Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

De Iustitia et Iure.
verwahren, und solches hierdurch von den übrigen Völ-
kern der damahligen Zeit ganz abzusondern. Dieses Ce-
remonialgesez der Juden ist nun, wie bekannt, im
neuen Testament ganz aufgehoben worden, und gehet
also uns Christen gar nichts an. Die bürgerlichen
oder Forensgesetze Mosis 60) hingegen, welche eben-
fals nach denen damahligen Umständen der Israeliten
eingerichtet waren, gelten heutiges Tages unter denen
Christen nur insofern, als sie in diesem oder jenem christ-
lichen Staate ausdrücklich oder stillschweigend recipiret
worden sind. Woraus denn folgt, daß ein Landesherr
diese Mosaische Forensgesetze abzuändern oder wohl gar
aufzuheben allerdings befugt sey, wenn die veränderte
Umstände seiner Unterthanen solches erheischen 61), oder
er solches in einzelnen Fällen für gut hält. Daher es

kei-
60) Sam. stryck leges forenses mosaicae cum
iure Romano collatae. Lipsiae 1745. 8. Henr. bodini
Diss. de obligatione forensi iuris divini.
Halae 1696. rec.
1711.
61) Viele Satzungen des Mosaischen Rechts sind daher heu-
tiges Tages wegen veränderter Umstände gar nicht mehr
anwendbar. Ein Beispiel geben die Mosaischen Straf-
gesetze, welche heut zu Tage ihrer allzugrosen Strenge
wegen, die freilich der Character des Volks zu erfordern
schien, beinahe ganz ausser Gebrauch sind. S. Hommel in
den philos. Gedanken über das Criminalrecht §. 3. hell-
feld
Diss. de legis mosaicae valore hodierno
§. XXII.
Auch das Mosaische Gesez, welches Zinsen
verbiethet, ist, aller Begünstigung des kanonischen Rechts
ohngeachtet, (c. 3. u. 4. X. de usuris) durch die teut-
schen Reichsgesetze aufgehoben worden. R. A. vom J.
1600. §. 139. und vom J. 1654. §. 174. Denn es
schränkte sich blos auf die damahlige Lage und Armuth
des Volks ein. Man vergleiche Io. Dav. michaelis
Commentat. de mente et ratione legis mosai-
cae usuram prohibentis
. Erfurti
1746. 4.
K 5

De Iuſtitia et Iure.
verwahren, und ſolches hierdurch von den uͤbrigen Voͤl-
kern der damahligen Zeit ganz abzuſondern. Dieſes Ce-
remonialgeſez der Juden iſt nun, wie bekannt, im
neuen Teſtament ganz aufgehoben worden, und gehet
alſo uns Chriſten gar nichts an. Die buͤrgerlichen
oder Forensgeſetze Moſis 60) hingegen, welche eben-
fals nach denen damahligen Umſtaͤnden der Israeliten
eingerichtet waren, gelten heutiges Tages unter denen
Chriſten nur inſofern, als ſie in dieſem oder jenem chriſt-
lichen Staate ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend recipiret
worden ſind. Woraus denn folgt, daß ein Landesherr
dieſe Moſaiſche Forensgeſetze abzuaͤndern oder wohl gar
aufzuheben allerdings befugt ſey, wenn die veraͤnderte
Umſtaͤnde ſeiner Unterthanen ſolches erheiſchen 61), oder
er ſolches in einzelnen Faͤllen fuͤr gut haͤlt. Daher es

kei-
60) Sam. stryck leges forenſes moſaicae cum
iure Romano collatae. Lipſiae 1745. 8. Henr. bodini
Diſſ. de obligatione forenſi iuris divini.
Halae 1696. rec.
1711.
