ne schlechterdings dazu erforderliche vernunftmäßige und dazu passende Krankengeschichte überall gar bald verbreiten, verdienen viele Einschränkungen, und so lange als verdächtig, desto weniger Glauben, bis sie von ächten Meistern der Kunst die das Sie- gel der Wahrheit besser anwenden, nach richtigen Gründen, wohl geprüfet und mit den eigentlichen Kennzeichen der Gewißheit versehen worden sind. Denn Seneca sagt Lib. I. Epist. 75. Non quaerit aeger medicum eloquentem, sed sexantem. Dagegen bleibet es einem Meister der Arzeneykunde allezeit frey, die Arten von Giften, als die allerwirksamsten Na- turprodukte, mit Einsicht in gute Arzeneyen zu ver- wandeln und zu gebrauchen, von welchen sie nur auch in verminderter Dosis nach hohen Graden einer natürlichen Wirksamkeit verschieden sind. Denn dergleichen Meister, denen noch mehrere bey andern freylich sehr fremde Mittel bekannt sind, verstehen sie nach ihrer Wirkungsart und deren möglichsten Abweichung durch den verschiedenen Widerstand der Kräfte des menschlichen Körpers aus der nothwendig vorhergehenden Zubereitung derselben, auch auf eine gleiche Weise nach dem abwechselnden Krankheitszu- stande und dem Unterschiede der Krankheitsmaterien, und besonders nach der schon erwähnten großen Ver- schiedenheit der körperlichen Naturen, nach beson- dern Umständen, Ursachen und Ausnahmen zu ge- brauchen. Sie müssen also in der Wahl, Anwen- dung und Anwendungsart solcher Heilmittel zur in-
ner-
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ne ſchlechterdings dazu erforderliche vernunftmaͤßige und dazu paſſende Krankengeſchichte uͤberall gar bald verbreiten, verdienen viele Einſchraͤnkungen, und ſo lange als verdaͤchtig, deſto weniger Glauben, bis ſie von aͤchten Meiſtern der Kunſt die das Sie- gel der Wahrheit beſſer anwenden, nach richtigen Gruͤnden, wohl gepruͤfet und mit den eigentlichen Kennzeichen der Gewißheit verſehen worden ſind. Denn Seneca ſagt Lib. I. Epiſt. 75. Non quaerit aeger medicum eloquentem, ſed ſexantem. Dagegen bleibet es einem Meiſter der Arzeneykunde allezeit frey, die Arten von Giften, als die allerwirkſamſten Na- turprodukte, mit Einſicht in gute Arzeneyen zu ver- wandeln und zu gebrauchen, von welchen ſie nur auch in verminderter Doſis nach hohen Graden einer natuͤrlichen Wirkſamkeit verſchieden ſind. Denn dergleichen Meiſter, denen noch mehrere bey andern freylich ſehr fremde Mittel bekannt ſind, verſtehen ſie nach ihrer Wirkungsart und deren moͤglichſten Abweichung durch den verſchiedenen Widerſtand der Kraͤfte des menſchlichen Koͤrpers aus der nothwendig vorhergehenden Zubereitung derſelben, auch auf eine gleiche Weiſe nach dem abwechſelnden Krankheitszu- ſtande und dem Unterſchiede der Krankheitsmaterien, und beſonders nach der ſchon erwaͤhnten großen Ver- ſchiedenheit der koͤrperlichen Naturen, nach beſon- dern Umſtaͤnden, Urſachen und Ausnahmen zu ge- brauchen. Sie muͤſſen alſo in der Wahl, Anwen- dung und Anwendungsart ſolcher Heilmittel zur in-
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ne ſchlechterdings dazu erforderliche vernunftmaͤßige
und dazu paſſende Krankengeſchichte uͤberall gar
bald verbreiten, verdienen viele Einſchraͤnkungen,
und ſo lange als verdaͤchtig, deſto weniger Glauben,
bis ſie von aͤchten Meiſtern der Kunſt die das Sie-
gel der Wahrheit beſſer anwenden, nach richtigen
Gruͤnden, wohl gepruͤfet und mit den eigentlichen
Kennzeichen der Gewißheit verſehen worden ſind.
Denn Seneca ſagt Lib. I. Epiſt. 75. Non quaerit aeger
medicum eloquentem, ſed ſexantem. Dagegen bleibet
es einem Meiſter der Arzeneykunde allezeit frey,
die Arten von Giften, als die allerwirkſamſten Na-
turprodukte, mit Einſicht in gute Arzeneyen zu ver-
wandeln und zu gebrauchen, von welchen ſie nur
auch in verminderter Doſis nach hohen Graden einer
natuͤrlichen Wirkſamkeit verſchieden ſind. Denn
dergleichen Meiſter, denen noch mehrere bey andern
freylich ſehr fremde Mittel bekannt ſind, verſtehen
ſie nach ihrer Wirkungsart und deren moͤglichſten
Abweichung durch den verſchiedenen Widerſtand der
Kraͤfte des menſchlichen Koͤrpers aus der nothwendig
vorhergehenden Zubereitung derſelben, auch auf eine
gleiche Weiſe nach dem abwechſelnden Krankheitszu-
ſtande und dem Unterſchiede der Krankheitsmaterien,
und beſonders nach der ſchon erwaͤhnten großen Ver-
ſchiedenheit der koͤrperlichen Naturen, nach beſon-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/81>, abgerufen am 21.11.2024.
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