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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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29
Nummer 9.
Den 4 December

Aus dem heutigen Ewangelio wurde von dem Dähnischen Prediger vorgestellet:
der Unterschied zwischen Frommen und Gottlosen bey dem Einbruch göttlicher Gerichte,
und zwar 1.) der Grund solches Unterschieds, und 2.) das aus diesem Grunde
herfließende unterschiedlichee Verhalten dererselben. Der Grund des Unterschieds
wurde gesuchet (a) in der gantzen unterschiedenen Gemüths-Beschaffenheit
frommer und gottloser Menschen, und (b) in dem gantz unterschiedenen Urtheil,
welches Gott von ihnen fälle. Das unterschiedene Verhalten bestund in der
Freudigkeit der Frommen, und in dem Zittern und Jagen der Gottlosen, wo-
bey Herr Hasenmüller den Ausdruck brauchte, daß die Gottlosen, welche denen
Frommen sonst wohl den Spott-Nahmen der Kopfhänger beyzulegen pflegten,
zu solcher Zeit selbst rechte Kopfhänger würden. Nach der Kirche zeigte
der Dähnische Gesandte etliche kostbar Bilder, welche der junge Löwenör
ihm aus Dännemarck zum Verkauffe zugeschicket, worunter der auf
seinem Sterbe-Bette liegende und mit seinem Sohn Joseph sprechende
Jacob, desgleichen der Hohepriester Aaron, sehr vortreflich, und ver-
muthlich eine alte niederländische Arbeit waren. So viel man sonst
unter der Hand erfahren, soll Löwenör 60000 Reichsthaler Schulden hinterlaßen
haben. Die Einladung zur Tafel schlugen wir vor dismal ab, und
expedirten nachmittags unsre Post-Briefe:

Den 5 December

Wegen des den gantzen Tag anhaltenden gewaltigen Regens, haben
wir zu Menagirung unsrer Equipage und Livree, uns zu Hause
gehalten, zumal Monsieur de Real das mittags Eßen, wozu er uns
ehegestern eingeladen, wegen zugestoßner Kranckheit, wider
absagen laßen. Doch hatten wir gegen Abend von dem Darmstättischen Gesandten, Herr von Böhmer, die Gegen-Visite anzunehmen,
und erfuhren von ihm unter andern, daß der Printz von
Rudolstadt
, nebst dem Herr von Hertenberg sich den 15 huius hier
einfinden werde. Beyläufig erzehlte er auch, daß denen Darm-
städtischen
3 Prinzen, während ihres hiesigen Auffenthalts, wohl
leicht 30000 Reichsthaler an Spiel-Geldern aufgehen würden, weil sie
wegen der Elsaßischen Güter, sich dem Hofe auf alle Weise
accommodiren, folglich auch das daselbst eingeführte große Spiel
mit machen müsten. Sonst ist es dieser Tage geschehen,
daß eine Operistin sich mit einem frantzösischen Herrn, welcher
Ritter vom goldnen Vließ ist, in flagranti delicto an-
treffen laßen; weil solches nun währender Opera, in
einem Cabinet, da sie sich umgekleidet, geschehen, so hat dieser
Umstand der Zeit und des Orts, die Strafe nach sich gezogen,
daß das Mensch aus der Opera verstoßen, dem frantzösischenn Herrn

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Nummer 9.
Den 4 December

Aus dem heutigen Ewangelio wurde von dem Dähnischen Prediger vorgestellet:
der Unterschied zwischen Frommen und Gottlosen bey dem Einbruch göttlicher Gerichte,
und zwar 1.) der Grund solches Unterschieds, und 2.) das aus diesem Grunde
herfließende unterschiedlichee Verhalten dererselben. Der Grund des Unterschieds
wurde gesuchet (a) in der gantzen unterschiedenen Gemüths-Beschaffenheit
frommer und gottloser Menschen, und (b) in dem gantz unterschiedenen Urtheil,
welches Gott von ihnen fälle. Das unterschiedene Verhalten bestund in der
Freudigkeit der Frommen, und in dem Zittern und Jagen der Gottlosen, wo-
bey Herr Hasenmüller den Ausdruck brauchte, daß die Gottlosen, welche denen
Frommen sonst wohl den Spott-Nahmen der Kopfhänger beyzulegen pflegten,
zu solcher Zeit selbst rechte Kopfhänger würden. Nach der Kirche zeigte
der Dähnische Gesandte etliche kostbar Bilder, welche der junge Löwenör
ihm aus Dännemarck zum Verkauffe zugeschicket, worunter der auf
seinem Sterbe-Bette liegende und mit seinem Sohn Joseph sprechende
Jacob, desgleichen der Hohepriester Aaron, sehr vortreflich, und ver-
muthlich eine alte niederländische Arbeit waren. So viel man sonst
unter der Hand erfahren, soll Löwenör 60000 Reichsthaler Schulden hinterlaßen
haben. Die Einladung zur Tafel schlugen wir vor dismal ab, und
expedirten nachmittags unsre Post-Briefe:

