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Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895.

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Fortschritt der Menschheit entstanden. Sie hält mit beiden
gleichen Schritt. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung der
Sklaven haben die Frauen Amerikas das Recht auf ihre eigene
Befreiung erworben. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung
der Unterdrückten von Not und Laster haben die englischen
Frauen gezeigt, daß sie der Bürgerrechte fähig und würdig sind.
Uns deutschen Frauen starrt das Elend und die Ungerchtigkeit
auf Schritt und Tritt entgegen. Für jedes dem Laster geopferte
Mädchen, für jede hungernde Frau, für jedes im Elend aufwachsende
Kind sind wir mitverantwortlich, solange wir nicht die heilige
Verpflichtung fühlen, mit unserer ganzen Kraft, mit all unserem
Denken und Empfinden in den Kampf für die leidende Menschheit
einzutreten. Wir dürfen uns nicht mehr in unser Schneckenhaus
hinter einen Wall von Vorurteilen zurückziehen und unsere
Ohren verschließen vor dem Hilferuf der Millionen, denen das
Wasser bis an die Kehle steigt. Die Pflicht gebietet uns, das
zu fordern, was jedem Manne gewährt ist und was allein uns
fähig macht, die Tugend zu schützen, die Not zu bekämpfen, der
Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen: die Bürgerrechte.





Druck von G. Bernstein in Berlin

Fortschritt der Menschheit entstanden. Sie hält mit beiden
gleichen Schritt. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung der
Sklaven haben die Frauen Amerikas das Recht auf ihre eigene
Befreiung erworben. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung
der Unterdrückten von Not und Laster haben die englischen
Frauen gezeigt, daß sie der Bürgerrechte fähig und würdig sind.
Uns deutschen Frauen starrt das Elend und die Ungerchtigkeit
auf Schritt und Tritt entgegen. Für jedes dem Laster geopferte
Mädchen, für jede hungernde Frau, für jedes im Elend aufwachsende
Kind sind wir mitverantwortlich, solange wir nicht die heilige
Verpflichtung fühlen, mit unserer ganzen Kraft, mit all unserem
Denken und Empfinden in den Kampf für die leidende Menschheit
einzutreten. Wir dürfen uns nicht mehr in unser Schneckenhaus
hinter einen Wall von Vorurteilen zurückziehen und unsere
Ohren verschließen vor dem Hilferuf der Millionen, denen das
Wasser bis an die Kehle steigt. Die Pflicht gebietet uns, das
zu fordern, was jedem Manne gewährt ist und was allein uns
fähig macht, die Tugend zu schützen, die Not zu bekämpfen, der
Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen: die Bürgerrechte.





Druck von G. Bernstein in Berlin

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[24/0025] Fortschritt der Menschheit entstanden. Sie hält mit beiden gleichen Schritt. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung der Sklaven haben die Frauen Amerikas das Recht auf ihre eigene Befreiung erworben. Durch ihre Teilnahme an der Befreiung der Unterdrückten von Not und Laster haben die englischen Frauen gezeigt, daß sie der Bürgerrechte fähig und würdig sind. Uns deutschen Frauen starrt das Elend und die Ungerchtigkeit auf Schritt und Tritt entgegen. Für jedes dem Laster geopferte Mädchen, für jede hungernde Frau, für jedes im Elend aufwachsende Kind sind wir mitverantwortlich, solange wir nicht die heilige Verpflichtung fühlen, mit unserer ganzen Kraft, mit all unserem Denken und Empfinden in den Kampf für die leidende Menschheit einzutreten. Wir dürfen uns nicht mehr in unser Schneckenhaus hinter einen Wall von Vorurteilen zurückziehen und unsere Ohren verschließen vor dem Hilferuf der Millionen, denen das Wasser bis an die Kehle steigt. Die Pflicht gebietet uns, das zu fordern, was jedem Manne gewährt ist und was allein uns fähig macht, die Tugend zu schützen, die Not zu bekämpfen, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen: die Bürgerrechte. Druck von G. Bernstein in Berlin

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Zitationshilfe: Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gizycki_buergerpflicht_1895/25>, abgerufen am 21.11.2024.