bey der Fontaine de Vaucluse gewohnet, welches damals dem
Sadischen Hause zugehöret, dahero auch Petracha in seinen
Gedichten von dieser Fontaine so viel Wercks macht. Sie liegt
etliche Meilen von Avignon, und ist so mächtig, daß sie so fort
bey dem Ursprung sich von hohen Felsen gleich einem Strohm
herunter stürtzet, und sodann einen starcken Bach formiret.
Weil indeßen bey ietziger außerordentlichen Dürre die ge-
dachte Cascade fast gar nicht gangbar ist, so haben wir
eine eigne Reise dahin zu thun nicht werth geachtet. Aber
wieder auf das Grab der Laura zu kommen, so ist solches
mit einem schlechten auf der Erde liegenden Sand-Stein be-
deckt, und die Figur der Dame so wenig, als die Umschrift
mehr zu erkennen. So viel siehet man aber aus einer
andern mit Mönchs-Schrift an der Mauer stehenden Inscription,
daß der Ort, wo sie lieget, eine von dem Hause Sade ge-
stifftete Capelle gewesen. Zu Zeiten Francisci Imi hat man
bey Reparatur der Kirche ihr Grab geöffnet, und eine bleyerne
Schachtel mit einer medaille, auch auf Pergament geschriebene

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[0419] welcher eine Gräfin von Provence zur Gemahlin gehabt, mit eigner Hand verfertiget, da er nehmlich seine Maitresse nach dem Tode wieder ausgraben laßen, und halb verfaulet in Lebens-Größe abgeschildert. Sie stehet aufrecht vor einem hohen Creutz, an welchem der geöffnete Sarg in die Höhe gelehnet ist, hat eine goldne Kette um den von Würmern durchfreßenen Hals, und eine wun- derbare hohe Coiffe von Stroh und Leinwand auf dem Kopf. Auf einem großen neben ihr gemahlten Zettel stehen alte Frantzösiche Verse mit Mönchs-Schrift von der facon eben dieses Königs, deren Innhalt bloß darinnen bestehet, daß die ehemalige Schönheit dieser Person mit ihrem ietzigen Aussehen in Vergleichung gestellet, und das Frauen-Zimmer endl: ermahnet wird, seiner Sterbligkeit eingedenck zu seyn. Es sollen von diesem Könige sich noch mehrere Gemählde in dieser Landes-Gegend finden. 4.) Die Kirche derer Cordeliers, in welcher der in der frantzöl. Historie bekannte Louis Berton de Crillon, Surnommé le Brave, ein schönes Begräbniß monument hat. Er starb d 11 Dec. 1615 und heist es in der gantz kurtzen Grabschrift: lectear, l‘histoire t‘en dira davantage. Die vornehmste Merckwürdigkeit dieser Kirche aber ist das Grab der schönen und gelehrten Laura, welche Petrarcha durch seine Verse und sein attachement an dieselbe in der Welt berühmt gemacht hat. Sie ist aus dem adelichen Geschlecht de Sade gewesen, und hat auf einem Schloß bey der Fontaine de Vaucluse gewohnet, welches damals dem Sadischen Hause zugehöret, dahero auch Petracha in seinen Gedichten von dieser Fontaine so viel Wercks macht. Sie liegt etliche Meilen von Avignon, und ist so mächtig, daß sie so fort bey dem Ursprung sich von hohen Felsen gleich einem Strohm herunter stürtzet, und sodann einen starcken Bach formiret. Weil indeßen bey ietziger außerordentlichen Dürre die ge- dachte Cascade fast gar nicht gangbar ist, so haben wir eine eigne Reise dahin zu thun nicht werth geachtet. Aber wieder auf das Grab der Laura zu kommen, so ist solches mit einem schlechten auf der Erde liegenden Sand-Stein be- deckt, und die Figur der Dame so wenig, als die Umschrift mehr zu erkennen. So viel siehet man aber aus einer andern mit Mönchs-Schrift an der Mauer stehenden Inscription, daß der Ort, wo sie lieget, eine von dem Hause Sade ge- stifftete Capelle gewesen. Zu Zeiten Francisci Imi hat man bey Reparatur der Kirche ihr Grab geöffnet, und eine bleyerne Schachtel mit einer medaille, auch auf Pergament geschriebene

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/419>, abgerufen am 25.11.2024.