61) Viele Satzungen des Moſaiſchen Rechts ſind daher heu-
tiges Tages wegen veraͤnderter Umſtaͤnde gar nicht mehr
anwendbar. Ein Beiſpiel geben die Moſaiſchen Straf-
geſetze, welche heut zu Tage ihrer allzugroſen Strenge
wegen, die freilich der Character des Volks zu erfordern
ſchien, beinahe ganz auſſer Gebrauch ſind. S. Hommel in
den philoſ. Gedanken uͤber das Criminalrecht §. 3. hell-
feld
Diſſ. de legis moſaicae valore hodierno
§. XXII.
Auch das Moſaiſche Geſez, welches Zinſen
verbiethet, iſt, aller Beguͤnſtigung des kanoniſchen Rechts
ohngeachtet, (c. 3. u. 4. X. de uſuris) durch die teut-
ſchen Reichsgeſetze aufgehoben worden. R. A. vom J.
1600. §. 139. und vom J. 1654. §. 174. Denn es
ſchraͤnkte ſich blos auf die damahlige Lage und Armuth
des Volks ein. Man vergleiche Io. Dav. michaelis
Commentat. de mente et ratione legis moſai-
cae uſuram prohibentis
. Erfurti
1746. 4.
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0173" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
verwahren, und &#x017F;olches hierdurch von den u&#x0364;brigen Vo&#x0364;l-<lb/>
kern der damahligen Zeit ganz abzu&#x017F;ondern. Die&#x017F;es Ce-<lb/>
remonialge&#x017F;ez der Juden i&#x017F;t nun, wie bekannt, im<lb/>
neuen Te&#x017F;tament ganz aufgehoben worden, und gehet<lb/>
al&#x017F;o uns Chri&#x017F;ten gar nichts an. Die <hi rendition="#g">bu&#x0364;rgerlichen</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">Forensge&#x017F;etze</hi> Mo&#x017F;is <note place="foot" n="60)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Sam.</hi><hi rendition="#k">stryck</hi><hi rendition="#g">leges foren&#x017F;es mo&#x017F;aicae</hi> cum<lb/>
iure Romano collatae. <hi rendition="#i">Lip&#x017F;iae</hi> 1745. 8. <hi rendition="#i">Henr</hi>. <hi rendition="#k">bodini</hi><lb/>
Di&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#g">de obligatione foren&#x017F;i iuris divini</hi>.<lb/><hi rendition="#i">Halae</hi> 1696. rec.</hi> 1711.</note> hingegen, welche eben-<lb/>
fals nach denen damahligen Um&#x017F;ta&#x0364;nden der Israeliten<lb/>
eingerichtet waren, gelten heutiges Tages unter denen<lb/>
Chri&#x017F;ten nur in&#x017F;ofern, als &#x017F;ie in die&#x017F;em oder jenem chri&#x017F;t-<lb/>
lichen Staate ausdru&#x0364;cklich oder &#x017F;till&#x017F;chweigend recipiret<lb/>
worden &#x017F;ind. Woraus denn folgt, daß ein Landesherr<lb/>
die&#x017F;e Mo&#x017F;ai&#x017F;che Forensge&#x017F;etze abzua&#x0364;ndern oder wohl gar<lb/>
aufzuheben allerdings befugt &#x017F;ey, wenn die vera&#x0364;nderte<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;einer Unterthanen &#x017F;olches erhei&#x017F;chen <note place="foot" n="61)">Viele Satzungen des Mo&#x017F;ai&#x017F;chen Rechts &#x017F;ind daher heu-<lb/>
tiges Tages wegen vera&#x0364;nderter Um&#x017F;ta&#x0364;nde gar nicht mehr<lb/>
anwendbar. Ein Bei&#x017F;piel geben die Mo&#x017F;ai&#x017F;chen Straf-<lb/>
ge&#x017F;etze, welche heut zu Tage ihrer allzugro&#x017F;en Strenge<lb/>
wegen, die freilich der Character des Volks zu erfordern<lb/>
&#x017F;chien, beinahe ganz au&#x017F;&#x017F;er Gebrauch &#x017F;ind. S. <hi rendition="#fr">Hommel</hi> in<lb/>
den philo&#x017F;. Gedanken u&#x0364;ber das Criminalrecht §. 3. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hell-<lb/>
