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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 58
Vom 19-24 Januar

Unsre gewöhnlichen Häuser nehmlich: des hiesigen Englische Königs und des Car-
dinal Tencin
haben wir auch in diesen Tagen verschiedentlich besuchet, und
bey dem letzten wegen des durch einen expressen Courier von Paris ihm zu-
gesendeten Heiligen Geist-Ordens, die Gratulation abgestattet, doch wird der Car-
dinal
erst auf den Tag Mariae Reinigung das Ordens-Zeichen anlegen.
Sonst sind wir durch den Comte de Sepulveda in eine neue Gesell-
schaft, nehmlich bey dem Marchese Gabriele introduciret worden, als
bey welchem wöchentlich einmal Concert gehalten wird, da denn auch
verschiedene der Music erfahrne gens de Condition sich pflegen hören
zu laßen. Die neuen Bekantschaften so wir bey dieser Gelegen-
heit gemacht, sind die Englische verwittibte Gräfin Streckmore, die
Marchesinnin Sampieri, Paleotti und Ricii, der Duca Strozzi, Don
Paolo Borghese
, der jüngste Bruder von diesem fürstl: Hause, der
Graf Sinzendorff des wienerisch Hof-Cantzlers Neven und 2 Grafen von
Stahrenberg
, welche 3 letztern sich studirens halber hier aufhalten.
Nicht weniger haben wir der Trauung der Princessin Salviati mit
dem Bruder des Cardinals Acquaviva, welche in der Noviciat-Kirche derer
Jesuiten vom Pabst selbst verrichtet wurde, mit bey gewohnet. Nach ver-
richteter Ceremonie [unleserliches Material]setzte sich der Pabst in eine mit rothem Damast ta-
pezirte Seiten-Capelle und ließ die Princessin nebst denen übrigen
Dames zum Fuß-Kuß, wobey er überaus freundl: that und mit beyden
Händen sich anstellete, als ob er sie aufheben wolte, da sie denn
wieder aufstunden, und beym Weggehen des Pabsts von ihm noch-
mals en passant mit einer überaus aufgemunterten mine
die Benediction empfingen. Die Ehe-Leute sind einander ziemlich
ungleich, indem er schon an die 60, sie aber kaum 16 Jahr auf
sich haben soll.

Besichtigungen
Das Dominicaner Closter della Maria Sopra Minerva führet diesen
Nahmen, weil im Römischen Heydenthum ein Tempel der Minervae
in dieser Gegend gestanden. Die Kirche ist nicht prächtig, hat aber
verschiedene schöne oder sonst merckwürdige monumenta, unter
welche letztere das alt väterische tombeau des bekanten großen Scholastici
Guidielmi Durandi, und der auf der Erde liegene Grab-Stein des
famosen Annii, oder, wie ihn die Grabschrift nennet Nannii Viter-
biensis
mit zu rechnen sind. Über der einen Kirch-Thüre, welche
ins Closter führet, siehet man en bas relief einen Hund welcher
eine brennende Fackel im Maul hält, und ist dieses die devise
des Dominicaner-Ordens, hat aber ihren Ursprung von einem Traum,
welchen die Mutter des Orden-Stifters vor der Geburt gehabt haben
soll, da nehmlich ihr zukünftiger Sohn unter diesem Bilde derselben
vorgestellet worden. Ob die Vorstellung dem Heiligen Dominico avantagen,

297
Nummer 58
Vom 19-24 Januar

Unsre gewöhnlichen Häuser nehmlich: des hiesigen Englische Königs und des Car-
dinal Tencin
haben wir auch in diesen Tagen verschiedentlich besuchet, und
bey dem letzten wegen des durch einen expressen Courier von Paris ihm zu-
gesendeten Heiligen Geist-Ordens, die Gratulation abgestattet, doch wird der Car-
dinal
erst auf den Tag Mariae Reinigung das Ordens-Zeichen anlegen.
Sonst sind wir durch den Comte de Sepulveda in eine neue Gesell-
schaft, nehmlich bey dem Marchese Gabriele introduciret worden, als
bey welchem wöchentlich einmal Concert gehalten wird, da denn auch
verschiedene der Music erfahrne gens de Condition sich pflegen hören
zu laßen. Die neuen Bekantschaften so wir bey dieser Gelegen-
heit gemacht, sind die Englische verwittibte Gräfin Streckmore, die
Marchesinnin Sampieri, Paleotti und Ricii, der Duca Strozzi, Don
Paolo Borghese
, der jüngste Bruder von diesem fürstl: Hause, der
Graf Sinzendorff des wienerisch Hof-Cantzlers Neven und 2 Grafen von
Stahrenberg
, welche 3 letztern sich studirens halber hier aufhalten.
Nicht weniger haben wir der Trauung der Princessin Salviati mit
dem Bruder des Cardinals Acquaviva, welche in der Noviciat-Kirche derer
Jesuiten vom Pabst selbst verrichtet wurde, mit bey gewohnet. Nach ver-
richteter Ceremonie [unleserliches Material]setzte sich der Pabst in eine mit rothem Damast ta-
pezirte Seiten-Capelle und ließ die Princessin nebst denen übrigen
Dames zum Fuß-Kuß, wobey er überaus freundl: that und mit beyden
Händen sich anstellete, als ob er sie aufheben wolte, da sie denn
wieder aufstunden, und beym Weggehen des Pabsts von ihm noch-
mals en passant mit einer überaus aufgemunterten mine
die Benediction empfingen. Die Ehe-Leute sind einander ziemlich
ungleich, indem er schon an die 60, sie aber kaum 16 Jahr auf
sich haben soll.

