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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Lido ab, und höret die von dem Patriarchen daselbst zu lesende Meße.
Wir stiegen indeßen auf eine kleine Höhe, um nach geendeter Kirche den
gantzen Rückzug nach Venedig desto beßer beschauen zu können,
müßen aber gestehen, daß wir solchen so gar magnifique und
besonders nicht gefunden, als er insgemein ausgeschrien wird.
Überhaupt ist diese gantze ceremonie zu behau[unleserliches Material]ptung des dominii
maris wohl gewiß unnütz, und sollte man dabey um so mehr bedencken
haben, weil insgemein deren Einsetzung den Pabst Alexander III. zu-
geschrieben wird, von dem doch die republic solches dominium nicht
gerne herleite[unleserliches Material]n will. Gegen abend fuhren wir nach Murano, um
den sonst gewöhnlichen Wettlauff der Gondoln daselbst an zu
sehen, wegen des immer schlimmer werdenden Wetters aber
wollten sich keine solche Renner einfinden. Wir haben sonst dieses
Murano auch zu anderer Zeit besuchet, und die dasigen Glaß-Fa-
briquen, item das Palazzo di Cornaro besichtiget, in welchem letzte-
ren zwar allerdings eine Galerie ist, die wenig kürtzer als eine
itali[unleserliches Material]enische mille seyn dürffte. Sie gehet aber weder in einer gera-
den Linie, noch in einer breite fort, und ist übrigens so schlecht mit
Gemählden und andern dazu sich schickenden Dingen versehen, daß
es die Mühe nicht belohnet, auch nur eine Zeile davon zu schreiben.
Die Venetianischen divertissements betreffend. So ist der hoch=
beruffene Marckt, auf dem Marcus=Platz, welcher um diese asscensions=
Zeit 14 Tage gehalten wird, was das arrangement derer boutiquen
betrifft, gantz artig, indem zwischen denenselben, als zwischen ge-
baueten kleinen Häusern, gantz spatieuse Gaßen, und diese oben
mit Leinnwand zugedeckt sind. Von Waaren aber ist nichts beson-
deres vorhanden, und machen in Specie die Buden der Schuster, der
allgemeinen Bauer[unleserliches Material]n=[unleserliches Material]Tischler, derer mit dem aller schlechtesten Spiel=
Zeug handelnden Drechsler, item der Trödler, mit ihren alten Kleidern p
eben nicht den besten effect. Die Lieder=Absinger, die armen Savoyarden,
mit ihren schönen, oder vielmehr schlechten raritaeten, die Hunde= und
Murmel Thier=Tantz Meister, die Schlangen=Ärtzte, die Astrologen
und mehr dergleichen Geschmeiß, welches diesen Marckt embelliren
soll, war alles in so pauvrer Gestalt, daß, wer auch an solchen Dingen
Lust hätte, sie doch gewiß vor diesmal nicht würde haben büßen können.

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Lido ab, und höret die von dem Patriarchen daselbst zu lesende Meße.
Wir stiegen indeßen auf eine kleine Höhe, um nach geendeter Kirche den
gantzen Rückzug nach Venedig desto beßer beschauen zu können,
müßen aber gestehen, daß wir solchen so gar magnifique und
besonders nicht gefunden, als er insgemein ausgeschrien wird.
Überhaupt ist diese gantze ceremonie zu behau[unleserliches Material]ptung des dominii
maris wohl gewiß unnütz, und sollte man dabey um so mehr bedencken
haben, weil insgemein deren Einsetzung den Pabst Alexander III. zu-
geschrieben wird, von dem doch die republic solches dominium nicht
gerne herleite[unleserliches Material]n will. Gegen abend fuhren wir nach Murano, um
den sonst gewöhnlichen Wettlauff der Gondoln daselbst an zu
sehen, wegen des immer schlimmer werdenden Wetters aber
wollten sich keine solche Renner einfinden. Wir haben sonst dieses
Murano auch zu anderer Zeit besuchet, und die dasigen Glaß-Fa-
briquen, item das Palazzo di Cornaro besichtiget, in welchem letzte-
ren zwar allerdings eine Galerie ist, die wenig kürtzer als eine
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den Linie, noch in einer breite fort, und ist übrigens so schlecht mit
Gemählden und andern dazu sich schickenden Dingen versehen, daß
es die Mühe nicht belohnet, auch nur eine Zeile davon zu schreiben.