feld</hi> Di&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#g">de legis mo&#x017F;aicae valore hodierno</hi><lb/>
§. XXII.</hi> Auch das Mo&#x017F;ai&#x017F;che Ge&#x017F;ez, welches Zin&#x017F;en<lb/>
verbiethet, i&#x017F;t, aller Begu&#x0364;n&#x017F;tigung des kanoni&#x017F;chen Rechts<lb/>
ohngeachtet, (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c.</hi> 3.</hi> u. <hi rendition="#i">4. <hi rendition="#aq">X. de u&#x017F;uris</hi></hi>) durch die teut-<lb/>
&#x017F;chen Reichsge&#x017F;etze aufgehoben worden. R. A. vom J.<lb/>
1600. §. 139. und vom J. 1654. §. 174. Denn es<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkte &#x017F;ich blos auf die damahlige Lage und Armuth<lb/>
des Volks ein. Man vergleiche <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Dav</hi>. <hi rendition="#k">michaelis</hi><lb/>
Commentat. <hi rendition="#g">de mente et ratione legis mo&#x017F;ai-<lb/>
cae u&#x017F;uram prohibentis</hi>. <hi rendition="#i">Erfurti</hi></hi> 1746. 4.</note>, oder<lb/>
er &#x017F;olches in einzelnen Fa&#x0364;llen fu&#x0364;r gut ha&#x0364;lt. Daher es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 5</fw><fw place="bottom" type="catch">kei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0173] De Iuſtitia et Iure. verwahren, und ſolches hierdurch von den uͤbrigen Voͤl- kern der damahligen Zeit ganz abzuſondern. Dieſes Ce- remonialgeſez der Juden iſt nun, wie bekannt, im neuen Teſtament ganz aufgehoben worden, und gehet alſo uns Chriſten gar nichts an. Die buͤrgerlichen oder Forensgeſetze Moſis 60) hingegen, welche eben- fals nach denen damahligen Umſtaͤnden der Israeliten eingerichtet waren, gelten heutiges Tages unter denen Chriſten nur inſofern, als ſie in dieſem oder jenem chriſt- lichen Staate ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend recipiret worden ſind. Woraus denn folgt, daß ein Landesherr dieſe Moſaiſche Forensgeſetze abzuaͤndern oder wohl gar aufzuheben allerdings befugt ſey, wenn die veraͤnderte Umſtaͤnde ſeiner Unterthanen ſolches erheiſchen 61), oder er ſolches in einzelnen Faͤllen fuͤr gut haͤlt. Daher es kei- 60) Sam. stryck leges forenſes moſaicae cum iure Romano collatae. Lipſiae 1745. 8. Henr. bodini Diſſ. de obligatione forenſi iuris divini. Halae 1696. rec. 1711. 61) Viele Satzungen des Moſaiſchen Rechts ſind daher heu- tiges Tages wegen veraͤnderter Umſtaͤnde gar nicht mehr anwendbar. Ein Beiſpiel geben die Moſaiſchen Straf- geſetze, welche heut zu Tage ihrer allzugroſen Strenge wegen, die freilich der Character des Volks zu erfordern ſchien, beinahe ganz auſſer Gebrauch ſind. S. Hommel in den philoſ. Gedanken uͤber das Criminalrecht §. 3. hell- feld Diſſ. de legis moſaicae valore hodierno §. XXII. Auch das Moſaiſche Geſez, welches Zinſen verbiethet, iſt, aller Beguͤnſtigung des kanoniſchen Rechts ohngeachtet, (c. 3. u. 4. X. de uſuris) durch die teut- ſchen Reichsgeſetze aufgehoben worden. R. A. vom J. 1600. §. 139. und vom J. 1654. §. 174. Denn es ſchraͤnkte ſich blos auf die damahlige Lage und Armuth des Volks ein. Man vergleiche Io. Dav. michaelis Commentat. de mente et ratione legis moſai- cae uſuram prohibentis. Erfurti 1746. 4. K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/173
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/173>, abgerufen am 21.11.2024.