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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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in dem Vorraths-Gewölbe die schon von dieser robe fertigen
Stücke und verschiedene andre höchst kostbare piecen. In
dem hiesigen Jesuiter Collegio, dahin wir uns aus der
Fabrique begaben, ist die Bibliothec sehr zahlreich und
wohl rangiret, auch der Saal, deßen Erbauer der be-
rühmte Pere de la Chaise gewesen, überaus groß und propre,
und mit einer Gallerie umgeben, auf welcher die Quar-
tanten und übrigen kleinen Volumina stehen; doch konnten
wir von Büchern nichts zu sehen bekommen, als 1) die
frantzösische große Biebel, allhier zu Lyon bey Jean de Tournes
1551 in folio gedruckt 2) biblia latina cum postillis Nicolai
de Lyra
. Venetiis typis Renner de Hailbrunn 1482 folio 3 Volumina
denn der Bibliothecarius Pere d`Anton oder de Antoniis
verwickelte sich gleich mit uns in einen Religions-Discours bey
Gelegenheit ietztgedachter lateinischen Biebel, als welche er nennete: biblia
ante Lutherum et ante Jesuitas, und hinzusetzte: Messieurs vous
aves un vilain Pere; n'est il pas vrai qu'il etoit debauche,
grand benveur? wir anworteten, daß das meiste von dergleichen
Beschuldigung Calumnien wären, die personal Fehler Lutheri aber,
wenn er auch deren noch so viel gehabt, uns nichts praejudicirten
weil unser Lehre nicht auf Lutherum oder auf die auctoritaet
einigens andern Menschen, sondern auf die Schrift gegründet sey.
Der Jesuit replicirte, wie es doch möglich sey, sich auf die Schrift zu
gründen, welche die allerwenigsten Menschen verstehen könten,
zumal wenn sie der orientalischen Sprachen nicht kundig
wären. Wir erinnerten ihn des bekanten Unterschieds zwischen
denen zur Seeligkeit absolut nötigen, und andern Warheiten,
item, daß ein klarer Spruch viele dunckel scheinende aufs
beste erklären könne. Er continuirete zwar mit dem gewöhnlichen
Einwurff, daß ohne eine decisive auctoritaet in allen
solchen Auslegungen keine Gewisheit zu haben, trieb aber
doch die materie nicht weiter, als ihm remonstriret wurde,
1) daß die auctoritaet der Kirche auf keine andre Weise, als
aus der Schrift erwiesen werden könne, auch von denen catholischen
selbst aus der Schrift vermeintlich erwiesen werde, und man
also nicht absehe, warum dieselbe nur allein zum Beweiß
dieses catholischen Haupt- und Grund-articuls, nicht aber auch zum
Beweiß aller übrigen Glaubens-Lehren hinlänglich seyn solle.
2) daß diese vorgegebene auctoritaet der Kirche, wegen derer

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in dem Vorraths-Gewölbe die schon von dieser robe fertigen
Stücke und verschiedene andre höchst kostbare piecen. In
dem hiesigen Jesuiter Collegio, dahin wir uns aus der
Fabrique begaben, ist die Bibliothec sehr zahlreich und
wohl rangiret, auch der Saal, deßen Erbauer der be-
rühmte Père de la Chaise gewesen, überaus groß und propre,
und mit einer Gallerie umgeben, auf welcher die Quar-
tanten und übrigen kleinen Volumina stehen; doch konnten
wir von Büchern nichts zu sehen bekommen, als 1) die
frantzösische große Biebel, allhier zu Lyon bey Jean de Tournes
1551 in folio gedruckt 2) biblia latina cum postillis Nicolai
de Lyra
. Venetiis typis Renner de Hailbrunn 1482 folio 3 Volumina
denn der Bibliothecarius Père d`Anton oder de Antoniis
verwickelte sich gleich mit uns in einen Religions-Discours bey
Gelegenheit ietztgedachter lateinischen Biebel, als welche er nennete: biblia
ante Lutherum et ante Jesuitas, und hinzusetzte: Messieurs vous
aves un vilain Pere; n’est il pas vrai qu‘il etoit debauché,
grand benveur? wir anworteten, daß das meiste von dergleichen
Beschuldigung Calumnien wären, die personal Fehler Lutheri aber,
wenn er auch deren noch so viel gehabt, uns nichts praejudicirten
weil unser Lehre nicht auf Lutherum oder auf die auctoritaet
einigens andern Menschen, sondern auf die Schrift gegründet sey.
