Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].Orts sind folgende: 1.) Das Franciscaner Closter und in deßen Garten der Dorn-Busch, Orts sind folgende: 1.) Das Franciscaner Closter und in deßen Garten der Dorn-Busch, <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0681"/> Orts sind folgende:</p><lb/> <p> 1.) Das Franciscaner Closter und in deßen Garten der Dorn-Busch,<lb/> in welchem der H. Franciscus sich nackend herum gewältzet<lb/> haben soll, als er einsmals von der Fleisches-Lust angefochten<lb/> worden. Die Geschichte ist auf einer kleinen express dazu aufge-<lb/> führten Mauer en fresco abgemahlet, und die Versuchung als<lb/> eine Fleder-Mauß abgebildet, deren Gesicht u. Ober Leib die Ge-<lb/> stalt eines schönen Weibes hat. Zu beyden Seiten dieser Mauer<lb/> sind die Dornen an einem Stacket herauf gezogen, daß sie<lb/> zur Sommers-Zeit eine ordentl: grüne Laube formiren können,<lb/> man siehet aber an denenselben keine Stacheln, als welche,<lb/> nachdem ein so großer Heiliger sie mit seinem Blute tin-<lb/> giret, vermuthl: deswegen nicht wieder wachsen wollen,<lb/> um nicht von schlechtern Leuten zu gleichem En<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">t</add></subst>zweck, oder<lb/> wohl gar zum verbrennen gebraucht zu werden. Dem<lb/> sey aber wie ihm wolle, so ist wohl nichts gewißers, als<lb/> da<subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">ß</add></subst> dasjenige Gebüsch, welches man vor den Dorn-Strauch aus-<lb/> giebt, niemals Dornen gewesen. In der einen ietzo wüste<lb/> liegenden Kirche dieses Closters, welche der H. Franciscus selbst<lb/><del rendition="#s">selben</del> erbauen laßen, soll folgendes miracul geschehen seyn:<lb/> 3 Mönche dieses Closters verspäten sich auf der Betteley, und<lb/> versäumen darüber die auf denselben Tag von ihren Closter=<lb/> Brüdern genoßene Communion, gehen also, da sie nach Hause<lb/> kommen, mit Thränen in diese Kirche, und beweinen ihre Ver-<lb/> säumniß. Was geschiehet? Unverhofft öffnet sich das sogenannte <lb/> Tabernacul oder Sacrament=Häußlein, der Hl: Christus kommt in<lb/> Gestalt eines kleinen Kindes mit gröster Geschwindigkeit auf<lb/> den Altar, und von da zu ihnen auf dem Fuß-Boden, und<lb/> reichet einem ieden die Hostie, hinterläst auch auf dem ge-<lb/> pflasterten Fußboden seine Fußstapfen an dreyen Orten,<lb/> welche mit einem eisernen Gitter u. höltzernen Verschlag<lb/> überkleidet, aber im geringsten nicht zu erkennen sind.<lb/> Zwey von diesen Communicanten sollen gleich auf der Stelle, u.<lb/> der 3<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">te</hi></hi> den Tag nachher gestorben seyn. Man siehet leicht,<lb/> daß die gantze Geschichte zum Beweiß der Transsubstantiation<lb/> erfunden sey: nur hätte der Erfinder bedencken sollen,<lb/> daß eine Lehre nichts mehr decreditire, als wenn dergleichen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0681]
Orts sind folgende:
1.) Das Franciscaner Closter und in deßen Garten der Dorn-Busch,
in welchem der H. Franciscus sich nackend herum gewältzet
haben soll, als er einsmals von der Fleisches-Lust angefochten
worden. Die Geschichte ist auf einer kleinen express dazu aufge-
führten Mauer en fresco abgemahlet, und die Versuchung als
eine Fleder-Mauß abgebildet, deren Gesicht u. Ober Leib die Ge-
stalt eines schönen Weibes hat. Zu beyden Seiten dieser Mauer
sind die Dornen an einem Stacket herauf gezogen, daß sie
zur Sommers-Zeit eine ordentl: grüne Laube formiren können,
man siehet aber an denenselben keine Stacheln, als welche,
nachdem ein so großer Heiliger sie mit seinem Blute tin-
giret, vermuthl: deswegen nicht wieder wachsen wollen,
um nicht von schlechtern Leuten zu gleichem Entzweck, oder
wohl gar zum verbrennen gebraucht zu werden. Dem
sey aber wie ihm wolle, so ist wohl nichts gewißers, als
daß dasjenige Gebüsch, welches man vor den Dorn-Strauch aus-
giebt, niemals Dornen gewesen. In der einen ietzo wüste
liegenden Kirche dieses Closters, welche der H. Franciscus selbst
erbauen laßen, soll folgendes miracul geschehen seyn:
3 Mönche dieses Closters verspäten sich auf der Betteley, und
versäumen darüber die auf denselben Tag von ihren Closter=
Brüdern genoßene Communion, gehen also, da sie nach Hause
kommen, mit Thränen in diese Kirche, und beweinen ihre Ver-
säumniß. Was geschiehet? Unverhofft öffnet sich das sogenannte
Tabernacul oder Sacrament=Häußlein, der Hl: Christus kommt in
Gestalt eines kleinen Kindes mit gröster Geschwindigkeit auf
den Altar, und von da zu ihnen auf dem Fuß-Boden, und
reichet einem ieden die Hostie, hinterläst auch auf dem ge-
pflasterten Fußboden seine Fußstapfen an dreyen Orten,
welche mit einem eisernen Gitter u. höltzernen Verschlag
überkleidet, aber im geringsten nicht zu erkennen sind.
Zwey von diesen Communicanten sollen gleich auf der Stelle, u.
der 3te den Tag nachher gestorben seyn. Man siehet leicht,
daß die gantze Geschichte zum Beweiß der Transsubstantiation
erfunden sey: nur hätte der Erfinder bedencken sollen,
daß eine Lehre nichts mehr decreditire, als wenn dergleichen
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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