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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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326
Nummer 64.
Neapolis. Den 26 Februar

Thaten wir die Reise nach dem Vesuvio. Man fähret bis nach
dem Dorf Resina und nimmt daselbst Esel, welche einen, iedoch
weiter nicht, als ohngefähr eine Stunde Weges zwischen lauter
Stein=Schlacken und ehemaligen Ausbrüchen des Berges fort bringen.
Sodann bleiben die Esel stehen, und man muß sich gefallen
laßen, den Überrest des Berges theils über eben solche ausgebrannte
Schlacken, theils in tiefer Asche, welche iedoch einem groben
schuttigten Sande weit ähnlicher siehet, abermal eine Stunde
vollends bis an die bocca hinauf zu steigen. Das öftere Aus-
ruhen und die Hülfe derer Bauren sind bey dieser fatigue
sehr gute Hülfs-Mittel. Jetztgedachte Bauren nennen sich
alle Ciceroni, und trift man nicht leicht einen von Resina
aus im Felde an, der sich nicht an die Caravane anschließen,
und entweder mit Bitte, oder mit Gewalt aufdringen solte,
wie wir denn endlich, als die Fuß promenade anging, 14 solcher
Leute zu unsern Diensten beysammen hatten, deren ied-
weder mit zwey großen in einer Scheide an der Seite hän-
genden Meßern bewaffnet war. Ihre Dienste bestehen bey
dem Hinaufsteigen darinn, daß ihrer 2 voraus gehen, an
deren um den Leib geschnalten Gürtel oder geknüpfte Binde
der Pilgrim mit beyden Händen sich anhält, und auf solche
Weise einigermaßen hinauf ziehen läst, wobey ihrer
einer oder zwey solches Steigen durch nachschieben noch
mehr erleichtern. Im wieder hinunter steigen hingegen
leget man denen vorangehenden die Hände auf die Schultern,
von denen nachfolgenden aber wird man vermittelst einer
um den Leib geschlungenen Binde zurückgehalten, um
dadurch denen vorangehenden die Last zu erleichtern, und
das herunterstürtzen desto sorgfältiger zu verhüten, als
welches an denen Orten, wo der Boden mit Schlacken und
Steinen bedeckt ist, gantz gefährlich seyn würde. Ohngefähr
auf der Helfte des Wegs, welchen man zu Fuße gehen muß,
hat der Berg einen Absatz, welcher in einer kleinen Fläche
bestehet, und von diesem Absatz an ist der Überrest des
Weges wegen der jähen Höhe am allerbeschwerlichsten. Nach-
dem wir endlich hinauf gelangeten, thaten wir erst einen
Blick zurück in die umliegende Gegend, und betrachteten
mit großem Vergnügen die vortrefliche Situation der Stadt

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Nummer 64.
Neapolis. Den 26 Februar