Der Jesuit replicirte, wie es doch möglich sey, sich auf die Schrift zu
gründen, welche die allerwenigsten Menschen verstehen könten,
zumal wenn sie der orientalischen Sprachen nicht kundig
wären. Wir erinnerten ihn des bekanten Unterschieds zwischen
denen zur Seeligkeit absolut nötigen, und andern Warheiten,
item, daß ein klarer Spruch viele dunckel scheinende aufs
beste erklären könne. Er continuirete zwar mit dem gewöhnlichen
Einwurff, daß ohne eine decisive auctoritaet in allen
solchen Auslegungen keine Gewisheit zu haben, trieb aber
doch die materie nicht weiter, als ihm remonstriret wurde,
1) daß die auctoritaet der Kirche auf keine andre Weise, als
aus der Schrift erwiesen werden könne, auch von denen catholischen
selbst aus der Schrift vermeintlich erwiesen werde, und man
also nicht absehe, warum dieselbe nur allein zum Beweiß
dieses catholischen Haupt- und Grund-articuls, nicht aber auch zum
Beweiß aller übrigen Glaubens-Lehren hinlänglich seyn solle.
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[0430] 208 in dem Vorraths-Gewölbe die schon von dieser robe fertigen Stücke und verschiedene andre höchst kostbare piecen. In dem hiesigen Jesuiter Collegio, dahin wir uns aus der Fabrique begaben, ist die Bibliothec sehr zahlreich und wohl rangiret, auch der Saal, deßen Erbauer der be- rühmte P. de la Chaise gewesen, überaus groß und propre, und mit einer Gallerie umgeben, auf welcher die Quar- tanten und übrigen kleinen Volumina stehen; doch konnten wir von Büchern nichts zu sehen bekommen, als 1) die frantzöl: große Biebel, allhier zu Lyon bey Jean de Tournes 1551 in fol: gedruckt 2) biblia latina cum postillis Nicolai de Lyra. Venetiis typis Renner de Hailbrunn 1482 fol. 3 vol: denn der Bibliothecarius P. d`Anton oder de Antoniis verwickelte sich gleich mit uns in einen Religions-Discours bey Gelegenheit ietztgedachter lateinl: Biebel, als welche er nennete: biblia ante Lutherum et ante Jesuitas, und hinzusetzte: Messieurs vous aves un vilain Pere; n’est il pas vrai qu‘il etoit debauché, grand benveur? wir anworteten, daß das meiste von dergl: Beschuldigung Calumnien wären, die personal Fehler Lutheri aber, wenn er auch deren noch so viel gehabt, uns nichts praejudicirten weil unser Lehre nicht auf Lutherum oder auf die auctoritaet einigens andern Menschen, sondern auf die Schrift gegründet sey. Der Jesuit replicirte, wie es doch möglich sey, sich auf die Schrift zu gründen, welche die allerwenigsten Menschen verstehen könten, zumal wenn sie der orientalischen Sprachen nicht kundig wären. Wir erinnerten ihn des bekanten Unterschieds zwischen denen zur Seeligkeit absolut nötigen, und andern Warheiten, item, daß ein klarer Spruch viele dunckel scheinende aufs beste erklären könne. Er continuirete zwar mit dem gewöhnl: Einwurff, daß ohne eine decisive auctoritaet in allen solchen Auslegungen keine Gewisheit zu haben, trieb aber doch die materie nicht weiter, als ihm remonstriret wurde, 1) daß die auctoritaet der Kirche auf keine andre Weise, als aus der Schrift erwiesen werden könne, auch von denen catholischen selbst aus der Schrift vermeintlich erwiesen werde, und man also nicht absehe, warum dieselbe nur allein zum Beweiß dieses catholischen Haupt- und Grund-articuls, nicht aber auch zum Beweiß aller übrigen Glaubens-Lehren hinlänglich seyn solle. 2) daß diese vorgegebene auctoritaet der Kirche, wegen derer

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/430>, abgerufen am 26.11.2024.