Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Origine Iuris.
oder jene Nebenursache bey uns weg, welche vorzüglich
etwa den Römern ein Gesez nüzlich machte; so kann
doch deswegen die heutige Gültigkeit des Gesetzes selbst
nicht bezweifelt werden, so lange der Hauptgrund des
Gesetzes auch bey uns noch statt findet. Ein Beispiel
giebt die actio de receptis, deren heutigen Gebrauch
einige darum bestreiten wollen 6), weil unsere Wirthe
nicht mit jenen Römischen, als welchen die Gesetze von
Seiten ihrer Ehrlichkeit eben kein günstiges Zeugniß
beylegen 7), in eine Classe gesetzet werden könnten. Al-
lein ist es nicht auch noch heutiges Tages billig, daß
denen Fremden, welche sich in keine weitläuftige Pro-
cesse einlassen können, kurz und ohne Umschweif zu dem
Ihrigen verholfen werde? Kann der Gastwirth nicht
immer eher Entwendungen verhüten, als der Fremde?
ja würde, wenn der Fremde erst den Urheber seines
Schadens ausfindig machen müste, und nur gegen die-
sen allein klagen dürfte, würde nicht die hieraus ent-
stehende Schwierigkeit zu klagen auch noch heutiges
Tages unredlichen Wirthen leicht Gelegenheit geben kön-
nen, den Passagier um das Seinige zu bringen? Alle
diese Gründe, welche allein schon das Gesez hinreichend
rechtfertigen, bleiben allemahl noch fortdauernd, wenn
auch gleich die von den Betrügereien der römischen Wir-
the hergenommene Ursach zu unsern Zeiten wegfallen
möchte. Soll also das römische Gesez bey uns seine
Anwendung verliehren, so muß der wesentliche Grund

dessel-
6) Io. Wilh. richter Diff. de actione in factum ex
quasi contractu receptionis moribus nostris
non conveniente
Lips.
1759.
7) L. 1. §. 1. D. Nautae caup. et stabul. -- nisi hoc esset
statutum, materia daretur cum furibus adversus eos,
quos recipiunt, coeundi; cum ne nunc quidem abstineant
huiusmodi fraudibus.
Z 2

de Origine Iuris.
oder jene Nebenurſache bey uns weg, welche vorzuͤglich
etwa den Roͤmern ein Geſez nuͤzlich machte; ſo kann
doch deswegen die heutige Guͤltigkeit des Geſetzes ſelbſt
nicht bezweifelt werden, ſo lange der Hauptgrund des
Geſetzes auch bey uns noch ſtatt findet. Ein Beiſpiel
giebt die actio de receptis, deren heutigen Gebrauch
einige darum beſtreiten wollen 6), weil unſere Wirthe
nicht mit jenen Roͤmiſchen, als welchen die Geſetze von
Seiten ihrer Ehrlichkeit eben kein guͤnſtiges Zeugniß
beylegen 7), in eine Claſſe geſetzet werden koͤnnten. Al-
lein iſt es nicht auch noch heutiges Tages billig, daß
denen Fremden, welche ſich in keine weitlaͤuftige Pro-
ceſſe einlaſſen koͤnnen, kurz und ohne Umſchweif zu dem
Ihrigen verholfen werde? Kann der Gaſtwirth nicht
immer eher Entwendungen verhuͤten, als der Fremde?
ja wuͤrde, wenn der Fremde erſt den Urheber ſeines
Schadens ausfindig machen muͤſte, und nur gegen die-
ſen allein klagen duͤrfte, wuͤrde nicht die hieraus ent-
ſtehende Schwierigkeit zu klagen auch noch heutiges
Tages unredlichen Wirthen leicht Gelegenheit geben koͤn-
nen, den Paſſagier um das Seinige zu bringen? Alle
dieſe Gruͤnde, welche allein ſchon das Geſez hinreichend
rechtfertigen, bleiben allemahl noch fortdauernd, wenn
auch gleich die von den Betruͤgereien der roͤmiſchen Wir-
the hergenommene Urſach zu unſern Zeiten wegfallen
moͤchte. Soll alſo das roͤmiſche Geſez bey uns ſeine
Anwendung verliehren, ſo muß der weſentliche Grund

