Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite

17
um Christi willen vergeben, und daraus ia keine Entschuldigung
vor sich nehmen möchte, den Ernst in seinem Christenthum
nicht vor, so gar nöthig zu halten. Es wurde dabey von denen
Zuhörern nicht wenig Thränen vergoßen, und er selbst hatte
Mühe sich des Ausbruchs derselben zu enthalten. Man
hoffet, diese und andere seine Predigten nachgeschrieben zu
bekommen, will also vor ietzt daraus weiter nichts referiren.
Nach der Kirche gingen wir mit dem Dähnischen Gesandten,
welcher gestern von Fontainbleau zurückkommen, in sein
Zimmer, und wurden von ihm ungemein freundlich und
mit vielen Offerten aller möglichen Dienste und Gefällig-
keiten entreteniret. Nachmittags fuhrenhohlten wir den Marquis
de Montbrun, dem von ihm an Illustrissimum geschriebenen
billet zu folge, in seinem Hause ab, und wurden durch
denselben bey dem Gouverneur von Paris Duc de Gevres,
welcher auch den Heiligen Geist-Orden hat, praesentiret. Er
hat, als hiesiger Gouverneur eine eigne Guarde zu
Pferde, roth gekleidet und mit Silber chamariret, davon
5 Mann nebst einem Unter-Officier, in dem äußersten
Vor-Saal paradirten. Das acueit war sehr höflich und
freundlich, und befanden sich mit gegenwärtig des
Ducs Mutter und zwey von seinen Brüdern, deren einer
ein Officier, und der andre Eveque de Bauvais ist. Nach
uns fand sich auch der General-Lieutenant, Comte de la Motte
ein, und roulirten die meisten Discourse auf der magni-
fiquen Einrichtung des Hotels; wie denn der Duc selbsten
uns in einige neu angelegte Apartements führte, in
welchen er eine ziemliche Anzahl Indianischer kleinen
Vögel sitzen hatte. Die boiserie der Zimmer war weiß
und ungemein prächtig verguldet, in dem einen aber
das merckwürdigste Stück, dasjenige Bette, worauf Louis XIV
gestorben, deßen Fond roth mit goldenen Blumen aufs
reichste durchwürcket, und die Tapete von eben solchem
Zeuge war. Wir wurden von dem Duc berichtet, daß
er dieses Bette seiner damaligen Hof-Charge wegen,

17
um Christi willen vergeben, und daraus ia keine Entschuldigung
vor sich nehmen möchte, den Ernst in seinem Christenthum
nicht vor, so gar nöthig zu halten. Es wurde dabey von denen
Zuhörern nicht wenig Thränen vergoßen, und er selbst hatte
Mühe sich des Ausbruchs derselben zu enthalten. Man
hoffet, diese und andere seine Predigten nachgeschrieben zu
bekommen, will also vor ietzt daraus weiter nichts referiren.
Nach der Kirche gingen wir mit dem Dähnischen Gesandten,
welcher gestern von Fontainbleau zurückkommen, in sein
Zimmer, und wurden von ihm ungemein freundlich und
mit vielen Offerten aller möglichen Dienste und Gefällig-
keiten entreteniret. Nachmittags fuhrenhohlten wir den Marquis
de Montbrun, dem von ihm an Illustrissimum geschriebenen
billet zu folge, in seinem Hause ab, und wurden durch
denselben bey dem Gouverneur von Paris Duc de Gêvres,
welcher auch den Heiligen Geist-Orden hat, praesentiret. Er
hat, als hiesiger Gouverneur eine eigne Guarde zu
Pferde, roth gekleidet und mit Silber chamariret, davon
5 Mann nebst einem Unter-Officier, in dem äußersten
Vor-Saal paradirten. Das acueit war sehr höflich und
freundlich, und befanden sich mit gegenwärtig des
Ducs Mutter und zwey von seinen Brüdern, deren einer
ein Officier, und der andre Evêque de Bauvais ist. Nach
uns fand sich auch der General-Lieutenant, Comte de la Motte
ein, und roulirten die meisten Discourse auf der magni-
fiquen Einrichtung des Hôtels; wie denn der Duc selbsten
uns in einige neu angelegte Apartements führte, in
welchen er eine ziemliche Anzahl Indianischer kleinen
Vögel sitzen hatte. Die boiserie der Zimmer war weiß
und ungemein prächtig verguldet, in dem einen aber
das merckwürdigste Stück, dasjenige Bette, worauf Louis XIV
gestorben, deßen Fond roth mit goldenen Blumen aufs
reichste durchwürcket, und die Tapéte von eben solchem
Zeuge war. Wir wurden von dem Duc berichtet, daß
er dieses Bette seiner damaligen Hof-Charge wegen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0044"/><fw type="folNum" place="top">17</fw><lb/>
um Christi willen vergeben, und daraus ia keine Entschuldigung<lb/>
vor sich nehmen möchte, den Ernst in seinem Christenthum<lb/>
nicht vor, so gar nöthig zu halten. Es wurde dabey von denen<lb/>
Zuhörern nicht wenig Thränen vergoßen, und er selbst hatte<lb/>
Mühe sich des Ausbruchs derselben zu enthalten. Man<lb/>
hoffet, diese und andere seine Predigten nachgeschrieben zu<lb/>
bekommen, will also vor ietzt daraus weiter nichts referiren.<lb/>
Nach der Kirche gingen wir mit dem Dähnischen Gesandten,<lb/>
welcher gestern von <placeName xml:id="TidB9093" corresp="register.xml#regID_66.lemID_11918" ref="http://d-nb.info/gnd/4093055-5">Fontainbleau</placeName> zurückkommen, in sein<lb/>
Zimmer, und wurden von ihm ungemein freundlich und<lb/>
mit vielen Offerten aller möglichen Dienste und Gefällig-<lb/>
