Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. meln und wörtliche Solemnitäten ankam, und daß nachdieser Anlage manche im natürlichen Zwangsrecht best- gegründete Verbindlichkeit dennoch in foro Romano da- rum kein Gehör fand, weil für das Factum, woraus diese Verbindlichkeit entsprungen, noch keine Klagfor- mel erfunden war. Man erinnere sich hierbey an den Handel des röm. Ritters C. Canius mit dem Py- thius, den uns Cicero 92) so unterhaltend erzählt; es war evident, daß Canius war hintergangen worden; sed quid faceret? sagt Cicero, nondum enim aquil- lius protulerat de dolo malo formulas. Allein seit- dem die röm. Prätoren in ihren Edicten das alte for- mularische und strenge röm. Recht auf billigere und dem Naturrecht mehr angemessene Grundsätze reducirt haben, und die röm. Juristen ihnen in ihren Commentaren über das Edict auf diesem Wege nachgefolget sind, so herscht eine ganz andere Sprache in den röm. Gesetzen. Nun wird überall der Richter mehr auf Naturrecht und natürliche Billigkeit, als auf den Buchstaben der bür- gerlichen Gesetze verwiesen. Placuit, so sprechen die Kaiser constantinus und licinius in L. 8. Cod. de iudiciis, in omnibus rebus praecipuam esse iusti- tiae aequitatisque, quam stricti iuris rationem; und an einem andern Orte L. 7. pr. D. de in int. restitut. rescribirt Divus antoninus: Etsi nihil facile mutan- dum est ex solemnibus: tamen, ubi aequitas evidens poscit, subveniendum est. Wie deutlich ist nicht fer- ner die Vorschrift, welche dem Richter im L. 4. §. 1. D. de eo quod certo loco bey Gelegenheit gegeben wird: In Summa, aequitatem quoque ante oculos habere debet iudex. Noch eins. War nicht gerade zu die- sem Endzweck die sogenannte actio in factum ganz vor- züglich eingeführt, daß sie das allgemeine Rechtsmittel seyn 92) de officiis Lib. III. c. 14.
1. Buch. 1. Tit. meln und woͤrtliche Solemnitaͤten ankam, und daß nachdieſer Anlage manche im natuͤrlichen Zwangsrecht beſt- gegruͤndete Verbindlichkeit dennoch in foro Romano da- rum kein Gehoͤr fand, weil fuͤr das Factum, woraus dieſe Verbindlichkeit entſprungen, noch keine Klagfor- mel erfunden war. Man erinnere ſich hierbey an den Handel des roͤm. Ritters C. Canius mit dem Py- thius, den uns Cicero 92) ſo unterhaltend erzaͤhlt; es war evident, daß Canius war hintergangen worden; ſed quid faceret? ſagt Cicero, nondum enim aquil- lius protulerat de dolo malo formulas. Allein ſeit- dem die roͤm. Praͤtoren in ihren Edicten das alte for- mulariſche und ſtrenge roͤm. Recht auf billigere und dem Naturrecht mehr angemeſſene Grundſaͤtze reducirt haben, und die roͤm. Juriſten ihnen in ihren Commentaren uͤber das Edict auf dieſem Wege nachgefolget ſind, ſo herſcht eine ganz andere Sprache in den roͤm. Geſetzen. Nun wird uͤberall der Richter mehr auf Naturrecht und natuͤrliche Billigkeit, als auf den Buchſtaben der buͤr- gerlichen Geſetze verwieſen. Placuit, ſo ſprechen die Kaiſer constantinus und licinius in L. 8. Cod. de iudiciis, in omnibus rebus praecipuam eſſe iuſti- tiae aequitatisque, quam ſtricti iuris rationem; und an einem andern Orte L. 7. pr. D. de in int. reſtitut. reſcribirt Divus antoninus: Etſi nihil facile mutan- dum eſt ex ſolemnibus: tamen, ubi aequitas evidens poſcit, ſubveniendum eſt. Wie deutlich iſt nicht fer- ner die Vorſchrift, welche dem Richter im L. 4. §. 1. D. de eo quod certo loco bey Gelegenheit gegeben wird: In Summa, aequitatem quoque ante oculos habere debet iudex. Noch eins. War nicht gerade zu die- ſem Endzweck die ſogenannte actio in factum ganz vor- zuͤglich eingefuͤhrt, daß ſie das allgemeine Rechtsmittel ſeyn 92) de officiis Lib. III. c. 14.
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rum kein Gehoͤr fand, weil fuͤr das Factum, woraus
dieſe Verbindlichkeit entſprungen, noch keine Klagfor-
mel erfunden war. Man erinnere ſich hierbey an den
Handel des roͤm. Ritters C. Canius mit dem Py-
thius, den uns Cicero 92) ſo unterhaltend erzaͤhlt;
es war evident, daß Canius war hintergangen worden;
ſed quid faceret? ſagt Cicero, nondum enim aquil-
lius protulerat de dolo malo formulas. Allein ſeit-
dem die roͤm. Praͤtoren in ihren Edicten das alte for-
mulariſche und ſtrenge roͤm. Recht auf billigere und dem
Naturrecht mehr angemeſſene Grundſaͤtze reducirt haben,
und die roͤm. Juriſten ihnen in ihren Commentaren uͤber
das Edict auf dieſem Wege nachgefolget ſind, ſo
herſcht eine ganz andere Sprache in den roͤm. Geſetzen.
Nun wird uͤberall der Richter mehr auf Naturrecht und
natuͤrliche Billigkeit, als auf den Buchſtaben der buͤr-
gerlichen Geſetze verwieſen. Placuit, ſo ſprechen die
Kaiſer constantinus und licinius in L. 8. Cod.
de iudiciis, in omnibus rebus praecipuam eſſe iuſti-
tiae aequitatisque, quam ſtricti iuris rationem; und
an einem andern Orte L. 7. pr. D. de in int. reſtitut.
reſcribirt Divus antoninus: Etſi nihil facile mutan-
dum eſt ex ſolemnibus: tamen, ubi aequitas evidens
poſcit, ſubveniendum eſt. Wie deutlich iſt nicht fer-
ner die Vorſchrift, welche dem Richter im L. 4. §. 1.
D. de eo quod certo loco bey Gelegenheit gegeben wird:
In Summa, aequitatem quoque ante oculos habere
debet iudex. Noch eins. War nicht gerade zu die-
ſem Endzweck die ſogenannte actio in factum ganz vor-
zuͤglich eingefuͤhrt, daß ſie das allgemeine Rechtsmittel
ſeyn
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