deſſel-
6) Io. Wilh. richter Diff. de actione in factum ex
quaſi contractu receptionis moribus noſtris
non conveniente
Lipſ.
1759.
7) L. 1. §. 1. D. Nautae caup. et ſtabul. — niſi hoc eſſet
ſtatutum, materia daretur cum furibus adverſus eos,
quos recipiunt, coëundi; cum ne nunc quidem abſtineant
huiusmodi fraudibus.
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0373" n="353"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Origine Iuris.</hi></fw><lb/>
oder jene Nebenur&#x017F;ache bey uns weg, welche vorzu&#x0364;glich<lb/>
etwa den Ro&#x0364;mern ein Ge&#x017F;ez nu&#x0364;zlich machte; &#x017F;o kann<lb/>
doch deswegen die heutige Gu&#x0364;ltigkeit des Ge&#x017F;etzes &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht bezweifelt werden, &#x017F;o lange der Hauptgrund des<lb/>
Ge&#x017F;etzes auch bey uns noch &#x017F;tatt findet. Ein Bei&#x017F;piel<lb/>
giebt die <hi rendition="#aq">actio de receptis,</hi> deren heutigen Gebrauch<lb/>
einige darum be&#x017F;treiten wollen <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Wilh.</hi><hi rendition="#k">richter</hi> Diff. <hi rendition="#g">de actione in factum</hi> ex<lb/><hi rendition="#g">qua&#x017F;i contractu receptionis moribus no&#x017F;tris<lb/>
non conveniente</hi> <hi rendition="#i">Lip&#x017F;.</hi></hi> 1759.</note>, weil un&#x017F;ere Wirthe<lb/>
nicht mit jenen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen, als welchen die Ge&#x017F;etze von<lb/>
Seiten ihrer Ehrlichkeit eben kein gu&#x0364;n&#x017F;tiges Zeugniß<lb/>
beylegen <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 1. §. 1. D. Nautae caup. et &#x017F;tabul.</hi> &#x2014; ni&#x017F;i hoc e&#x017F;&#x017F;et<lb/>
&#x017F;tatutum, materia daretur cum furibus adver&#x017F;us eos,<lb/>
quos recipiunt, coëundi; <hi rendition="#i">cum ne nunc quidem ab&#x017F;tineant<lb/>
huiusmodi fraudibus.</hi></hi></note>, in eine Cla&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;etzet werden ko&#x0364;nnten. Al-<lb/>
lein i&#x017F;t es nicht auch noch heutiges Tages billig, daß<lb/>
denen Fremden, welche &#x017F;ich in keine weitla&#x0364;uftige Pro-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;e einla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, kurz und ohne Um&#x017F;chweif zu dem<lb/>
Ihrigen verholfen werde? Kann der Ga&#x017F;twirth nicht<lb/>
immer eher Entwendungen verhu&#x0364;ten, als der Fremde?<lb/>
ja wu&#x0364;rde, wenn der Fremde er&#x017F;t den Urheber &#x017F;eines<lb/>
Schadens ausfindig machen mu&#x0364;&#x017F;te, und nur gegen die-<lb/>
&#x017F;en allein klagen du&#x0364;rfte, wu&#x0364;rde nicht die hieraus ent-<lb/>
&#x017F;tehende Schwierigkeit zu klagen auch noch heutiges<lb/>
Tages unredlichen Wirthen leicht Gelegenheit geben ko&#x0364;n-<lb/>
nen, den Pa&#x017F;&#x017F;agier um das Seinige zu bringen? Alle<lb/>
die&#x017F;e Gru&#x0364;nde, welche allein &#x017F;chon das Ge&#x017F;ez hinreichend<lb/>
rechtfertigen, bleiben allemahl noch fortdauernd, wenn<lb/>
auch gleich die von den Betru&#x0364;gereien der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Wir-<lb/>
the hergenommene Ur&#x017F;ach zu un&#x017F;ern Zeiten wegfallen<lb/>
mo&#x0364;chte. Soll al&#x017F;o das ro&#x0364;mi&#x017F;che Ge&#x017F;ez bey uns &#x017F;eine<lb/>
Anwendung verliehren, &#x017F;o muß der <hi rendition="#g">we&#x017F;entliche Grund</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">de&#x017F;&#x017F;el-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0373] de Origine Iuris. oder jene Nebenurſache bey uns weg, welche vorzuͤglich etwa den Roͤmern ein Geſez nuͤzlich machte; ſo kann doch deswegen die heutige Guͤltigkeit des Geſetzes ſelbſt nicht bezweifelt werden, ſo lange der Hauptgrund des Geſetzes auch bey uns noch ſtatt findet. Ein Beiſpiel giebt die actio de receptis, deren heutigen Gebrauch einige darum beſtreiten wollen 6), weil unſere Wirthe nicht mit jenen Roͤmiſchen, als welchen die Geſetze von Seiten ihrer Ehrlichkeit eben kein guͤnſtiges Zeugniß beylegen 7), in eine Claſſe geſetzet werden koͤnnten. Al- lein iſt es nicht auch noch heutiges Tages billig, daß denen Fremden, welche ſich in keine weitlaͤuftige Pro- ceſſe einlaſſen koͤnnen, kurz und ohne Umſchweif zu dem Ihrigen verholfen werde? Kann der Gaſtwirth nicht immer eher Entwendungen verhuͤten, als der Fremde? ja wuͤrde, wenn der Fremde erſt den Urheber ſeines Schadens ausfindig machen muͤſte, und nur gegen die- ſen allein klagen duͤrfte, wuͤrde nicht die hieraus ent- ſtehende Schwierigkeit zu klagen auch noch heutiges Tages unredlichen Wirthen leicht Gelegenheit geben koͤn- nen, den Paſſagier um das Seinige zu bringen? Alle dieſe Gruͤnde, welche allein ſchon das Geſez hinreichend rechtfertigen, bleiben allemahl noch fortdauernd, wenn auch gleich die von den Betruͤgereien der roͤmiſchen Wir- the hergenommene Urſach zu unſern Zeiten wegfallen moͤchte. Soll alſo das roͤmiſche Geſez bey uns ſeine Anwendung verliehren, ſo muß der weſentliche Grund deſſel- 6) Io. Wilh. richter Diff. de actione in factum ex quaſi contractu receptionis moribus noſtris non conveniente Lipſ. 1759. 7) L. 1. §. 1. D. Nautae caup. et ſtabul. — niſi hoc eſſet ſtatutum, materia daretur cum furibus adverſus eos, quos recipiunt, coëundi; cum ne nunc quidem abſtineant huiusmodi fraudibus. Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/373
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/373>, abgerufen am 24.11.2024.