keiten entreteniret. Nachmittags <subst><del rendition="#ow">fuhren</del><add place="across">hohlten</add></subst> wir den Marquis<lb/><persName xml:id="TidB9095" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10031">de Montbrun</persName>, dem von ihm an <choice><abbr><persName xml:id="TidB9096" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10000" ref="http://d-nb.info/gnd/129906689">Ill<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">mum</hi></hi></persName></abbr><expan>Illustrissimum</expan></choice> geschriebenen<lb/>
billet zu folge, in seinem Hause ab, und wurden durch<lb/>
denselben bey dem Gouverneur von <placeName xml:id="TidB9098" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10004" ref="http://d-nb.info/gnd/4044660-8">Paris</placeName> Duc <persName xml:id="TidB9101" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10002" ref="http://d-nb.info/gnd/117732214">de Gêvres</persName>,<lb/>
welcher auch den <name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB9100" corresp="register.xml#regID_502.lemID_11842" ref="http://d-nb.info/gnd/4439265-5"><choice><abbr>Heil:</abbr><expan>Heiligen</expan></choice> Geist-Orden</name> hat, praesentiret. Er<lb/>
hat, als hiesiger Gouverneur eine eigne Guarde zu<lb/>
Pferde, roth gekleidet und mit Silber chamariret, davon<lb/>
5 Mann nebst einem Unter-Officier, in dem äußersten<lb/>
Vor-Saal paradirten. Das acueit war sehr höflich und<lb/>
freundlich, und befanden sich mit gegenwärtig des<lb/>
Ducs Mutter und zwey von seinen Brüdern, deren einer<lb/>
ein <persName xml:id="TidB9102" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12054">Officier</persName>, und der andre <persName xml:id="TidB9103" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12055">Evêque de Bauvais</persName> ist. Nach<lb/>
uns fand sich auch der General-Lieutenant, Comte <persName xml:id="TidB9104" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12056">de la Motte</persName><lb/>
ein, und roulirten die meisten Discourse auf der magni-<lb/>
fiquen Einrichtung des Hôtels; wie denn der <persName xml:id="TidB9105" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10002" ref="http://d-nb.info/gnd/117732214">Duc</persName> selbsten<lb/>
uns in einige neu angelegte Apartements führte, in<lb/>
welchen er eine ziemliche Anzahl Indianischer kleinen<lb/>
Vögel sitzen hatte. Die boiserie der Zimmer war weiß<lb/>
und ungemein prächtig verguldet, in dem einen aber<lb/>
das merckwürdigste Stück, dasjenige Bette, worauf <persName xml:id="TidB9106" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10090">Louis XIV</persName><lb/>
gestorben, deßen Fond roth mit goldenen Blumen aufs<lb/>
reichste durchwürcket, und die Tapéte von eben solchem<lb/>
Zeuge war. Wir wurden von dem <persName xml:id="TidB9107" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10002" ref="http://d-nb.info/gnd/117732214">Duc</persName> berichtet, daß<lb/>
er dieses Bette seiner damaligen Hof-Charge wegen,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] 17 um Christi willen vergeben, und daraus ia keine Entschuldigung vor sich nehmen möchte, den Ernst in seinem Christenthum nicht vor, so gar nöthig zu halten. Es wurde dabey von denen Zuhörern nicht wenig Thränen vergoßen, und er selbst hatte Mühe sich des Ausbruchs derselben zu enthalten. Man hoffet, diese und andere seine Predigten nachgeschrieben zu bekommen, will also vor ietzt daraus weiter nichts referiren. Nach der Kirche gingen wir mit dem Dähnischen Gesandten, welcher gestern von Fontainbleau zurückkommen, in sein Zimmer, und wurden von ihm ungemein freundlich und mit vielen Offerten aller möglichen Dienste und Gefällig- keiten entreteniret. Nachmittags hohlten wir den Marquis de Montbrun, dem von ihm an Illmum geschriebenen billet zu folge, in seinem Hause ab, und wurden durch denselben bey dem Gouverneur von Paris Duc de Gêvres, welcher auch den Heil: Geist-Orden hat, praesentiret. Er hat, als hiesiger Gouverneur eine eigne Guarde zu Pferde, roth gekleidet und mit Silber chamariret, davon 5 Mann nebst einem Unter-Officier, in dem äußersten Vor-Saal paradirten. Das acueit war sehr höflich und freundlich, und befanden sich mit gegenwärtig des Ducs Mutter und zwey von seinen Brüdern, deren einer ein Officier, und der andre Evêque de Bauvais ist. Nach uns fand sich auch der General-Lieutenant, Comte de la Motte ein, und roulirten die meisten Discourse auf der magni- fiquen Einrichtung des Hôtels; wie denn der Duc selbsten uns in einige neu angelegte Apartements führte, in welchen er eine ziemliche Anzahl Indianischer kleinen Vögel sitzen hatte. Die boiserie der Zimmer war weiß und ungemein prächtig verguldet, in dem einen aber das merckwürdigste Stück, dasjenige Bette, worauf Louis XIV gestorben, deßen Fond roth mit goldenen Blumen aufs reichste durchwürcket, und die Tapéte von eben solchem Zeuge war. Wir wurden von dem Duc berichtet, daß er dieses Bette seiner damaligen Hof-Charge wegen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/44
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/44>, abgerufen am 21.11.2024.