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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Seßel, welche Dinge alle vor dem Doye hergetragen werden, der runde
Sonnen=Schirm von goldnem Stoff, den man ihm über den Kopf hält,
das Schwerdt in einer massiv silbernen Scheide, und eine weiße Wachs=
Fackel, welche beyde Stücke hinter ihm folgen, sind alles Zieraden,
damit der offt gedachte Pabst Alexander III. seinen damaligen pro
tector den Doye theils hier, theils zu Ancona und theils zu Rom der-
maaßen beschencket hat, daß er und seine Nachfolger solche
bey allen Solennitaeten führen solle, wie aus der Historie bekannt,
und hier specifice zu erläutern unnöthig ist. Lincker Hand neben
dem Doye gieng der hiesige päbstl. nuntius in violetnem pae-
laten-habit mit dem Huth auf dem Kopf. In dem Chor der Kirche
hat der Doye seinen mit einem kleinen dais überdeckten Sitz gleich
rechter Hand neben dem Eingange in daßelbe, und kehret das Gesicht
nach dem Altar, seine hertzogliche Mütze leget er vor sich auf die
Brust Schrancken, vor diesen Schrancken wird der verguldete
Stuhl niedergesetzet, und das Schwerdt darauf geleget. Der
Nuntius sitzet neben dem Doye rechter Hand, und die Signoria
zu beyden Seiten gegen ein ander über. Nachdem geendeter
music und Meße kamen alle hiesigen Scuole oder Brüderschaff
ten, welche indeßen auf dem Marcus Platz die große pro
cession gehalten hatten, gleichfals processionaliter in die Kirche
herein, und passireten qver durch das Chor hindurch, wobey jed-
wede Person auf einer Seite vor dem Altar, und auf der an-
dern Seite vor dem Doye ihren reverentz machte. Jedwede Scuola
hatte nicht nur ihre Marschälle, und allerhand geschnitzte Bilder
und machinen, welche auf denen Schultern getragen wurden,
sondern auch ihre eigne gröstentheils recht schlechte musique,
so, daß eben so viel differente musiquen auf einmal in der
Kirche zu hören waren, als Brüderschafften zu gleicher Zeit sich
in derselben auf dem march befanden. Wie tumultuos und
Schencken=mäßig solches geklungen, kan man sich leicht vorstellen.
Noch übler aber schickte sich zu einer kirchlichen Handlung der
große Haufen halbwachsener Jungen, welche einen rothen höltzer
nen auf einer Stange sich ohnabläßig herum drehenden Löwen
mit etlichen daran hangenden rothen Hüthen, vor sich hertragen ließen, und
dieser machine mit ausgestreckten Armen und mit dem

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Seßel, welche Dinge alle vor dem Doye hergetragen werden, der runde
Sonnen=Schirm von goldnem Stoff, den man ihm über den Kopf hält,
das Schwerdt in einer massiv silbernen Scheide, und eine weiße Wachs=
Fackel, welche beyde Stücke hinter ihm folgen, sind alles Zieraden,
damit der offt gedachte Pabst Alexander III. seinen damaligen pro
tector den Doye theils hier, theils zu Ancona und theils zu Rom der-
maaßen beschencket hat, daß er und seine Nachfolger solche
bey allen Solennitaeten führen solle, wie aus der Historie bekannt,
und hier specifice zu erläutern unnöthig ist. Lincker Hand neben
dem Doye gieng der hiesige päbstl. nuntius in violetnem pae-
laten-habit mit dem Huth auf dem Kopf. In dem Chor der Kirche
hat der Doye seinen mit einem kleinen dais überdeckten Sitz gleich
rechter Hand neben dem Eingange in daßelbe, und kehret das Gesicht
nach dem Altar, seine hertzogliche Mütze leget er vor sich auf die
Brust Schrancken, vor diesen Schrancken wird der verguldete
Stuhl niedergesetzet, und das Schwerdt darauf geleget. Der
Nuntius sitzet neben dem Doye rechter Hand, und die Signoria
zu beyden Seiten gegen ein ander über. Nachdem geendeter
music und Meße kamen alle hiesigen Scuole oder Brüderschaff
ten, welche indeßen auf dem Marcus Platz die große pro
cession gehalten hatten, gleichfals processionaliter in die Kirche
herein, und passireten qver durch das Chor hindurch, wobey jed-
wede Person auf einer Seite vor dem Altar, und auf der an-
dern Seite vor dem Doye ihren reverentz machte. Jedwede Scuola
hatte nicht nur ihre Marschälle, und allerhand geschnitzte Bilder
und machinen, welche auf denen Schultern getragen wurden,
sondern auch ihre eigne gröstentheils recht schlechte musique,
so, daß eben so viel differente musiquen auf einmal in der
Kirche zu hören waren, als Brüderschafften zu gleicher Zeit sich
in derselben auf dem march befanden. Wie tumultuos und
Schencken=mäßig solches geklungen, kan man sich leicht vorstellen.
Noch übler aber schickte sich zu einer kirchlichen Handlung der
große Haufen halbwachsener Jungen, welche einen rothen höltzer
nen auf einer Stange sich ohnabläßig herum drehenden Löwen
mit etlichen daran hangenden rothen Hüthen, vor sich hertragen ließen, und
dieser machine mit ausgestreckten Armen und mit dem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/762>, abgerufen am 14.08.2024.