Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

sondere Erdichtungen verlegen wäre, so könnte der-
gleichen Fiction einem wohl in der Geschwindigkeit
und aus Noth, um einen Präses und seinen Respon-
denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird
sich eigentlich kein Naturforscher damit das geringste
zu thun machen, da sie sich durch beständige Wider-
sprüche von selbst widerleget. So ungegründet aber
dieses Vorgeben nur immer seyn kann, eben so muß
die vorerzählte Meynung des Tourneforts einen
Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom-
men. Da ich nun den so genannten befruchtenden
Blumenstaub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge-
genwärtigen Betrachtung erwählet habe, dessen Mey-
nung aber dennoch heute zu Tage gewissermaßen
ihre Vertheidiger findet, so wird es nicht überflüßig
seyn, zu zeigen, daß sie weder in der Vernunft noch
Erfahrung gegründet sey.

Der Blumenstaub bestehet, wie ich schon
vorher gesaget habe, aus einer erstaunenden Menge
der allerkleinsten organisirten überaus dauerhaften
Gefäße oder Behältnisse, welche gemeiniglich die
Gestalt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben,
und mit einer ganz besonders lebhaften, würksa-
men, schleimigen, membranösen und mehr oder
weniger durchsichtigen Masse angefüllet sind. In
dieser Masse lieget eine große Menge von den
allersubtilsten athomis oder corpusculis sperma-
ticis,
welche darinnen gleichsam eingewickelt
zu seyn scheinen. Wenn wir nun hierzu dasje-

nige
B 3

ſondere Erdichtungen verlegen waͤre, ſo koͤnnte der-
gleichen Fiction einem wohl in der Geſchwindigkeit
und aus Noth, um einen Praͤſes und ſeinen Reſpon-
denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird
ſich eigentlich kein Naturforſcher damit das geringſte
zu thun machen, da ſie ſich durch beſtaͤndige Wider-
ſpruͤche von ſelbſt widerleget. So ungegruͤndet aber
dieſes Vorgeben nur immer ſeyn kann, eben ſo muß
die vorerzaͤhlte Meynung des Tourneforts einen
Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom-
men. Da ich nun den ſo genannten befruchtenden
Blumenſtaub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge-
genwaͤrtigen Betrachtung erwaͤhlet habe, deſſen Mey-
nung aber dennoch heute zu Tage gewiſſermaßen
ihre Vertheidiger findet, ſo wird es nicht uͤberfluͤßig
ſeyn, zu zeigen, daß ſie weder in der Vernunft noch
Erfahrung gegruͤndet ſey.

Der Blumenſtaub beſtehet, wie ich ſchon
vorher geſaget habe, aus einer erſtaunenden Menge
der allerkleinſten organiſirten uͤberaus dauerhaften
Gefaͤße oder Behaͤltniſſe, welche gemeiniglich die
Geſtalt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben,
und mit einer ganz beſonders lebhaften, wuͤrkſa-
men, ſchleimigen, membranoͤſen und mehr oder
weniger durchſichtigen Maſſe angefuͤllet ſind. In
dieſer Maſſe lieget eine große Menge von den
allerſubtilſten athomis oder corpuſculis ſperma-
ticis,
welche darinnen gleichſam eingewickelt
zu ſeyn ſcheinen. Wenn wir nun hierzu dasje-

