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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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fuhren von hier abermal zu dem alten Rollin, trafen ihn aber
wider nicht zu Hause an, verfügten uns also weiter zur Marquise
Montbrun, und fanden den Marquis de Beaufremont bey ihr.
Sie gab uns über dasjenige, was der Chevalier de Court von dem
Roman-Lesen der devoten Duchesse de Tremouille den 29 November
erzehlet hatte, folgende, Erläuterung, daß nehmlich der Duc, ihr Ge-
mahl, kranck gewesen, und verlangt habe, ihm etwas vorzule-
sen. Da er ihr nun das Buch gegeben, mit dem Zusatz, es sey
etwas neues, so ihm zugeschicket worden, so habe sie in aller
Unschuld, ohne den Innhalt zu wißen, zu lesen angefangen,
als aber bedenckliche passagen gekommen, daßelbe weggeworfen.
Der Discours fiel auf das rouge des hiesigen Frauen-Zimmer
und rühmte der Marquis de Beaufremont von der Madame Mont-
brun
, als den höchsten Grad der Verläugnung, daß sie schon seit
einigen Jahren das rouge abgeleget. Denn obschon diese Art
der Mahlerey, nur diejenigen Gesichter noch schöner mache, welche
von Natur schon schön gebildet und weiß wären, so mache sie
doch ein iegliches, auch nicht eben in der höchsten perfection schönes Wei-
ber=Gesichte, durch Unterlaßung des Mahlens, recht vorsetzlich
abominabel, weil es, in Gesellschaft anderer gemahlten Ge-
sichter, einen wahrhaften todten-Kopf vorstelle. Madame
Montbrun versetzte, es sey doch immer, beym ehemaligen Gebrauch
des rouge, ihre Absicht gewesen, schöner und angenehmer
zu scheinen, als sie sey, welches auf eine Vanitaet hinaus
lauffe, die mit ihrem Gewißen nicht compatibel. Der
Marquis vermeinte, daß auf solche Weise auch der Poudre
verworffen werden müste, welcher doch nichts anders, als
ein Embellissement sey. Sie zeigte ihm aber den Unterschied
zwischen Vanite und propeote, und wiesen, daß, wegen
des Schweißes und Geruchs der Haare, der poudre zu
der letzten Classe gehöre. Von seiner Gemahlin, welche sich
auf seinen Gütern befindet, gedachte der Marquis, qu'elle
n'etoit pas encore devote, und als die Madame Montbrun darauf
zu erkennen gab, daß es eines Mannes, als chefs, Haupt-
Pflicht sey, seine Frau auf den rechten Weg zu führen, ant-
wortete jener: je ne suis pas encore a ce degre de perfection
mais je vous amenerai ma femme, pour profiter de vos avis
et de votre exemple.

fuhren von hier abermal zu dem alten Rollin, trafen ihn aber
wider nicht zu Hause an, verfügten uns also weiter zur Marquise
Montbrun, und fanden den Marquis de Beaufremont bey ihr.
Sie gab uns über dasjenige, was der Chevalier de Court von dem
Roman-Lesen der devoten Duchesse de Tremouille den 29 November
erzehlet hatte, folgende, Erläuterung, daß nehmlich der Duc, ihr Ge-
mahl, kranck gewesen, und verlangt habe, ihm etwas vorzule-
sen. Da er ihr nun das Buch gegeben, mit dem Zusatz, es sey
etwas neues, so ihm zugeschicket worden, so habe sie in aller
Unschuld, ohne den Innhalt zu wißen, zu lesen angefangen,
als aber bedenckliche passagen gekommen, daßelbe weggeworfen.
