Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. meiniglich wird diese Frage mittelst einer Distinction da-hin beantwortet, daß der bürgerliche Gesezgeber die Vorschriften des absoluten Naturrechts in keinem Be- trachte, wohl aber das hypothetische Naturrecht, in seinem Staate abändern könne. Allein neuere Rechts- gelehrte halten Aenderung des Naturrechts an sich und im eigentlichen Verstande für ein Unding, weil die Fra- ge, was in diesem oder jenem Falle natürlichen Rech- tens sey? nur allein aus Vernunftgründen durch unsern Verstand ihre Bestimmung erhalten; kein Regent aber, auch der unumschränkteste nicht, sich über res intelle- ctus eine Entscheidung anmassen könne 11). Wie aber, bringt es nicht gleichwohl die tägliche Erfahrung mit sich, daß verschiedene nach dem Naturrecht erlaubte Handlun- gen im Staat nicht erlaubt, verschiedene nach dem Na- turrecht unerlaubte Handlungen aber im Staate öffent- lich als erlaubt geduldet werden? Z. B. die öffentlichen Bordelle. Wird also nicht solchergestalt das Naturrecht offendahr durch positive Gesetze abgeändert? Nein, kei- neswegs, sagen Letztere. Denn einmahl folge nicht, daß alles ris naturae. Ultraj. 1690. in desselben Exercitat. T. I. N. 72. Io. Ioch. schoepfer Diss. de iure civ. ius na- turae determinante circa persona[s]. Rostoch. 1709. Car. God. winckler de potestate legum civilium in ius naturae. Lips. 1713. Casp. a rheden Diss. de im- mutabilitate iuris naturae. Bremae 1717. God. croo- nenberg de iuris naturae constantia et immutabili- tate. Lugd. Batav. 1721. Erh. reusch Diss. de im- mutabili naturae lege. Helmst. 1739. und Joh. Lor. Holderrieder von der Gewalt der Majestät über das Recht der Natur, in desselben histor. Nachrichten von der Weissenfelsischen Aletophilischen Gesellschaft. Leipzig 1750. 11) S. Weber a. a. O. 1. Abtheil. 3. Abschn. §. 57.
und 58. 1. Buch. 1. Tit. meiniglich wird dieſe Frage mittelſt einer Diſtinction da-hin beantwortet, daß der buͤrgerliche Geſezgeber die Vorſchriften des abſoluten Naturrechts in keinem Be- trachte, wohl aber das hypothetiſche Naturrecht, in ſeinem Staate abaͤndern koͤnne. Allein neuere Rechts- gelehrte halten Aenderung des Naturrechts an ſich und im eigentlichen Verſtande fuͤr ein Unding, weil die Fra- ge, was in dieſem oder jenem Falle natuͤrlichen Rech- tens ſey? nur allein aus Vernunftgruͤnden durch unſern Verſtand ihre Beſtimmung erhalten; kein Regent aber, auch der unumſchraͤnkteſte nicht, ſich uͤber res intelle- ctus eine Entſcheidung anmaſſen koͤnne 11). Wie aber, bringt es nicht gleichwohl die taͤgliche Erfahrung mit ſich, daß verſchiedene nach dem Naturrecht erlaubte Handlun- gen im Staat nicht erlaubt, verſchiedene nach dem Na- turrecht unerlaubte Handlungen aber im Staate oͤffent- lich als erlaubt geduldet werden? Z. B. die oͤffentlichen Bordelle. Wird alſo nicht ſolchergeſtalt das Naturrecht offendahr durch poſitive Geſetze abgeaͤndert? Nein, kei- neswegs, ſagen Letztere. Denn einmahl folge nicht, daß alles ris naturae. Ultraj. 1690. in deſſelben Exercitat. T. I. N. 72. Io. Ioch. schoepfer Diſſ. de iure civ. ius na- turae determinante circa perſona[s]. Roſtoch. 1709. Car. God. winckler de poteſtate legum civilium in ius naturae. Lipſ. 1713. Casp. a rheden Diſſ. de im- mutabilitate iuris naturae. Bremae 1717. God. croo- nenberg de iuris naturae conſtantia et immutabili- tate. Lugd. Batav. 1721. Erh. reusch Diſſ. de im- mutabili naturae lege. Helmſt. 1739. und Joh. Lor. Holderrieder von der Gewalt der Majeſtaͤt uͤber das Recht der Natur, in deſſelben hiſtor. Nachrichten von der Weiſſenfelſiſchen Aletophiliſchen Geſellſchaft. Leipzig 1750. 11) S. Weber a. a. O. 1. Abtheil. 3. Abſchn. §. 57.
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1. Buch. 1. Tit.
meiniglich wird dieſe Frage mittelſt einer Diſtinction da-
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Vorſchriften des abſoluten Naturrechts in keinem Be-
trachte, wohl aber das hypothetiſche Naturrecht, in
ſeinem Staate abaͤndern koͤnne. Allein neuere Rechts-
gelehrte halten Aenderung des Naturrechts an ſich und
im eigentlichen Verſtande fuͤr ein Unding, weil die Fra-
ge, was in dieſem oder jenem Falle natuͤrlichen Rech-
tens ſey? nur allein aus Vernunftgruͤnden durch unſern
Verſtand ihre Beſtimmung erhalten; kein Regent aber,
auch der unumſchraͤnkteſte nicht, ſich uͤber res intelle-
ctus eine Entſcheidung anmaſſen koͤnne 11). Wie aber,
bringt es nicht gleichwohl die taͤgliche Erfahrung mit ſich,
daß verſchiedene nach dem Naturrecht erlaubte Handlun-
gen im Staat nicht erlaubt, verſchiedene nach dem Na-
turrecht unerlaubte Handlungen aber im Staate oͤffent-
lich als erlaubt geduldet werden? Z. B. die oͤffentlichen
Bordelle. Wird alſo nicht ſolchergeſtalt das Naturrecht
offendahr durch poſitive Geſetze abgeaͤndert? Nein, kei-
neswegs, ſagen Letztere. Denn einmahl folge nicht, daß
alles
10)
11) S. Weber a. a. O. 1. Abtheil. 3. Abſchn. §. 57.
und 58.
10) ris naturae. Ultraj. 1690. in deſſelben Exercitat. T. I.
N. 72. Io. Ioch. schoepfer Diſſ. de iure civ. ius na-
turae determinante circa perſonas. Roſtoch. 1709.
Car. God. winckler de poteſtate legum civilium in
ius naturae. Lipſ. 1713. Casp. a rheden Diſſ. de im-
mutabilitate iuris naturae. Bremae 1717. God. croo-
nenberg de iuris naturae conſtantia et immutabili-
tate. Lugd. Batav. 1721. Erh. reusch Diſſ. de im-
mutabili naturae lege. Helmſt. 1739. und Joh. Lor.
Holderrieder von der Gewalt der Majeſtaͤt uͤber das
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