Besichtigungen
Das Dominicaner Closter della Maria Sopra Minerva führet diesen
Nahmen, weil im Römischen Heydenthum ein Tempel der Minervae
in dieser Gegend gestanden. Die Kirche ist nicht prächtig, hat aber
verschiedene schöne oder sonst merckwürdige monumenta, unter
welche letztere das alt väterische tombeau des bekanten großen Scholastici
Guidielmi Durandi, und der auf der Erde liegene Grab-Stein des
famosen Annii, oder, wie ihn die Grabschrift nennet Nannii Viter-
biensis
mit zu rechnen sind. Über der einen Kirch-Thüre, welche
ins Closter führet, siehet man en bas relief einen Hund welcher
eine brennende Fackel im Maul hält, und ist dieses die devise
des Dominicaner-Ordens, hat aber ihren Ursprung von einem Traum,
welchen die Mutter des Orden-Stifters vor der Geburt gehabt haben
soll, da nehmlich ihr zukünftiger Sohn unter diesem Bilde derselben
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[0608] 297 No 58 Vom 19-24 Jan: Unsre gewöhnln Häuser nehml: des hiesigen Engl. Königs und des Car- dinal Tencin haben wir auch in diesen Tagen verschiedentlich besuchet, und bey dem letzten wegen des durch einen expressen Courier von Paris ihm zu- gesendeten H. Geist-Ordens, die Gratulation abgestattet, doch wird der Car- dinal erst auf den Tag Mariae Reinigung das Ordens-Zeichen anlegen. Sonst sind wir durch den Comte de Sepulveda in eine neue Gesell- schaft, nehml: bey dem Marchese Gabriele introduciret worden, als bey welchem wöchentl. einmal Concert gehalten wird, da denn auch verschiedene der Music erfahrne gens de Condition sich pflegen hören zu laßen. Die neuen Bekantschaften so wir bey dieser Gelegen- heit gemacht, sind die Engl: verwittibte Gräfin Streckmore, die Marchesinnin Sampieri, Paleotti und Ricii, der Duca Strozzi, Don Paolo Borghese, der jüngste Bruder von diesem fürstl: Hause, der Graf Sinzendorff des Wieneril: Hof-Cantzlers Neven und 2 Grafen von Stahrenberg, welche 3 letztern sich studirens halber hier aufhalten. Nicht weniger haben wir der Trauung der Princessin Salviati mit dem Bruder des Cardinals Acquaviva, welche in der Noviciat-Kirche derer Jesuiten vom Pabst selbst verrichtet wurde, mit bey gewohnet. Nach ver- richteter Ceremonie setzte sich der Pabst in eine mit rothem Damast ta- pezirte Seiten-Capelle und ließ die Princessin nebst denen übrigen Dames zum Fuß-Kuß, wobey er überaus freundl: that und mit beyden Händen sich anstellete, als ob er sie aufheben wolte, da sie denn wieder aufstunden, und beym Weggehen des Pabsts von ihm noch- mals en passant mit einer überaus aufgemunterten mine die Benediction empfingen. Die Ehe-Leute sind einander ziemlich ungleich, indem er schon an die 60, sie aber kaum 16 Jahr auf sich haben soll. Besichtigungen Das Dominicaner Closter della Maria Sopra Minerva führet diesen Nahmen, weil im Römil. Heydenthum ein Tempel der Minervae in dieser Gegend gestanden. Die Kirche ist nicht prächtig, hat aber verschiedene schöne oder sonst merckwürdige monumenta, unter welche letztere das alt väterische tombeau des bekanten großen Scholastici Guidielmi Durandi, und der auf der Erde liegene Grab-Stein des famosen Annii, oder, wie ihn die Grabschrift nennet Nannii Viter- biensis mit zu rechnen sind. Über der einen Kirch-Thüre, welche ins Closter führet, siehet man en bas relief einen Hund welcher eine brennende Fackel im Maul hält, und ist dieses die devise des Dominicaner-Ordens, hat aber ihren Ursprung von einem Traum, welchen die Mutter des Orden-Stifters vor der Geburt gehabt haben soll, da nehmlich ihr zukünftiger Sohn unter diesem Bilde derselben vorgestellet worden. Ob die Vorstellung dem heil. Dominico avantagen,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/608>, abgerufen am 23.11.2024.