nige
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="21"/>
&#x017F;ondere Erdichtungen verlegen wa&#x0364;re, &#x017F;o ko&#x0364;nnte der-<lb/>
gleichen Fiction einem wohl in der Ge&#x017F;chwindigkeit<lb/>
und aus Noth, um einen Pra&#x0364;&#x017F;es und &#x017F;einen Re&#x017F;pon-<lb/>
denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird<lb/>
&#x017F;ich eigentlich kein Naturfor&#x017F;cher damit das gering&#x017F;te<lb/>
zu thun machen, da &#x017F;ie &#x017F;ich durch be&#x017F;ta&#x0364;ndige Wider-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che von &#x017F;elb&#x017F;t widerleget. So ungegru&#x0364;ndet aber<lb/>
die&#x017F;es Vorgeben nur immer &#x017F;eyn kann, eben &#x017F;o muß<lb/>
die vorerza&#x0364;hlte Meynung des <hi rendition="#fr">Tourneforts</hi> einen<lb/>
Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom-<lb/>
men. Da ich nun den &#x017F;o genannten befruchtenden<lb/>
Blumen&#x017F;taub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtigen Betrachtung erwa&#x0364;hlet habe, de&#x017F;&#x017F;en Mey-<lb/>
nung aber dennoch heute zu Tage gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
ihre Vertheidiger findet, &#x017F;o wird es nicht u&#x0364;berflu&#x0364;ßig<lb/>
&#x017F;eyn, zu zeigen, daß &#x017F;ie weder in der Vernunft noch<lb/>
Erfahrung gegru&#x0364;ndet &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p>Der Blumen&#x017F;taub be&#x017F;tehet, wie ich &#x017F;chon<lb/>
vorher ge&#x017F;aget habe, aus einer er&#x017F;taunenden Menge<lb/>
der allerklein&#x017F;ten organi&#x017F;irten u&#x0364;beraus dauerhaften<lb/>
Gefa&#x0364;ße oder Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, welche gemeiniglich die<lb/>
Ge&#x017F;talt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben,<lb/>
und mit einer ganz be&#x017F;onders lebhaften, wu&#x0364;rk&#x017F;a-<lb/>
men, &#x017F;chleimigen, membrano&#x0364;&#x017F;en und mehr oder<lb/>
weniger durch&#x017F;ichtigen Ma&#x017F;&#x017F;e angefu&#x0364;llet &#x017F;ind. In<lb/>
die&#x017F;er Ma&#x017F;&#x017F;e lieget eine große Menge von den<lb/>
aller&#x017F;ubtil&#x017F;ten <hi rendition="#aq">athomis</hi> oder <hi rendition="#aq">corpu&#x017F;culis &#x017F;perma-<lb/>
ticis,</hi> welche darinnen gleich&#x017F;am eingewickelt<lb/>
zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinen. Wenn wir nun hierzu dasje-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nige</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0033] ſondere Erdichtungen verlegen waͤre, ſo koͤnnte der- gleichen Fiction einem wohl in der Geſchwindigkeit und aus Noth, um einen Praͤſes und ſeinen Reſpon- denten konfus zu machen, helfen; aber, außerdem wird ſich eigentlich kein Naturforſcher damit das geringſte zu thun machen, da ſie ſich durch beſtaͤndige Wider- ſpruͤche von ſelbſt widerleget. So ungegruͤndet aber dieſes Vorgeben nur immer ſeyn kann, eben ſo muß die vorerzaͤhlte Meynung des Tourneforts einen Kenner des wahren Blumenbaues allezeit vorkom- men. Da ich nun den ſo genannten befruchtenden Blumenſtaub zu einem Hauptvorwurfe meiner ge- genwaͤrtigen Betrachtung erwaͤhlet habe, deſſen Mey- nung aber dennoch heute zu Tage gewiſſermaßen ihre Vertheidiger findet, ſo wird es nicht uͤberfluͤßig ſeyn, zu zeigen, daß ſie weder in der Vernunft noch Erfahrung gegruͤndet ſey. Der Blumenſtaub beſtehet, wie ich ſchon vorher geſaget habe, aus einer erſtaunenden Menge der allerkleinſten organiſirten uͤberaus dauerhaften Gefaͤße oder Behaͤltniſſe, welche gemeiniglich die Geſtalt eines Korns, Eyes, oder einer Kugel haben, und mit einer ganz beſonders lebhaften, wuͤrkſa- men, ſchleimigen, membranoͤſen und mehr oder weniger durchſichtigen Maſſe angefuͤllet ſind. In dieſer Maſſe lieget eine große Menge von den allerſubtilſten athomis oder corpuſculis ſperma- ticis, welche darinnen gleichſam eingewickelt zu ſeyn ſcheinen. Wenn wir nun hierzu dasje- nige B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/33
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/33>, abgerufen am 23.11.2024.