Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite
Den 5 Mart:

Dichte vor der ersten, auf S. Agatha folgenden Post passireten wir in einer Fähre den ohnweit
von hier ins Meer fallenden Fluß Garigliano, welcher bey denen
Alten Liris hieß und die Grentze des Latii war. Das Post-Haus
und deßen 4eckter platter Thurm sind Uberbleibsel der ehemals
hier gestandenen Stadt Minturnam, von welcher auch noch
ein amphitheatrum und ein aquaeductus nebst andern Gemäuern
zu sehen sind. Von hier an wird die hochberühmte Via Appia
recht kenntlich und sichtbar, und bleibet man fast beständig
auf derselben bis gegen Piperno zu. Die Pflaster Steine sind
dunckel grau u. schwärtzlig und von ungemeiner Härte, haben
keine regulaire Figur, sondern sind so, wie sie gebrochen
worden, iedoch auf das allerfesteste und genaueste zusammen ge-
füget. Die grösten Steine sind nicht über eine quere Hand. Daß bey denen
vielen millionen Pferden und Wagen, welche von der Zeit Appii
Claudii Censoris über diesen von ihm gestiffteten Weg passiret,
noch so viel unversehrtes Pflaster davon übrig sey; solches ist
gewiß zu bewundern, und dennoch dieser Weg vor eines
derer allermerckwürdigsten Stücke des Röml: Alterthums zu
halten. Inzwischen hat dennoch derselbe in verschiedenen
Gegenden seine alte Gestalt verlohren, und die mannigfaltigen
Veränderungen, welche durch Erdbeben, Uberschwemmungen
und andre Zufälle auf der obern Fläche des Erdbodens verur-
sachet werden, haben au[unleserliches Material]ch diesen Weg hin u. wieder in
Thäler u. Moräste versencket, so, daß die ietzige Land-Straße
von dieser damaligen an vielen Orten gar weit abweichet.
Die nächste auf Garigliano folgende Post ist Mola ein klein
Städtgen an der See gelegen. Ehemals stund hier der berühmte
Ort Formia oder Hormia, wie denn davon noch viel alte Ge-
mäure und andre Reliquien vorhanden sind. Cicero hat hier
ein Palais u. Garten gehabt, in welches er sich bey seinem
bekanten wiedrigen Schicksaal retirirete, ohnweit deßelben
aber in seiner Senffte massacriret wurde, als er von hier
die Flucht nehmen u. anderwärts mehrere Sicherheit suchen
wollte. Ob indeßen das in einem Garten dichte an der
See noch übrige Gemäuer die Ciceronische Wohnung sey, solches
ist ungewiß, und können wir davon um so viel weniger

Den 5 Mart:

