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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Mutter-Sprache sehr unterschieden sind) hat man ihm nach gra-
maticalischen Regeln beygebracht, und ist sodann erst zur lateinischen
geschritten, um solchergestalt die gedoppelte Schwierigkeit, da man sonst
die Gramaticalischen Terminos und eine linguam mortuam zu gleichen
Zeit lernen muß, in eine einfache zu verwandeln, wie denn
der Chevalier versicherte, daß diese methode bey dem Printzen überaus
wohl reussiret und ihm die latinitaet sehr erleichtert habe, so, daß er
nicht nur seinen autorem verstehe, sondern auch schon recht fein
übersetze. Von autoribus hat er zuerst den Phaedrum, sodann Julius
Caesarem
und ferner Salustium gelesen, dabey man abermal den
Vortheil gebrauchet, daß man ihn zuvor den Innhalt dieser autorum
aus Frantzösischen Büchern lesen laßen, als wodurch ihm die lateinische
lection viel schmackhaffter, und er immer begieriger worden, das ihm
schon en general bekannte aus dem lateinischen autore desto genauer
und umständlicher zu erlernen. Die Historie wird ihm nicht
mündlich proponiret, sondern er lieset die vor ihn ausgesuchten
Bücher selbst laut, und in Beyseyn des Instructoris, welcher mit
ihm im Vorlesen abwechselt, und sodann wird über das Gelesene
ein Gespräch, und die nötige Repetition von Zeit zu Zeit gehalten.
Mit des seeligen Rollin histoire ancienne hat er den Anfang gemacht,
auch deßen histoire Romaine, so weit sie heraus ist, gebrauchet und
zur weitern universal Historie sind ihm andre Frantzösische Bücher
in die Hände gegeben worden. Ietzo hat man mit der Völcker-Historie
den Anfang gemacht, wird auch zu seiner Zeit die teutsche Reichs-
Historie mit besondrer application vornehmen, wozu denn, auf
Begehren des Chevaliers, ein paar Bücher vorgeschlagen wurden,
deren schriftliche Aufsetzung er sich ausbat. Auf Befragen, ob dem
Printzen auch von der Kirchen-Historie etwas beygebracht, und er
sonderlich in der Haupt-materie von der Geist= und weltlichen Ge-
walt schon unterrichtet werde?, gab er die Nachricht, daß man sich
noch zur Zeit begnügen laße, ihm nur überhaupt zu inculciren,
daß das Temporel derer Souverains lediglich von Gott dependire,
pour les dogmes aber der Pabst und die Kirche zu respectiren sey.

Den 16 October

Speiseten wir Mittags bey dem Neapolitanischen Ambassadeur,
in Gesellschaft des Spanischen Ambassadeurs, des alten Marechal
von Rehbinder und seiner jungen Frauen, wie auch des Comte
d'Alsiere. Der Marechal versicherte, daß eine solche kleine Tafel
ihm eben recht sey, und er bey keiner großen mehr zu Gaste gehe,
weil es ihm ungelegen falle, enge zu sitzen und kalt zu eßen.
Der Hauswirth erwiederte, daß er nebst der kleinen Tafel dem
Herrn Marechal auch das plaisir der Landsmannschafft machen wollen,
und uns deswegen mit gebeten habe. Wovor jener sich bedanckte,

Mutter-Sprache sehr unterschieden sind) hat man ihm nach gra-
maticalischen Regeln beygebracht, und ist sodann erst zur lateinischen
geschritten, um solchergestalt die gedoppelte Schwierigkeit, da man sonst
die Gramaticalischen Terminos und eine linguam mortuam zu gleichen
Zeit lernen muß, in eine einfache zu verwandeln, wie denn
der Chevalier versicherte, daß diese methode bey dem Printzen überaus
wohl reussiret und ihm die latinitaet sehr erleichtert habe, so, daß er
nicht nur seinen autorem verstehe, sondern auch schon recht fein
übersetze. Von autoribus hat er zuerst den Phaedrum, sodann Julius
Caesarem
und ferner Salustium gelesen, dabey man abermal den
Vortheil gebrauchet, daß man ihn zuvor den Innhalt dieser autorum
aus Frantzösischen Büchern lesen laßen, als wodurch ihm die lateinische
lection viel schmackhaffter, und er immer begieriger worden, das ihm
schon en general bekannte aus dem lateinischen autore desto genauer
und umständlicher zu erlernen. Die Historie wird ihm nicht
mündlich proponiret, sondern er lieset die vor ihn ausgesuchten
Bücher selbst laut, und in Beyseyn des Instructoris, welcher mit
ihm im Vorlesen abwechselt, und sodann wird über das Gelesene
ein Gespräch, und die nötige Repetition von Zeit zu Zeit gehalten.
Mit des seeligen Rollin histoire ancienne hat er den Anfang gemacht,
auch deßen histoire Romaine, so weit sie heraus ist, gebrauchet und
zur weitern universal Historie sind ihm andre Frantzösische Bücher
in die Hände gegeben worden. Ietzo hat man mit der Völcker-Historie
den Anfang gemacht, wird auch zu seiner Zeit die teutsche Reichs-
Historie mit besondrer application vornehmen, wozu denn, auf
Begehren des Chevaliers, ein paar Bücher vorgeschlagen wurden,
deren schriftliche Aufsetzung er sich ausbat. Auf Befragen, ob dem
Printzen auch von der Kirchen-Historie etwas beygebracht, und er
sonderlich in der Haupt-materie von der Geist= und weltlichen Ge-
walt schon unterrichtet werde?, gab er die Nachricht, daß man sich
noch zur Zeit begnügen laße, ihm nur überhaupt zu inculciren,
daß das Temporel derer Souverains lediglich von Gott dependire,
pour les dogmes aber der Pabst und die Kirche zu respectiren sey.

