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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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und sein jüngster Sohn der Chevalier. So serieux er sonst zu seyn pfleget, so mun-
ter war er dismal, und da er gantzer 10 Jahr in Wien ehemals hiesiger Abgesandter
gewesen, so war der gantze discours vor, bey und nach der Tafel von dortigen Personen
und affairen, überhaupt auch von dem gantzen teutschen Wesen, wovon der Marquis
sehr gut informiret ist, auch gantz wohl teutsch sprechen und noch beßer schreiben kan.
Wie er denn nicht weniger vor die Teutschen und ihre Landes- und Lebens-Art über-
aus portiret ist. Seine Familie versicherte uns, daß er sonst iederzeit alleine, und
nicht mit ihnen eße, heute also bloß aus Liebe zu uns und unserm Vaterlande diesen
excess mache. Der gedachte Abbe approbirete den ehemals erwehnten Vorschlag des Je-
suiten
zu Lyon, bey dem Pabst audientz zu nehmen, communicirte uns auch deßelben
in etlichen Folianten bestehendes Buch de Servorum Dei beatificatione et beatorum
canonisatione
, zu Bononien 1734 gedruckt, welches er von dem premier Ministre
entlehnet, an den sowol, als an den König selbst der Pabst solches zum Present über-
schicket hat. Nachdem wir noch bey dem Marquis Cassini gewesen, um vor die Introduction
zur Abschied-audientz beym Könige uns zu bedancken, wurde gegen Abend noch die
kleine Gesellschafft beym Marechal Rehbinder besuchet, wo der Abbe de Saint Innocent,
Comte de Marsigli und Graf Flemming auch gegenwärtig waren. Von dem letztern
ist in vorigen Tagen folgendes anzumercken vergeßen worden,: Als er und wir
bey Hofe mit dem Frantzösischen Ambassedeur von der teutschen Staats-Verfaßung
redeten, und der Ambassadeur sich wunderte, daß Illustrissimus sowol, als der Graf so gut
Frantzösisch zu sprechen wüsten, da er doch sonst gehöret, daß denen Ober-Sachsen
die Frantzösische Aussprache und der accent am schwehrsten falle, so antwortete ihm
schon gedachter Graf Flemming: de nous deux il n' y a ni l'un ni l'antre Saxon; je
suis sujet du Roi de Prusse, et le Comte Reuss est de l'Empire, welches gute Bekäntniß
denn weiter von uns erkläret, und der Unterschied zwischen dem Obersächsischen Creiß
und denen Churfürstlichen Landen dem Ambassadeur gezeiget wurde. Auf den Mare-
chal Rehbinder wider zu kommen, so erzehlete er, wie einsmals ein Frantzösischer Officier
dem 6 Maul-Thiere durch eine Savoysche Parthey weggenommen worden, ihn um deren
Restitution beweglich ersuchet; er aber von der Gelegenheit profitiret habe, bey
Restituirung dieser Thiere einen Officier und einen sehr guten ingenieur, beyde in
Maul-Esel Treiber verkleidet, mit zu schicken, welche ihm dann bey der Retour
von der gantzen Situation der feindlichen armee gründlich informiren können. Sonst
habe er von gemeinen Espions iederzeit 3 bis 4 gehalten, derer keiner den anderen
gekennet, da er denn aus Gegeneinanderhaltung derer verschiedenen Relatio-
nen allemal zuverläßigere Nachricht gehabt, als wenn er einem solchen Schelm
allein getrauet hätte. Der vorige König, dem er das Zeugniß gab, daß er selbst
den Krieg verstanden nur aber zu hitzig gewesen, habe ihm überaus gedancket,
als er ihm den Rath gegeben, vor die im Felde stehende armee Zwieback backen
zu laßen; denn da ein Maul-Thier accurat noch einmal so viel Zwieback,
als ordentliches Commiss-Brodt auf sich tragen könne, so sey dadurch die Helffte derer
Maul-Thiere bey der armee erspahret worden. Und da der Zwieback sich auch
viel länger halte, so habe man allemal wenigstens 2 Monathe in Vorrath ge-
backen, und solchen Vorrath in denen der armee am nächsten gelegenen Festung
immer prompt bey der Hand gehabt. Bey der Marquise de Borgeal, woselbst dieser
Abend beschloßen wurde, wolten einige davor halten, daß der Marsch derer Truppen
aus Mayland nicht nach Tyrol, sondern nach Modena gehen werde, weil dieser
kleine Hertzog ein Corps von 10 oder, wie andre wolten, gar von 18000 Mann mit
Spanischem Gelde zusammen gebracht habe, deren sich diese Crone zu Occupirung derer
Oesterreichischen Provintzien in Italien mit bedienen wolle. Da es nun lauter zu-
sammengerafft Volck sey, daß noch zur Zeit mit denen Waffen nicht umzugehen
wiße, so erfordere das Österreichische Interesse nothwendig, diese Brut, ehe sie
zu rechten Kräfften käme, zu ersticken.

