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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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überaus munter, verstehet perfect Grichisch und Hebräisch, und hat nicht
nur viel bon Sens, sondern auch in gewißen Haupt-Sachen gute und
gesunde Einsichten. Wir hatten ihn schon ehemals in diesem Hause kennen
lernen und ihm, weil er mit dem Pabst familiair ist, nich umständlicher,
als dem Cardinal selbst, unsre Lutherische Einsicht wegen des Päbstlichen Fuß=
Kußes erkläret. Er erzehlete uns also, daß er diesertwegen discursive
mit dem Pabst gesprochen, und derselbe darauf gesagt habe: Havro grand
gusto di veder questi Signori. Der Cardinal, mit dem wir auch noch
hiervon besonders sprachen, versicherte, daß nicht nur alles nötige
von ihm besorgt, und auf Morgen zur Audientz bestellet sey, sondern
daß er auch nebst Illustrissimo uns übrige zugleich mit praesentiren wolle.
Es geschahe denn dieses auch den 5 hujus auf foldende Weise: wir
fuhren in unserm grösten Schmuck, wie es der Cardinal nicht un-
deutlich discursive von uns begehret hatte, auf das Quirinal in die
Päbstliche anticamera, und wurden daselbst von verschiedenen anwe-
senden Praelaten und Päbstliche Hof-Cavaliers so lange entreteniret, bis
der beym Pabst sich bereits befindende Cardinal Riviera wieder heraus
gekommen. Darauf hieß es, der Cardinal Tencin sey durch eine andere
Thür bereits zum Pabst hinein gegangen, und wurde auch sein Neven
der Malthesische Ambassadeur hinein geruffen, endlich aber kam die
Reihe an uns. Wir passireten in Begleitung eines geheimen
Camariere, welche Praelaten-Habit tragen, aus der anticamera durch
etliche große Zimmer in ein gantz kleines Vorgemach, woselbst etliche
die Aufwartung habende Haus-Praelaten uns empfingen, und
der Malthesische Ambassadeur ebenfals gegenwärtig war, weil er
vermuthlich aus dem Päbstlichesn Zimmer einen Abtritt genommen.
Nach abgelegten Hüten und Degen, führete uns ein Praelat aus
diesem kleinen Vorgemach in die Päbstliche Retirade, ging aber
so fort wieder zur Thür hinaus. Weil die Thür enge war, so
defilirten wir alle drey hinter einander durch dieselbe hindurch.
Der Pabst stund derselben nicht gerade gegen über, sondern seit-
wärts rechter Hand nach denen Fenstern zu, und hatte den Cardi-
nal Tencin auf seiner lincken Seite neben sich, iedoch etwas
vorwarts, stehen. Sein Habit war eine Art eines Roquelors
von weißem Tuch mit kleinen Knöpfgen besetzt, die gewöhnliche
rothe Mütze hatte er auf dem Kopf, und die Hände in einem
mit weißem Sammet überzogenen Muff stecken. Den rechten Fuß
setzte er dergestalt voraus, daß der roth sammetne mit Gold besetzte
Schuh unter dem Roquelor halb hervor stund. Wir machten bey der
Thür die erste genuflexion mit dem rechten Knie, iedoch ohne die
Erde zu berühren, und weil der Pabst so nahe stund, daß die andre
genuflexion auf dem halben Wege nicht angebracht werden

überaus munter, verstehet perfect Grichisch und Hebräisch, und hat nicht
nur viel bon Sens, sondern auch in gewißen Haupt-Sachen gute und
gesunde Einsichten. Wir hatten ihn schon ehemals in diesem Hause kennen
lernen und ihm, weil er mit dem Pabst familiair ist, nich umständlicher,
als dem Cardinal selbst, unsre Lutherische Einsicht wegen des Päbstlichen Fuß=
Kußes erkläret. Er erzehlete uns also, daß er diesertwegen discursive
mit dem Pabst gesprochen, und derselbe darauf gesagt habe: Havro grand
gusto di veder questi Signori. Der Cardinal, mit dem wir auch noch
hiervon besonders sprachen, versicherte, daß nicht nur alles nötige
von ihm besorgt, und auf Morgen zur Audientz bestellet sey, sondern
daß er auch nebst Illustrissimo uns übrige zugleich mit praesentiren wolle.
Es geschahe denn dieses auch den 5 hujus auf foldende Weise: wir
fuhren in unserm grösten Schmuck, wie es der Cardinal nicht un-
deutlich discursive von uns begehret hatte, auf das Quirinal in die
Päbstliche anticamera, und wurden daselbst von verschiedenen anwe-
senden Praelaten und Päbstliche Hof-Cavaliers so lange entreteniret, bis
der beym Pabst sich bereits befindende Cardinal Riviera wieder heraus
gekommen. Darauf hieß es, der Cardinal Tencin sey durch eine andere
Thür bereits zum Pabst hinein gegangen, und wurde auch sein Neven
der Malthesische Ambassadeur hinein geruffen, endlich aber kam die
Reihe an uns. Wir passireten in Begleitung eines geheimen
Camariere, welche Praelaten-Habit tragen, aus der anticamera durch
etliche große Zimmer in ein gantz kleines Vorgemach, woselbst etliche
die Aufwartung habende Haus-Praelaten uns empfingen, und
der Malthesische Ambassadeur ebenfals gegenwärtig war, weil er
vermuthlich aus dem Päbstlichesn Zimmer einen Abtritt genommen.
Nach abgelegten Hüten und Degen, führete uns ein Praelat aus
diesem kleinen Vorgemach in die Päbstliche Retirade, ging aber
so fort wieder zur Thür hinaus. Weil die Thür enge war, so
defilirten wir alle drey hinter einander durch dieselbe hindurch.
Der Pabst stund derselben nicht gerade gegen über, sondern seit-
wärts rechter Hand nach denen Fenstern zu, und hatte den Cardi-
nal Tencin auf seiner lincken Seite neben sich, iedoch etwas
vorwarts, stehen. Sein Habit war eine Art eines Roquelors
von weißem Tuch mit kleinen Knöpfgen besetzt, die gewöhnliche
rothe Mütze hatte er auf dem Kopf, und die Hände in einem
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Schuh unter dem Roquelor halb hervor stund. Wir machten bey der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/579>, abgerufen am 26.11.2024.