Den 16 October

Speiseten wir Mittags bey dem Neapolitanischen Ambassadeur,
in Gesellschaft des Spanischen Ambassadeurs, des alten Marechal
von Rehbinder und seiner jungen Frauen, wie auch des Comte
d'Alsiere. Der Marechal versicherte, daß eine solche kleine Tafel
ihm eben recht sey, und er bey keiner großen mehr zu Gaste gehe,
weil es ihm ungelegen falle, enge zu sitzen und kalt zu eßen.
Der Hauswirth erwiederte, daß er nebst der kleinen Tafel dem
Herrn Marechal auch das plaisir der Landsmannschafft machen wollen,
und uns deswegen mit gebeten habe. Wovor jener sich bedanckte,

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[0483] Mutter-Sprache sehr unterschieden sind) hat man ihm nach gra- maticalischen Regeln beygebracht, und ist sodann erst zur lateinischen geschritten, um solchergestalt die gedoppelte Schwierigkeit, da man sonst die Gramaticalischen Terminos und eine linguam mortuam zu gleichen Zeit lernen muß, in eine einfache zu verwandeln, wie denn der Chevalier versicherte, daß diese methode bey dem Printzen überaus wohl reussiret und ihm die latinitaet sehr erleichtert habe, so, daß er nicht nur seinen autorem verstehe, sondern auch schon recht fein übersetze. Von autoribus hat er zuerst den Phaedrum, sodann Julius Caesarem und ferner Salustium gelesen, dabey man abermal den Vortheil gebrauchet, daß man ihn zuvor den Innhalt dieser autorum aus Frantzöl: Büchern lesen laßen, als wodurch ihm die lateinische lection viel schmackhaffter, und er immer begieriger worden, das ihm schon en general bekannte aus dem lateinischen autore desto genauer und umständlicher zu erlernen. Die Historie wird ihm nicht mündlich proponiret, sondern er lieset die vor ihn ausgesuchten Bücher selbst laut, und in Beyseyn des Instructoris, welcher mit ihm im Vorlesen abwechselt, und sodann wird über das Gelesene ein Gespräch, und die nötige Repetition von Zeit zu Zeit gehalten. Mit des seel: Rollin histoire ancienne hat er den Anfang gemacht, auch deßen histoire Romaine, so weit sie heraus ist, gebrauchet und zur weitern universal Historie sind ihm andre Frantzöl: Bücher in die Hände gegeben worden. Ietzo hat man mit der Völcker-Historie den Anfang gemacht, wird auch zu seiner Zeit die teutsche Reichs- Historie mit besondrer application vornehmen, wozu denn, auf Begehren des Chevaliers, ein paar Bücher vorgeschlagen wurden, deren schriftl: Aufsetzung er sich ausbat. Auf Befragen, ob dem Printzen auch von der Kirchen-Historie etwas beygebracht, und er sonderlich in der Haupt-materie von der Geist= und weltlichen Ge- walt schon unterrichtet werde?, gab er die Nachricht, daß man sich noch zur Zeit begnügen laße, ihm nur überhaupt zu inculciren, daß das Temporel derer Souverains lediglich von Gott dependire, pour les dogmes aber der Pabst und die Kirche zu respectiren sey. Den 16 Octobr: Speiseten wir Mittags bey dem Neapolitanischen Ambassadeur, in Gesellschaft des Spanischen Ambassadeurs, des alten Marechal von Rehbinder und seiner jungen Frauen, wie auch des Comte d'Alsiere. Der Marechal versicherte, daß eine solche kleine Tafel ihm eben recht sey, und er bey keiner großen mehr zu Gaste gehe, weil es ihm ungelegen falle, enge zu sitzen und kalt zu eßen. Der Hauswirth erwiederte, daß er nebst der kleinen Tafel dem Hn: Marechal auch das plaisir der Landsmannschafft machen wollen, und uns deswegen mit gebeten habe. Wovor jener sich bedanckte,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/483>, abgerufen am 25.11.2024.