Thaten wir die Reise nach dem Vesuvio. Man fähret bis nach
dem Dorf Resina und nimmt daselbst Esel, welche einen, iedoch
weiter nicht, als ohngefähr eine Stunde Weges zwischen lauter
Stein=Schlacken und ehemaligen Ausbrüchen des Berges fort bringen.
Sodann bleiben die Esel stehen, und man muß sich gefallen
laßen, den Überrest des Berges theils über eben solche ausgebrannte
Schlacken, theils in tiefer Asche, welche iedoch einem groben
schuttigten Sande weit ähnlicher siehet, abermal eine Stunde
vollends bis an die bocca hinauf zu steigen. Das öftere Aus-
ruhen und die Hülfe derer Bauren sind bey dieser fatigue
sehr gute Hülfs-Mittel. Jetztgedachte Bauren nennen sich
alle Ciceroni, und trift man nicht leicht einen von Resina
aus im Felde an, der sich nicht an die Caravane anschließen,
und entweder mit Bitte, oder mit Gewalt aufdringen solte,
wie wir denn endlich, als die Fuß promenade anging, 14 solcher
Leute zu unsern Diensten beysammen hatten, deren ied-
weder mit zwey großen in einer Scheide an der Seite hän-
genden Meßern bewaffnet war. Ihre Dienste bestehen bey
dem Hinaufsteigen darinn, daß ihrer 2 voraus gehen, an
deren um den Leib geschnalten Gürtel oder geknüpfte Binde
der Pilgrim mit beyden Händen sich anhält, und auf solche
Weise einigermaßen hinauf ziehen läst, wobey ihrer
einer oder zwey solches Steigen durch nachschieben noch
mehr erleichtern. Im wieder hinunter steigen hingegen
leget man denen vorangehenden die Hände auf die Schultern,
von denen nachfolgenden aber wird man vermittelst einer
um den Leib geschlungenen Binde zurückgehalten, um
dadurch denen vorangehenden die Last zu erleichtern, und
das herunterstürtzen desto sorgfältiger zu verhüten, als
welches an denen Orten, wo der Boden mit Schlacken und
Steinen bedeckt ist, gantz gefährlich seyn würde. Ohngefähr
auf der Helfte des Wegs, welchen man zu Fuße gehen muß,
hat der Berg einen Absatz, welcher in einer kleinen Fläche
bestehet, und von diesem Absatz an ist der Überrest des
Weges wegen der jähen Höhe am allerbeschwerlichsten. Nach-
dem wir endlich hinauf gelangeten, thaten wir erst einen
Blick zurück in die umliegende Gegend, und betrachteten
mit großem Vergnügen die vortrefliche Situation der Stadt

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[0666] 326 No 64. Neapolis. Den 26 Febr: Thaten wir die Reise nach dem Vesuvio. Man fähret bis nach dem Dorf Resina und nimmt daselbst Esel, welche einen, iedoch weiter nicht, als ohngefähr eine Stunde Weges zwischen lauter Stein=Schlacken und ehemaligen Ausbrüchen des Berges fort bringen. Sodann bleiben die Esel stehen, und man muß sich gefallen laßen, den Überrest des Berges theils über eben solche ausgebrannte Schlacken, theils in tiefer Asche, welche iedoch einem groben schuttigten Sande weit ähnlicher siehet, abermal eine Stunde vollends bis an die bocca hinauf zu steigen. Das öftere Aus- ruhen und die Hülfe derer Bauren sind bey dieser fatigue sehr gute Hülfs-Mittel. Jetztgedachte Bauren nennen sich alle Ciceroni, und trift man nicht leicht einen von Resina aus im Felde an, der sich nicht an die Caravane anschließen, und entweder mit Bitte, oder mit Gewalt aufdringen solte, wie wir denn endlich, als die Fuß promenade anging, 14 solcher Leute zu unsern Diensten beysammen hatten, deren ied- weder mit zwey großen in einer Scheide an der Seite hän- genden Meßern bewaffnet war. Ihre Dienste bestehen bey dem Hinaufsteigen darinn, daß ihrer 2 voraus gehen, an deren um den Leib geschnalten Gürtel oder geknüpfte Binde der Pilgrim mit beyden Händen sich anhält, und auf solche Weise einigermaßen hinauf ziehen läst, wobey ihrer einer oder zwey solches Steigen durch nachschieben noch mehr erleichtern. Im wieder hinunter steigen hingegen leget man denen vorangehenden die Hände auf die Schultern, von denen nachfolgenden aber wird man vermittelst einer um den Leib geschlungenen Binde zurückgehalten, um dadurch denen vorangehenden die Last zu erleichtern, und das herunterstürtzen desto sorgfältiger zu verhüten, als welches an denen Orten, wo der Boden mit Schlacken und Steinen bedeckt ist, gantz gefährlich seyn würde. Ohngefähr auf der Helfte des Wegs, welchen man zu Fuße gehen muß, hat der Berg einen Absatz, welcher in einer kleinen Fläche bestehet, und von diesem Absatz an ist der Überrest des Weges wegen der jähen Höhe am allerbeschwerlichsten. Nach- dem wir endlich hinauf gelanget, thaten wir erst einen Blick zurück in die umliegende Gegend, und betrachteten mit großem Vergnügen die vortrefliche Situation der Stadt

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/666>, abgerufen am 23.11.2024.