Die Venetianischen divertissements betreffend. So ist der hoch=    
beruffene Marckt, auf dem Marcus=Platz, welcher um diese asscensions=
Zeit 14 Tage gehalten wird, was das arrangement derer boutiquen
betrifft, gantz artig, indem zwischen denenselben, als zwischen ge-
baueten kleinen Häusern, gantz spatieuse Gaßen, und diese oben
mit Leinnwand zugedeckt sind. Von Waaren aber ist nichts beson-
deres vorhanden, und machen in Specie die Buden der Schuster, der
allgemeinen Bauer[unleserliches Material]n=[unleserliches Material]Tischler, derer mit dem aller schlechtesten Spiel=
Zeug handelnden Drechsler, item der Trödler, mit ihren alten Kleidern p
eben nicht den besten effect. Die Lieder=Absinger, die armen Savoyarden,
mit ihren schönen, oder vielmehr schlechten raritaeten, die Hunde= und
Murmel Thier=Tantz Meister, die Schlangen=Ärtzte, die Astrologen
und mehr dergleichen Geschmeiß, welches diesen Marckt embelliren
soll, war alles in so pauvrer Gestalt, daß, wer auch an solchen Dingen
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[0766] 376 Lido ab, und höret die von dem Patriarchen daselbst zu lesende Meße. Wir stiegen indeßen auf eine kleine Höhe, um nach geendeter Kirche den gantzen Rückzug nach Venedig desto beßer beschauen zu können, müßen aber gestehen, daß wir solchen so gar magnifique und besonders nicht gefunden, als er insgemein ausgeschrien wird. Überhaupt ist diese gantze ceremonie zu behauptung des dominii maris wohl gewiß unnütz, und sollte man dabey um so mehr bedencken haben, weil insgemein deren Einsetzung den Pabst Alexander III. zu- geschrieben wird, von dem doch die republic solches dominium nicht gerne herleiten will. Gegen abend fuhren wir nach Murano, um den sonst gewöhnlichen Wettlauff der Gondoln daselbst an zu sehen, wegen des immer schlimmer werdenden Wetters aber wollten sich keine solche Renner einfinden. Wir haben sonst dieses Murano auch zu anderer Zeit besuchet, und die dasigen Glaß-Fa- briquen, item das Palazzo di Cornaro besichtiget, in welchem letzte- ren zwar allerdings eine Galerie ist, die wenig kürtzer als eine italienische mille seyn dürffte. Sie gehet aber weder in einer gera- den Linie, noch in einer breite fort, und ist übrigens so schlecht mit Gemählden und andern dazu sich schickenden Dingen versehen, daß es die Mühe nicht belohnet, auch nur eine Zeile davon zu schreiben. Die Venetianischen divertissements betreffend. So ist der hoch=     beruffene Marckt auf dem Marcus=Platz, welcher um diese asscensions= Zeit 14 Tage gehalten wird, was das arrangement derer boutiquen betrifft, gantz artig, indem zwischen denenselben, als zwischen ge- baueten kleinen Häusern, gantz spatieuse Gaßen, und diese oben mit Leinnwand zugedeckt sind. Von Waaren aber ist nichts beson- deres vorhanden, und machen in Specie die Buden der Schuster, der allgemeinen Bauern=Tischler, derer mit dem aller schlechtesten Spiel= Zeug handelnden Drechsler, item der Trödler, mit ihren alten Kleidern p eben nicht den besten effect. Die Lieder=Absinger, die armen Savoyarden, mit ihren schönen, oder vielmehr schlechten raritaeten, die Hunde= und Murmel Thier=Tantz Meister, die Schlangen=Ärtzte, die Astrologen und mehr dergleichen Geschmeiß, welches diesen Marckt embelliren soll, war alles in so pauvrer Gestalt, daß, wer auch an solchen Dingen Lust hätte, sie doch gewiß vor diesmal nicht würde haben büßen können.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/766>, abgerufen am 21.11.2024.