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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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liegen, welches die Überbleibsel von einer alten Sabinischen Stadt sind,
die Ocriculum oder Ocrea geheißen. Die Passage von Otricoli
aus gehet meist an Bergen und Felsen weg, da es etliche schöne prospecte giebt,
auf die letzt und ehe man nach Narni gelanget; sind lincker Hand die pre-
cipices fast fürchterlich, die Wege aber doch so breit, daß nicht leicht Gefahr zu
besorgen. Wo die Precipicen am höchsten sind, findet sich eine Höhle rechter
Hand des Weges im Felsen, die das gemeine Volck theils vor die Wohnung des
Riesen Orlandi, theils vor die Behausung einer Sybille ausgiebet.
Besagtes Städtgen Narni war unser erstes Nacht-quartier. Es lieget
auf einem sehr hohen Felsen-Gebürge und ist ietziger Zeit schlecht beschaffen,
gleichwohl aber das Vaterland Kaysers Nervae, Pabsts Johannis des
XIII, und noch mehrerer in der historie bekannten Leute. Der Prospect
von dieser Höhe in das Thal, wo die Nera fließet, hat nicht wenig Annehm-
lichkeit; das allermerckwürdigste aber in diesem Thal ist der Überrest
einer Brücke, welche Kayser Augustus über schon gedachten Fluß Nera,
und zwar dermaaßen hoch erbauet hat, daß dadurch die zu beyden Seiten
des Flußes gelegene Berge in eine Verbindung gesetzet, folglich die Straße von
hier nach Perugia dadurch weit bequemer worden. Wie aus denen im Waßer
noch stehenden Pfeilern zu erkennen, so hat das Werck 4 Bögen gehabt,
die aber doch nicht von gleicher Weite und Höhe gewesen, wie denn nach dem jen-
seitigen Ufer zu, die Brücke scheinet niedriger gewesen zu seyn, immaaßen
auch der jenseitige Berg niedriger ist, als der auf der Stadt Seite. Der
erste Bogen auf ietzt gedachter Stadt=Seite, welcher völlig auf dem Lande
stehet, ist noch gantz, und beträgt deßen Höhe 150 Palmi, das Spatium
aber von einem Pfeiler zum andern hält im Lichten 100 Palmi, wobey zu
wißen daß I Palmo Romano II Pariser Zoll ausmache. Alles ist von den
schönsten Qvader-Stücken, welche auswendig eben so zu gehauen sind, als
ein Rauten Diamant. Daß dieses Gebäude ohne Kalck zusammen gefüget sey,
giebt der Augenschein; daß aber auch die Qvader-Stücke nicht mit eisernen
Klammern verbunden seyn sollten, ist ein ungegründetes vorgeben. Denn
wir haben sowohl an diesem, als andern alt römischen Gemäuern dergleichen
wahrgenommen, nur mit dem Unterschied, daß, da heutiges Tages die
Klammern auswendig zu sehen sind, die Römer solche inwendig zwischen
denen Steineen angebracht. Sonderlich haben sie mitten auf der Fläche
eines Quader-Stücks starcke eiserne Stiffte perpendiculariter befestiget,

liegen, welches die Überbleibsel von einer alten Sabinischen Stadt sind,
die Ocriculum oder Ocrea geheißen. Die Passage von Otricoli
aus gehet meist an Bergen und Felsen weg, da es etliche schöne prospecte giebt,
auf die letzt und ehe man nach Narni gelanget; sind lincker Hand die pre-
cipices fast fürchterlich, die Wege aber doch so breit, daß nicht leicht Gefahr zu
besorgen. Wo die Precipicen am höchsten sind, findet sich eine Höhle rechter
Hand des Weges im Felsen, die das gemeine Volck theils vor die Wohnung des
Riesen Orlandi, theils vor die Behausung einer Sybille ausgiebet.
