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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.

II) Differirt sie auch nach dem Unterschiede der
positiven Gesetze, aus deren Geiste sie gleichsam gezogen
wird; und in dieser Rücksicht läßt sich eine Analogie
des römischen, des canonischen Rechts, des teutschen
Staats-Privat-Peinlichen- und des Lehnrechts
gedenken.

Uebrigens ist bey Anwendung der Analogie grose
Vorsichtigkeit nöthig. Man hat nehmlich

1) Darauf zu sehen, daß keine Verschiedenheit
der Persohnen, auf die einerley Rechte sich
nicht anwenden lassen, vorwalte
. Nach dieser
Regel kann daher weder von den römischen Knech-
ten, noch von den Leibeigenen auf das heutige Mieth-
gesinde wegen der gar zu grosen Verschiedenheit ein
richtiger Schluß gemacht werden; auch gilt kein
Schluß von den römischen Prätoren und Gouver-
neurs der Provinzen auf unsere heutige Richter.
Hierin haben es viel Rechtsgelehrte nicht blos im
römischen und teutschen Privatrechte, sondern auch
im Staatsrechte und andern Theilen der Rechtsge-
lahrtheit versehen.
2) Es darf der Grund und die Ursach des
Gesetzes, welches man analogisch anwen-
den will, dem vorliegenden Fall nicht ent-
gegen seyn
. Denn der Grund aller Analogie be-
ruhet auf der Uebereinstimmung mit der Absicht und
dem Willen des Gesezgebers. Daher gilt in Gemäß-
heit dieser Regel kein Schluß von dem Reichsstaats-
rechte auf das Territorialstaatsrecht, weil das teutsche
Reich, als ein Staatskörper betrachtet, von den
einzelnen Territorien oder kleinern Staaten desselben
ganz verschieden, mithin vorauszusetzen ist, daß der
Gesezgeber, wenn er die Reichsverfassung durch Ge-
setze
1. Buch. 1. Tit.

II) Differirt ſie auch nach dem Unterſchiede der
poſitiven Geſetze, aus deren Geiſte ſie gleichſam gezogen
wird; und in dieſer Ruͤckſicht laͤßt ſich eine Analogie
des roͤmiſchen, des canoniſchen Rechts, des teutſchen
Staats-Privat-Peinlichen- und des Lehnrechts
gedenken.

Uebrigens iſt bey Anwendung der Analogie groſe
Vorſichtigkeit noͤthig. Man hat nehmlich

1) Darauf zu ſehen, daß keine Verſchiedenheit
der Perſohnen, auf die einerley Rechte ſich
nicht anwenden laſſen, vorwalte
. Nach dieſer
Regel kann daher weder von den roͤmiſchen Knech-
ten, noch von den Leibeigenen auf das heutige Mieth-
geſinde wegen der gar zu groſen Verſchiedenheit ein
richtiger Schluß gemacht werden; auch gilt kein
Schluß von den roͤmiſchen Praͤtoren und Gouver-
neurs der Provinzen auf unſere heutige Richter.
Hierin haben es viel Rechtsgelehrte nicht blos im
roͤmiſchen und teutſchen Privatrechte, ſondern auch
im Staatsrechte und andern Theilen der Rechtsge-
lahrtheit verſehen.
2) Es darf der Grund und die Urſach des
Geſetzes, welches man analogiſch anwen-
den will, dem vorliegenden Fall nicht ent-
gegen ſeyn
. Denn der Grund aller Analogie be-
ruhet auf der Uebereinſtimmung mit der Abſicht und
dem Willen des Geſezgebers. Daher gilt in Gemaͤß-
heit dieſer Regel kein Schluß von dem Reichsſtaats-
rechte auf das Territorialſtaatsrecht, weil das teutſche
Reich, als ein Staatskoͤrper betrachtet, von den
einzelnen Territorien oder kleinern Staaten deſſelben
ganz verſchieden, mithin vorauszuſetzen iſt, daß der
Geſezgeber, wenn er die Reichsverfaſſung durch Ge-
ſetze
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[256/0276] 1. Buch. 1. Tit. II) Differirt ſie auch nach dem Unterſchiede der poſitiven Geſetze, aus deren Geiſte ſie gleichſam gezogen wird; und in dieſer Ruͤckſicht laͤßt ſich eine Analogie des roͤmiſchen, des canoniſchen Rechts, des teutſchen Staats-Privat-Peinlichen- und des Lehnrechts gedenken. Uebrigens iſt bey Anwendung der Analogie groſe Vorſichtigkeit noͤthig. Man hat nehmlich 1) Darauf zu ſehen, daß keine Verſchiedenheit der Perſohnen, auf die einerley Rechte ſich nicht anwenden laſſen, vorwalte. Nach dieſer Regel kann daher weder von den roͤmiſchen Knech- ten, noch von den Leibeigenen auf das heutige Mieth- geſinde wegen der gar zu groſen Verſchiedenheit ein richtiger Schluß gemacht werden; auch gilt kein Schluß von den roͤmiſchen Praͤtoren und Gouver- neurs der Provinzen auf unſere heutige Richter. Hierin haben es viel Rechtsgelehrte nicht blos im roͤmiſchen und teutſchen Privatrechte, ſondern auch im Staatsrechte und andern Theilen der Rechtsge- lahrtheit verſehen. 2) Es darf der Grund und die Urſach des Geſetzes, welches man analogiſch anwen- den will, dem vorliegenden Fall nicht ent- gegen ſeyn. Denn der Grund aller Analogie be- ruhet auf der Uebereinſtimmung mit der Abſicht und dem Willen des Geſezgebers. Daher gilt in Gemaͤß- heit dieſer Regel kein Schluß von dem Reichsſtaats- rechte auf das Territorialſtaatsrecht, weil das teutſche Reich, als ein Staatskoͤrper betrachtet, von den einzelnen Territorien oder kleinern Staaten deſſelben ganz verſchieden, mithin vorauszuſetzen iſt, daß der Geſezgeber, wenn er die Reichsverfaſſung durch Ge- ſetze

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/276>, abgerufen am 25.11.2024.