Dichte vor der ersten, auf S. Agatha folgenden Post passireten wir in einer Fähre den ohnweit
von hier ins Meer fallenden Fluß Garigliano, welcher bey denen
Alten Liris hieß und die Grentze des Latii war. Das Post-Haus
und deßen 4eckter platter Thurm sind Uberbleibsel der ehemals
hier gestandenen Stadt Minturnam, von welcher auch noch
ein amphitheatrum und ein aquaeductus nebst andern Gemäuern
zu sehen sind. Von hier an wird die hochberühmte Via Appia
recht kenntlich und sichtbar, und bleibet man fast beständig
auf derselben bis gegen Piperno zu. Die Pflaster Steine sind
dunckel grau u. schwärtzlig und von ungemeiner Härte, haben
keine regulaire Figur, sondern sind so, wie sie gebrochen
worden, iedoch auf das allerfesteste und genaueste zusammen ge-
füget. Die grösten Steine sind nicht über eine quere Hand. Daß bey denen
vielen millionen Pferden und Wagen, welche von der Zeit Appii
Claudii Censoris über diesen von ihm gestiffteten Weg passiret,
noch so viel unversehrtes Pflaster davon übrig sey; solches ist
gewiß zu bewundern, und dennoch dieser Weg vor eines
derer allermerckwürdigsten Stücke des Röml: Alterthums zu
halten. Inzwischen hat dennoch derselbe in verschiedenen
Gegenden seine alte Gestalt verlohren, und die mannigfaltigen
Veränderungen, welche durch Erdbeben, Uberschwemmungen
und andre Zufälle auf der obern Fläche des Erdbodens verur-
sachet werden, haben au[unleserliches Material]ch diesen Weg hin u. wieder in
Thäler u. Moräste versencket, so, daß die ietzige Land-Straße
von dieser damaligen an vielen Orten gar weit abweichet.
Die nächste auf Garigliano folgende Post ist Mola ein klein
Städtgen an der See gelegen. Ehemals stund hier der berühmte
Ort Formia oder Hormia, wie denn davon noch viel alte Ge-
mäure und andre Reliquien vorhanden sind. Cicero hat hier
ein Palais u. Garten gehabt, in welches er sich bey seinem
bekanten wiedrigen Schicksaal retirirete, ohnweit deßelben
aber in seiner Senffte massacriret wurde, als er von hier
die Flucht nehmen u. anderwärts mehrere Sicherheit suchen
wollte. Ob indeßen das in einem Garten dichte an der
See noch übrige Gemäuer die Ciceronische Wohnung sey, solches
ist ungewiß, und können wir davon um so viel weniger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <pb facs="#f0679"/>
        <div type="diaryEntry">
          <head rendition="#c">                Den 5 Mart:</head><lb/>
          <p>                Dichte vor der ersten, <add place="superlinear">auf S. Agatha folgenden</add> Post passireten wir in einer Fähre den ohnweit<lb/>
von hier ins Meer fallenden Fluß Garigliano, welcher bey denen<lb/>
Alten Liris hieß und die Grentze des Latii war. Das Post-Haus<lb/>
und deßen 4eckter platter Thurm sind Uberbleibsel der ehemals<lb/>
hier gestandenen Stadt Minturna<del rendition="#s">m</del>, von welcher auch noch<lb/>
ein amphitheatrum und ein aquaeductus nebst andern Gemäuern<lb/>
zu sehen sind. Von hier an wird die hochberühmte <hi rendition="#u">Via Appia</hi><lb/>
recht kenntlich und sichtbar, und bleibet man fast beständig<lb/>
auf derselben bis gegen Piperno zu. Die Pflaster Steine sind<lb/>
dunckel grau u. schwärtzlig und von ungemeiner Härte, haben<lb/>
keine regulaire Figur, sondern sind so, wie sie gebrochen<lb/>
worden, iedoch auf das allerfesteste und genaueste zusammen ge-<lb/>
füget. Die grösten Steine sind nicht über eine quere Hand. Daß bey denen<lb/>
vielen millionen Pferden und Wagen, welche von der Zeit Appii<lb/>
Claudii Censoris über diesen von ihm gestiffteten Weg passiret,<lb/>
noch so viel unversehrtes Pflaster davon übrig sey; solches ist<lb/>
gewiß zu bewundern, und dennoch dieser Weg vor eines<lb/>
derer allermerckwürdigsten Stücke des Röml: Alterthums zu<lb/>
halten. Inzwischen hat dennoch derselbe in verschiedenen<lb/>
Gegenden seine alte Gestalt verlohren, und die mannigfaltigen<lb/>
Veränderungen, welche durch Erdbeben, Uberschwemmungen<lb/>
und andre Zufälle auf der obern Fläche des Erdbodens verur-<lb/>
sachet werden, haben au<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">ch</add></subst> diesen Weg hin u. wieder in<lb/>
Thäler u. Moräste versencket, so, daß die ietzige Land-Straße<lb/>
von dieser damaligen an vielen Orten gar weit abweichet.<lb/>
Die nächste auf Garigliano folgende Post ist <hi rendition="#u">Mola</hi> ein klein<lb/>
Städtgen an der See gelegen. Ehemals stund hier der berühmte<lb/>
Ort Formia oder Hormia, wie denn davon noch viel alte Ge-<lb/>
mäure und andre Reliquien vorhanden sind. Cicero hat hier<lb/>
ein Palais u. Garten gehabt, in welches er sich bey seinem<lb/>
bekanten wiedrigen Schicksaal retirirete, ohnweit deßelben<lb/>
aber in seiner Senffte massacriret wurde, als er von hier<lb/>
die Flucht nehmen u. anderwärts mehrere Sicherheit suchen<lb/>
wollte. Ob indeßen das in einem Garten dichte an der<lb/>
See noch übrige Gemäuer die Ciceronische Wohnung sey, solches<lb/>
ist ungewiß, und können wir davon um so viel weniger
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0679] Den 5 Mart: Dichte vor der ersten, auf S. Agatha folgenden Post passireten wir in einer Fähre den ohnweit von hier ins Meer fallenden Fluß Garigliano, welcher bey denen Alten Liris hieß und die Grentze des Latii war. Das Post-Haus und deßen 4eckter platter Thurm sind Uberbleibsel der ehemals hier gestandenen Stadt Minturna, von welcher auch noch ein amphitheatrum und ein aquaeductus nebst andern Gemäuern zu sehen sind. Von hier an wird die hochberühmte Via Appia recht kenntlich und sichtbar, und bleibet man fast beständig auf derselben bis gegen Piperno zu. Die Pflaster Steine sind dunckel grau u. schwärtzlig und von ungemeiner Härte, haben keine regulaire Figur, sondern sind so, wie sie gebrochen worden, iedoch auf das allerfesteste und genaueste zusammen ge- füget. Die grösten Steine sind nicht über eine quere Hand. Daß bey denen vielen millionen Pferden und Wagen, welche von der Zeit Appii Claudii Censoris über diesen von ihm gestiffteten Weg passiret, noch so viel unversehrtes Pflaster davon übrig sey; solches ist gewiß zu bewundern, und dennoch dieser Weg vor eines derer allermerckwürdigsten Stücke des Röml: Alterthums zu halten. Inzwischen hat dennoch derselbe in verschiedenen Gegenden seine alte Gestalt verlohren, und die mannigfaltigen Veränderungen, welche durch Erdbeben, Uberschwemmungen und andre Zufälle auf der obern Fläche des Erdbodens verur- sachet werden, haben auch diesen Weg hin u. wieder in Thäler u. Moräste versencket, so, daß die ietzige Land-Straße von dieser damaligen an vielen Orten gar weit abweichet. Die nächste auf Garigliano folgende Post ist Mola ein klein Städtgen an der See gelegen. Ehemals stund hier der berühmte Ort Formia oder Hormia, wie denn davon noch viel alte Ge- mäure und andre Reliquien vorhanden sind. Cicero hat hier ein Palais u. Garten gehabt, in welches er sich bey seinem bekanten wiedrigen Schicksaal retirirete, ohnweit deßelben aber in seiner Senffte massacriret wurde, als er von hier die Flucht nehmen u. anderwärts mehrere Sicherheit suchen wollte. Ob indeßen das in einem Garten dichte an der See noch übrige Gemäuer die Ciceronische Wohnung sey, solches ist ungewiß, und können wir davon um so viel weniger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/679
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/679>, abgerufen am 23.11.2024.