Besagtes Städtgen Narni war unser erstes Nacht-quartier. Es lieget
auf einem sehr hohen Felsen-Gebürge und ist ietziger Zeit schlecht beschaffen,
gleichwohl aber das Vaterland Kaysers Nervae, Pabsts Johannis des
XIII, und noch mehrerer in der historie bekannten Leute. Der Prospect
von dieser Höhe in das Thal, wo die Nera fließet, hat nicht wenig Annehm-
lichkeit; das allermerckwürdigste aber in diesem Thal ist der Überrest
einer Brücke, welche Kayser Augustus über schon gedachten Fluß Nera,
und zwar dermaaßen hoch erbauet hat, daß dadurch die zu beyden Seiten
des Flußes gelegene Berge in eine Verbindung gesetzet, folglich die Straße von
hier nach Perugia dadurch weit bequemer worden. Wie aus denen im Waßer
noch stehenden Pfeilern zu erkennen, so hat das Werck 4 Bögen gehabt,
die aber doch nicht von gleicher Weite und Höhe gewesen, wie denn nach dem jen-
seitigen Ufer zu, die Brücke scheinet niedriger gewesen zu seyn, immaaßen
auch der jenseitige Berg niedriger ist, als der auf der Stadt Seite. Der
erste Bogen auf ietzt gedachter Stadt=Seite, welcher völlig auf dem Lande
stehet, ist noch gantz, und beträgt deßen Höhe 150 Palmi, das Spatium
aber von einem Pfeiler zum andern hält im Lichten 100 Palmi, wobey zu
wißen daß I Palmo Romano II Pariser Zoll ausmache. Alles ist von den
schönsten Qvader-Stücken, welche auswendig eben so zu gehauen sind, als
ein Rauten Diamant. Daß dieses Gebäude ohne Kalck zusammen gefüget sey,
giebt der Augenschein; daß aber auch die Qvader-Stücke nicht mit eisernen
Klammern verbunden seyn sollten, ist ein ungegründetes vorgeben. Denn
wir haben sowohl an diesem, als andern alt römischen Gemäuern dergleichen
wahrgenommen, nur mit dem Unterschied, daß, da heutiges Tages die
Klammern auswendig zu sehen sind, die Römer solche inwendig zwischen
denen Steineen angebracht. Sonderlich haben sie mitten auf der Fläche
eines Quader-Stücks starcke eiserne Stiffte perpendiculariter befestiget,

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[0731] liegen, welches die Überbleibsel von einer alten Sabinischen Stadt sind, die Ocriculum oder Ocrea geheißen. Die Passage von Otricoli aus gehet meist an Bergen und Felsen weg, da es etliche schöne prospecte giebt, auf die letzt und ehe man nach Narni gelanget; sind lincker Hand die pre- cipices fast fürchterlich, die Wege aber doch so breit, daß nicht leicht Gefahr zu besorgen. Wo die Precipicen am höchsten sind, findet sich eine Höhle rechter Hand des Weges im Felsen, die das gemeine Volck theils vor die Wohnung des Riesen Orlandi, theils vor die Behausung einer Sybille ausgiebet. Besagtes Städtgen Narni war unser erstes Nacht-quartier. Es lieget auf einem sehr hohen Felsen-Gebürge und ist ietziger Zeit schlecht beschaffen, gleichwohl aber das Vaterland Kaysers Nervae, Pabsts Johannis des XIII, und noch mehrerer in der historie bekannten Leute. Der Prospect von dieser Höhe in das Thal, wo die Nera fließet, hat nicht wenig Annehm- lichkeit; das allermerckwürdigste aber in diesem Thal ist der Überrest einer Brücke, welche Kayser Augustus über schon gedachten Fluß Nera, und zwar dermaaßen hoch erbauet hat, daß dadurch die zu beyden Seiten des Flußes gelegene Berge in eine Verbindung gesetzet, folglich die Straße von hier nach Perugia dadurch weit bequemer worden. Wie aus denen im Waßer noch stehenden Pfeilern zu erkennen, so hat das Werck 4 Bögen gehabt, die aber doch nicht von gleicher Weite und Höhe gewesen, wie denn nach dem jen- seitigen Ufer zu, die Brücke scheinet niedriger gewesen zu seyn, immaaßen auch der jenseitige Berg niedriger ist, als der auf der Stadt Seite. Der erste Bogen auf ietzt gedachter Stadt=Seite, welcher völlig auf dem Lande stehet, ist noch gantz, und beträgt deßen Höhe 150 Palmi, das Spatium aber von einem Pfeiler zum andern hält im Lichten 100 Palmi, wobey zu wißen daß I Palmo Romano II Pariser Zoll ausmache. Alles ist von den schönsten Qvader-Stücken, welche auswendig eben so zu gehauen sind, als ein Rauten Diamant. Daß dieses Gebäude ohne Kalck zusammen gefüget sey, giebt der Augenschein; daß aber auch die Qvader-Stücke nicht mit eisernen Klammern verbunden seyn sollten, ist ein ungegründetes vorgeben. Denn wir haben sowohl an diesem, als andern alt römischen Gemäuern dergleichen wahrgenommen, nur mit dem Unterschied, daß, da heutiges Tages die Klammern auswendig zu sehen sind, die Römer solche inwendig zwischen denen Steinen angebracht. Sonderlich haben sie mitten auf der Fläche eines Quader-Stücks starcke eiserne Stiffte perpendiculariter befestiget,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/731>, abgerufen am 26.11.2024.