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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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durch Verstopffung deßselben einen lac verursachet, welcher ver-
schiedene Häuser überschwemmet hat, so, daß nunmehro gedachter
sonst sehr schneller Fluß an diesem Ort sehr langsam hindurch
schleichet. Das Mittags-Quartier war zu Modane und passireten
wir Nachmittags bey der auf einer schrecklichen precipice
stehenden Chapelle de Saint Andre vorbey. Das darinn hängende
Bild, unter welchem ex voto 1681 angeschrieben stehet, stellet
einen Mann vor, welcher vor der in denen Wolcken er-
scheinenden notre Dame de Loretto auf den Knien lieget. Neben
ihm ist sein mit denen vörder Füßen in die Höhe gerichtetes
Pferd zu sehen. Es soll dieser Mann ein Courier gewesen
seyn, der des Nachts mit seinem Pferde von dieser Höhe
herunter gestürtzet, weil er sich aber im Stürtzen gedachter
seiner Patronin empfohlen, nicht den geringsten Leibes Schaden
genommen, sondern nur sein Pferd das Creutz gebrochen.
Abends gelangeten wir an dem Fuß des hochberühmten Mont
Senis
in dem Flecken Lanebourg glücklich an, nachdem
wir bereits gestern früh einige Gebürge auf denen Spitzen
mit Schnee bedeckt gesehen, auch diesen Nachmittag gantz
spitzige Schnee-Luft empfunden. So viel wir auf unsrer
bisherigen Reise durch den Augenschein wahrgenommen, ist

Savoyen
ein rechtes Helden-Land, darinn die Wollust kein Futter fin-
det. Die zwischen denen Gebürgen gelegene kleine Thäler
geben zwar etwas Getreyde und noch mehr Wiesenwachs, ia
die Arbeitsamkeit derer Einwohner hat auch die Gebürge selbst
so weit es nur immer der Boden zugelaßen, möglichst
cultiviret, wie denn der zu Montmelian und Saint Jean de
Morienne
wachsende Wein nicht zu verachten, auch hin
und wieder gute Vieh-Zucht wahrzunehmen ist. Alles
dieses aber sind dennoch Kleinigkeiten in Vergleichung des
allergrösten Theils dieses Hertzogthums, als welchen in
hohen unfruchtbaren Felsen-Gebürgen und Kluften be-
stehet, deren eintzige Frucht etwan ein Mooß oder ein
Buschwerck ist. Die zwischen solchen Gebürgen herunter
rauschende Cascaden finden sich hier in großer Menge,
die precipicen aber, welche man zu passiren hat, sind
noch viel häuffiger, und werden einem auf die letzte so
gewöhnlich, daß man davon keine weitere apprehension
macht. Von allen diesen Umständen ist die Armuth der

durch Verstopffung deßselben einen lac verursachet, welcher ver-
schiedene Häuser überschwemmet hat, so, daß nunmehro gedachter
sonst sehr schneller Fluß an diesem Ort sehr langsam hindurch
schleichet. Das Mittags-Quartier war zu Modane und passireten
wir Nachmittags bey der auf einer schrecklichen precipice
stehenden Chapelle de Saint André vorbey. Das darinn hängende
Bild, unter welchem ex voto 1681 angeschrieben stehet, stellet
einen Mann vor, welcher vor der in denen Wolcken er-
scheinenden nôtre Dame de Loretto auf den Knien lieget. Neben
ihm ist sein mit denen vörder Füßen in die Höhe gerichtetes
Pferd zu sehen. Es soll dieser Mann ein Courier gewesen
seyn, der des Nachts mit seinem Pferde von dieser Höhe
herunter gestürtzet, weil er sich aber im Stürtzen gedachter
seiner Patronin empfohlen, nicht den geringsten Leibes Schaden
genommen, sondern nur sein Pferd das Creutz gebrochen.
Abends gelangeten wir an dem Fuß des hochberühmten Mont
Senis
in dem Flecken Lanebourg glücklich an, nachdem
wir bereits gestern früh einige Gebürge auf denen Spitzen
mit Schnee bedeckt gesehen, auch diesen Nachmittag gantz
spitzige Schnee-Luft empfunden. So viel wir auf unsrer
bisherigen Reise durch den Augenschein wahrgenommen, ist

