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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
So unangenehm auch ein solches Studium ist, so we-
nig kann man doch ohne diese Kenntnisse bey Erklärung
jener Gesetze fortkommen. Selbst der Styl der ältern
römischen Rechtsgelehrten in unsern Institutionen und
Pandecten ist sehr verschieden, je näher dem Zeitalter
des Cicero, desto zierlicher; oft aber auch sehr kurz,
und schwer zu verstehen, wie z. B. in denen Fragmen-
ten des Africanus, Paulus, Papinians und
Scävola 99). Nicht selten mischt sich auch die
Schreibart des Tribonians und seiner Gehülfen ein;
hierdurch sind manche Barbarismen in die Fragmente
der römischen Juristen gebracht worden, deren man sie
unbillig beschuldiget hat 100). Ueberhaupt ist es bey
der grammatischen Erklärung der Gesetze des römischen
und kanonischen Rechtskörpers eine Bemerkung von gro-
ser Wichtigkeit, daß man immer die Worte des Ver-
fassers von den Worten des Compilators unterscheide,
und den Sinn des Auctors einer zu erklärenden Gesez-
stelle nicht mit dem untergeschobenen Sinne des Com-
pilators verwechsele, welcher oft von jenem ganz ver-
schieden ist 1). Um nun in jedem Falle diejenigen Be-

deu-
99) eckhard Hermenevt. iuris. Lib. I. cap. 3. de
Latinitate et stilo veterum ICtorum.
100) Man vergleiche hier vorzüglich Ioseph. finestres
et de monsalvo
in Hermogeniano Diss. prae-
limin.
§. 40.
1) Egregia observatio est, sagt Herm. noordkerck Spe-
cim. lectionum s. Disquisit. de Lege Petro-
nia
Cap. II. §. 15. quam a summo accepimus cuiacio,
in legibus explicandis ad duplicem saepe sensum attendi
debere: alterum genuinum, quem ipse Auctor exprimere
voluit; alterum, quem
iustinianus, seu quorum mini-
sterio usus est Imperator, verbis affixerunt.
Gebrauch ha-
ben von dieser eleganten Bemerkung gemacht Iac. go.
tho-
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de Iuſtitia et Iure.
So unangenehm auch ein ſolches Studium iſt, ſo we-
nig kann man doch ohne dieſe Kenntniſſe bey Erklaͤrung
jener Geſetze fortkommen. Selbſt der Styl der aͤltern
roͤmiſchen Rechtsgelehrten in unſern Inſtitutionen und
Pandecten iſt ſehr verſchieden, je naͤher dem Zeitalter
des Cicero, deſto zierlicher; oft aber auch ſehr kurz,
und ſchwer zu verſtehen, wie z. B. in denen Fragmen-
ten des Africanus, Paulus, Papinians und
Scaͤvola 99). Nicht ſelten miſcht ſich auch die
Schreibart des Tribonians und ſeiner Gehuͤlfen ein;
hierdurch ſind manche Barbarismen in die Fragmente
der roͤmiſchen Juriſten gebracht worden, deren man ſie
unbillig beſchuldiget hat 100). Ueberhaupt iſt es bey
der grammatiſchen Erklaͤrung der Geſetze des roͤmiſchen
und kanoniſchen Rechtskoͤrpers eine Bemerkung von gro-
ſer Wichtigkeit, daß man immer die Worte des Ver-
faſſers von den Worten des Compilators unterſcheide,
und den Sinn des Auctors einer zu erklaͤrenden Geſez-
ſtelle nicht mit dem untergeſchobenen Sinne des Com-
pilators verwechſele, welcher oft von jenem ganz ver-
ſchieden iſt 1). Um nun in jedem Falle diejenigen Be-

deu-
99) eckhard Hermenevt. iuris. Lib. I. cap. 3. de
Latinitate et ſtilo veterum ICtorum.
100) Man vergleiche hier vorzuͤglich Ioſeph. finestres
et de monsalvo
in Hermogeniano Diſſ. prae-
limin.
§. 40.
1) Egregia obſervatio eſt, ſagt Herm. noordkerck Spe-
cim. lectionum ſ. Disquiſit. de Lege Petro-
nia
Cap. II. §. 15. quam a ſummo accepimus cuiacio,
in legibus explicandis ad duplicem ſaepe ſenſum attendi
debere: alterum genuinum, quem ipſe Auctor exprimere
voluit; alterum, quem
iustinianus, ſeu quorum mini-
ſterio uſus eſt Imperator, verbis affixerunt.
Gebrauch ha-
ben von dieſer eleganten Bemerkung gemacht Iac. go.
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[227/0247] de Iuſtitia et Iure. So unangenehm auch ein ſolches Studium iſt, ſo we- nig kann man doch ohne dieſe Kenntniſſe bey Erklaͤrung jener Geſetze fortkommen. Selbſt der Styl der aͤltern roͤmiſchen Rechtsgelehrten in unſern Inſtitutionen und Pandecten iſt ſehr verſchieden, je naͤher dem Zeitalter des Cicero, deſto zierlicher; oft aber auch ſehr kurz, und ſchwer zu verſtehen, wie z. B. in denen Fragmen- ten des Africanus, Paulus, Papinians und Scaͤvola 99). Nicht ſelten miſcht ſich auch die Schreibart des Tribonians und ſeiner Gehuͤlfen ein; hierdurch ſind manche Barbarismen in die Fragmente der roͤmiſchen Juriſten gebracht worden, deren man ſie unbillig beſchuldiget hat 100). Ueberhaupt iſt es bey der grammatiſchen Erklaͤrung der Geſetze des roͤmiſchen und kanoniſchen Rechtskoͤrpers eine Bemerkung von gro- ſer Wichtigkeit, daß man immer die Worte des Ver- faſſers von den Worten des Compilators unterſcheide, und den Sinn des Auctors einer zu erklaͤrenden Geſez- ſtelle nicht mit dem untergeſchobenen Sinne des Com- pilators verwechſele, welcher oft von jenem ganz ver- ſchieden iſt 1). Um nun in jedem Falle diejenigen Be- deu- 99) eckhard Hermenevt. iuris. Lib. I. cap. 3. de Latinitate et ſtilo veterum ICtorum. 100) Man vergleiche hier vorzuͤglich Ioſeph. finestres et de monsalvo in Hermogeniano Diſſ. prae- limin. §. 40. 1) Egregia obſervatio eſt, ſagt Herm. noordkerck Spe- cim. lectionum ſ. Disquiſit. de Lege Petro- nia Cap. II. §. 15. quam a ſummo accepimus cuiacio, in legibus explicandis ad duplicem ſaepe ſenſum attendi debere: alterum genuinum, quem ipſe Auctor exprimere voluit; alterum, quem iustinianus, ſeu quorum mini- ſterio uſus eſt Imperator, verbis affixerunt. Gebrauch ha- ben von dieſer eleganten Bemerkung gemacht Iac. go. tho- P 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/247>, abgerufen am 28.11.2024.