und sein jüngster Sohn der Chevalier. So serieux er sonst zu seyn pfleget, so mun-
ter war er dismal, und da er gantzer 10 Jahr in Wien ehemals hiesiger Abgesandter
gewesen, so war der gantze discours vor, bey und nach der Tafel von dortigen Personen
und affairen, überhaupt auch von dem gantzen teutschen Wesen, wovon der Marquis
sehr gut informiret ist, auch gantz wohl teutsch sprechen und noch beßer schreiben kan.
Wie er denn nicht weniger vor die Teutschen und ihre Landes- und Lebens-Art über-
aus portiret ist. Seine Familie versicherte uns, daß er sonst iederzeit alleine, und
nicht mit ihnen eße, heute also bloß aus Liebe zu uns und unserm Vaterlande diesen
excess mache. Der gedachte Abbé approbirete den ehemals erwehnten Vorschlag des Je-
suiten
zu Lyon, bey dem Pabst audientz zu nehmen, communicirte uns auch deßelben
in etlichen Folianten bestehendes Buch de Servorum Dei beatificatione et beatorum
canonisatione
, zu Bononien 1734 gedruckt, welches er von dem premier Ministre
entlehnet, an den sowol, als an den König selbst der Pabst solches zum Present über-
schicket hat. Nachdem wir noch bey dem Marquis Cassini gewesen, um vor die Introduction
zur Abschied-audientz beym Könige uns zu bedancken, wurde gegen Abend noch die
kleine Gesellschafft beym Marechal Rehbinder besuchet, wo der Abbé de Saint Innocent,
Comte de Marsigli und Graf Flemming auch gegenwärtig waren. Von dem letztern
ist in vorigen Tagen folgendes anzumercken vergeßen worden,: Als er und wir
bey Hofe mit dem Frantzösischen Ambassedeur von der teutschen Staats-Verfaßung
redeten, und der Ambassadeur sich wunderte, daß Illustrissimus sowol, als der Graf so gut
Frantzösisch zu sprechen wüsten, da er doch sonst gehöret, daß denen Ober-Sachsen
die Frantzösische Aussprache und der accent am schwehrsten falle, so antwortete ihm
schon gedachter Graf Flemming: de nous deux il n' y a ni l'un ni l'antre Saxon; je
suis sujet du Roi de Prusse, et le Comte Reuss est de l'Empire, welches gute Bekäntniß
denn weiter von uns erkläret, und der Unterschied zwischen dem Obersächsischen Creiß
und denen Churfürstlichen Landen dem Ambassadeur gezeiget wurde. Auf den Mare-
chal Rehbinder wider zu kommen, so erzehlete er, wie einsmals ein Frantzösischer Officier
dem 6 Maul-Thiere durch eine Savoysche Parthey weggenommen worden, ihn um deren
Restitution beweglich ersuchet; er aber von der Gelegenheit profitiret habe, bey
Restituirung dieser Thiere einen Officier und einen sehr guten ingenieur, beyde in
Maul-Esel Treiber verkleidet, mit zu schicken, welche ihm dann bey der Retour
von der gantzen Situation der feindlichen armée gründlich informiren können. Sonst
habe er von gemeinen Espions iederzeit 3 bis 4 gehalten, derer keiner den anderen
gekennet, da er denn aus Gegeneinanderhaltung derer verschiedenen Relatio-
nen allemal zuverläßigere Nachricht gehabt, als wenn er einem solchen Schelm
allein getrauet hätte. Der vorige König, dem er das Zeugniß gab, daß er selbst
den Krieg verstanden nur aber zu hitzig gewesen, habe ihm überaus gedancket,
als er ihm den Rath gegeben, vor die im Felde stehende armée Zwieback backen
zu laßen; denn da ein Maul-Thier accurat noch einmal so viel Zwieback,
als ordentliches Commiss-Brodt auf sich tragen könne, so sey dadurch die Helffte derer
Maul-Thiere bey der armée erspahret worden. Und da der Zwieback sich auch
viel länger halte, so habe man allemal wenigstens 2 Monathe in Vorrath ge-
backen, und solchen Vorrath in denen der armée am nächsten gelegenen Festung
immer prompt bey der Hand gehabt. Bey der Marquise de Borgeal, woselbst dieser
Abend beschloßen wurde, wolten einige davor halten, daß der Marsch derer Truppen
aus Mayland nicht nach Tyrol, sondern nach Modena gehen werde, weil dieser
kleine Hertzog ein Corps von 10 oder, wie andre wolten, gar von 18000 Mann mit
Spanischem Gelde zusammen gebracht habe, deren sich diese Crone zu Occupirung derer
Oesterreichischen Provintzien in Italien mit bedienen wolle. Da es nun lauter zu-
sammengerafft Volck sey, daß noch zur Zeit mit denen Waffen nicht umzugehen
wiße, so erfordere das Österreichische Interesse nothwendig, diese Brut, ehe sie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/497>, abgerufen am 24.11.2024.