Savoyen
ein rechtes Helden-Land, darinn die Wollust kein Futter fin-
det. Die zwischen denen Gebürgen gelegene kleine Thäler
geben zwar etwas Getreyde und noch mehr Wiesenwachs, ia
die Arbeitsamkeit derer Einwohner hat auch die Gebürge selbst
so weit es nur immer der Boden zugelaßen, möglichst
cultiviret, wie denn der zu Montmelian und Saint Jean de
Morienne
wachsende Wein nicht zu verachten, auch hin
und wieder gute Vieh-Zucht wahrzunehmen ist. Alles
dieses aber sind dennoch Kleinigkeiten in Vergleichung des
allergrösten Theils dieses Hertzogthums, als welchen in
hohen unfruchtbaren Felsen-Gebürgen und Kluften be-
stehet, deren eintzige Frucht etwan ein Mooß oder ein
Buschwerck ist. Die zwischen solchen Gebürgen herunter
rauschende Cascaden finden sich hier in großer Menge,
die precipicen aber, welche man zu passiren hat, sind
noch viel häuffiger, und werden einem auf die letzte so
gewöhnlich, daß man davon keine weitere apprehension
macht. Von allen diesen Umständen ist die Armuth der

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[0449] durch Verstopffung deßselben einen lac verursachet, welcher ver- schiedene Häuser überschwemmet hat, so, daß nunmehro gedachter sonst sehr schneller Fluß an diesem Ort sehr langsam hindurch schleichet. Das Mittags-Quartier war zu Modane und passireten wir Nachmittags bey der auf einer schrecklichen precipice stehenden Chapelle de St. André vorbey. Das darinn hängende Bild, unter welchem ex voto 1681 angeschrieben stehet, stellet einen Mann vor, welcher vor der in denen Wolcken er- scheinenden nôtre Dame de Loretto auf den Knien lieget. Neben ihm ist sein mit denen vörder Füßen in die Höhe gerichtetes Pferd zu sehen. Es soll dieser Mann ein Courier gewesen seyn, der des Nachts mit seinem Pferde von dieser Höhe herunter gestürtzet, weil er sich aber im Stürtzen gedachter seiner Patronin empfohlen, nicht den geringsten Leibes Schaden genommen, sondern nur sein Pferd das Creutz gebrochen. Abends gelangeten wir an dem Fuß des hochberühmten Mont Senis in dem Flecken Lanebourg glücklich an, nachdem wir bereits gestern früh einige Gebürge auf denen Spitzen mit Schnee bedeckt gesehen, auch diesen Nachmittag gantz spitzige Schnee-Luft empfunden. So viel wir auf unsrer bisherigen Reise durch den Augenschein wahrgenommen, ist Savoyen ein rechtes Helden-Land, darinn die Wollust kein Futter fin- det. Die zwischen denen Gebürgen gelegene kleine Thäler geben zwar etwas Getreyde und noch mehr Wiesenwachs, ia die Arbeitsamkeit derer Einwohner hat auch die Gebürge selbst so weit es nur immer der Boden zugelaßen, möglichst cultiviret, wie denn der zu Montmelian und St. Jean de Morienne wachsende Wein nicht zu verachten, auch hin und wieder gute Vieh-Zucht wahrzunehmen ist. Alles dieses aber sind dennoch Kleinigkeiten in Vergleichung des allergrösten Theils dieses Hertzogthums, als welche in hohen unfruchtbaren Felsen-Gebürgen und Kluften be- stehet, deren eintzige Frucht etwan ein Mooß oder ein Buschwerck ist. Die zwischen solchen Gebürgen herunter rauschende Cascaden finden sich hier in großer Menge, die precipicen aber, welche man zu passiren hat, sind noch viel häuffiger, und werden einem auf die letzte so gewöhnlich, daß man davon keine weitere apprehension macht. Von allen diesen Umständen ist die Armuth der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/449>, abgerufen am 27.11.2024.