Den 5 December

Wegen des den gantzen Tag anhaltenden gewaltigen Regens, haben
wir zu Menagirung unsrer Equipage und Livrée, uns zu Hause
gehalten, zumal Monsieur de Real das mittags Eßen, wozu er uns
ehegestern eingeladen, wegen zugestoßner Kranckheit, wider
absagen laßen. Doch hatten wir gegen Abend von dem Darmstättischen Gesandten, Herr von Böhmer, die Gegen-Visite anzunehmen,
und erfuhren von ihm unter andern, daß der Printz von
Rudolstadt
, nebst dem Herr von Hertenberg sich den 15 huius hier
einfinden werde. Beyläufig erzehlte er auch, daß denen Darm-
städtischen
3 Prinzen, während ihres hiesigen Auffenthalts, wohl
leicht 30000 Reichsthaler an Spiel-Geldern aufgehen würden, weil sie
wegen der Elsaßischen Güter, sich dem Hofe auf alle Weise
accommodiren, folglich auch das daselbst eingeführte große Spiel
mit machen müsten. Sonst ist es dieser Tage geschehen,
daß eine Operistin sich mit einem frantzösischen Herrn, welcher
Ritter vom goldnen Vließ ist, in flagranti delicto an-
treffen laßen; weil solches nun währender Opera, in
einem Cabinet, da sie sich umgekleidet, geschehen, so hat dieser
Umstand der Zeit und des Orts, die Strafe nach sich gezogen,
daß das Mensch aus der Opera verstoßen, dem frantzösischenn Herrn

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[0068] 29 No 9. Den 4 Decemb: Aus dem heutigen Ewangelio wurde von dem Dähnischen Prediger vorgestellet: der Unterschied zwischen Frommen und Gottlosen bey dem Einbruch göttlicher Gerichte, und zwar 1.) der Grund solches Unterschieds, und 2.) das aus diesem Grunde herfließende unterschiedl:e Verhalten dererselben. Der Grund des Unterschieds wurde gesuchet (a) in der gantzen unterschiedenen Gemüths-Beschaffenheit frommer und gottloser Menschen, u. (b) in dem gantz unterschiedenen Urtheil, welches Gott von ihnen fälle. Das unterschiedene Verhalten bestund in der Freudigkeit der Frommen, und in dem Zittern und Jagen der Gottlosen, wo- bey Hl: Hasenmüller den Ausdruck brauchte, daß die Gottlosen, welche denen Frommen sonst wohl den Spott-Nahmen der Kopfhänger beyzulegen pflegten, zu solcher Zeit selbst rechte Kopfhänger würden. Nach der Kirche zeigte der Dähnische Gesandte etliche kostbar Bilder, welche der junge Löwenör ihm aus Dännemarck zum Verkauffe zugeschicket, worunter der auf seinem Sterbe-Bette liegende und mit seinem Sohn Joseph sprechende Jacob, desgleichen der Hohepriester Aaron, sehr vortreflich, und ver- muthlich eine alte niederländische Arbeit waren. So viel man sonst unter der Hand erfahren, soll Löwenör 60000 rP: Schulden hinterlaßen haben. Die Einladung zur Tafel schlugen wir vor dismal ab, und expedirten nachmittags unsre Post-Briefe: Den 5 Decembr: Wegen des den gantzen Tag anhaltenden gewaltigen Regens, haben wir zu Menagirung unsrer Equipage und Livrée, uns zu Hause gehalten, zumal Mr. de Real das mittags Eßen, wozu er uns ehegestern eingeladen, wegen zugestoßner Kranckheit, wider absagen laßen. Doch hatten wir gegen Abend von dem Darm- städtl: Gesandten, H. von Böhmer, die Gegen-Visite anzunehmen, und erfuhren von ihm unter andern, daß der Printz von Rudolstadt, nebst dem H. v. Hertenberg sich d: 15 huius hier einfinden werde. Beyläufig erzehlte er auch, daß denen Darm- städtischen 3 Prinzen, während ihres hiesigen Auffenthalts, wohl leicht 30000 rP an Spiel-Geldern aufgehen würden, weil sie wegen der Elsaßischen Güter, sich dem Hofe auf alle Weise accommodiren, folgl: auch das daselbst eingeführte große Spiel mit machen müsten. Sonst ist es dieser Tage geschehen, daß eine Operistin sich mit einem frantzösischen Herrn, welcher Ritter vom goldnen Vließ ist, in flagranti delicto an- treffen laßen; weil solches nun währender Opera, in einem Cabinet, da sie sich umgekleidet, geschehen, so hat dieser Umstand der Zeit und des Orts, die Strafe nach sich gezogen, daß das Mensch aus der Opera verstoßen, dem frantzöl:n Herrn

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/68>, abgerufen am 21.11.2024.