Der Discours fiel auf das rouge des hiesigen Frauen-Zimmer
und rühmte der Marquis de Beaufremont von der Madame Mont-
brun
, als den höchsten Grad der Verläugnung, daß sie schon seit
einigen Jahren das rouge abgeleget. Denn obschon diese Art
der Mahlerey, nur diejenigen Gesichter noch schöner mache, welche
von Natur schon schön gebildet und weiß wären, so mache sie
doch ein iegliches, auch nicht eben in der höchsten perfection schönes Wei-
ber=Gesichte, durch Unterlaßung des Mahlens, recht vorsetzlich
abominabel, weil es, in Gesellschaft anderer gemahlten Ge-
sichter, einen wahrhaften todten-Kopf vorstelle. Madame
Montbrun versetzte, es sey doch immer, beym ehemaligen Gebrauch
des rouge, ihre Absicht gewesen, schöner und angenehmer
zu scheinen, als sie sey, welches auf eine Vanitaet hinaus
lauffe, die mit ihrem Gewißen nicht compatibel. Der
Marquis vermeinte, daß auf solche Weise auch der Poudre
verworffen werden müste, welcher doch nichts anders, als
ein Embellissement sey. Sie zeigte ihm aber den Unterschied
zwischen Vanité und propeoté, und wiesen, daß, wegen
des Schweißes und Geruchs der Haare, der poudre zu
der letzten Classe gehöre. Von seiner Gemahlin, welche sich
auf seinen Gütern befindet, gedachte der Marquis, qu’elle
n’etoit pas encore devóte, und als die Madame Montbrun darauf
zu erkennen gab, daß es eines Mannes, als chefs, Haupt-
Pflicht sey, seine Frau auf den rechten Weg zu führen, ant-
wortete jener: je ne suis pas encore à ce degré de perfection
mais je vous amenerai ma femme, pour profiter de vos avis
et de vôtre exemple.

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[0075] fuhren von hier abermal zu dem alten Rollin, trafen ihn aber wider nicht zu Hause an, verfügten uns also weiter zur Marquise Montbrun, und fanden den Marquis de Beaufremont bey ihr. Sie gab uns über dasjenige, was der Chevalier de Court von dem Roman-Lesen der devoten Duchesse de Tremouille den 29 Novembr: erzehlet hatte, folgende, Erläuterung, daß nehmlich der Duc, ihr Ge- mahl, kranck gewesen, und verlangt habe, ihm etwas vorzule- sen. Da er ihr nun das Buch gegeben, mit dem Zusatz, es sey etwas neues, so ihm zugeschicket worden, so habe sie in aller Unschuld, ohne den Innhalt zu wißen, zu lesen angefangen, als aber bedenckliche passagen gekommen, daßelbe weggeworfen. Der Discours fiel auf das rouge des hiesigen Frauen-Zimmer und rühmte der Marquis de Beaufremont von der Mad: Mont- brun, als den höchsten Grad der Verläugnung, daß sie schon seit einigen Jahren das rouge abgeleget. Denn obschon diese Art der Mahlerey, nur diejenigen Gesichter noch schöner mache, welche von Natur schon schön gebildet und weiß wären, so mache sie doch ein iegliches, auch nicht eben in der höchsten perfection schönes Wei- ber=Gesichte, durch Unterlaßung des Mahlens, recht vorsetzlich abominabel, weil es, in Gesellschaft anderer gemahlten Ge- sichter, einen wahrhaften todten-Kopf vorstelle. Madame Montbrun versetzte, es sey doch immer, beym ehemaligen Gebrauch des rouge, ihre Absicht gewesen, schöner und angenehmer zu scheinen, als sie sey, welches auf eine Vanitaet hinaus lauffe, die mit ihrem Gewißen nicht compatibel. Der Marquis vermeinte, daß auf solche Weise auch der Poudre verworffen werden müste, welcher doch nichts anders, als ein Embellissement sey. Sie zeigte ihm aber den Unterschied zwischen Vanité und propté, und wiesen, daß, wegen des Schweißes und Geruchs der Haare, der poudre zu der letzten Classe gehöre. Von seiner Gemahlin, welche sich auf seinen Gütern befindet, gedachte der Marquis, qu’elle n’etoit pas encore devóte, und als die Mad: Montbrun darauf zu erkennen gab, daß es eines Mannes, als chefs, Haupt- Pflicht sey, seine Frau auf den rechten Weg zu führen, ant- wortete jener: je ne suis pas encore à ce degré de perfection mais je vous amenerai ma femme, pour profiter de vos avis et de vôtre exemple.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/75>, abgerufen am 21.11.2024.