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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Origine Iuris.
Zweitens stellete man sich nach der Denkungsart des
mittlern Zeitalters eine von Gott verordnete zwiefache
Gewalt, eine weltliche und eine geistliche vor, deren
jede einem sichtbaren Oberhaupte, jene dem Kaiser,
diese dem Pabste, anvertrauet wäre, unter sich aber ein
solches Verhältnis hätte, daß die geistliche Gewalt
noch vor der weltlichen, so wie die Seele vor dem Lei-
be, das Geistliche vor dem Zeitlichen, die Sonne vor
dem Monde den Vorzug hätte 99). Nach dieser da-
mahls herrschenden Idee verstand sich's demnach von selbst,
daß das von der geistlichen Gewalt authorisirte Gesezbuch
nicht allein in der ganzen Christenheit in geistlichen und
weltlichen Gerichten zur Richtschnur dienen 100), son-
dern dasselbe auch vor dem weltlichen oder Justinianei-
schen Gesezbuche die Oberhand behalten mußte, wenn
es in einzelnen Fällen Collision zwischen beyderley Rech-
ten gab 1). Ja es schien das Canonische Gesezbuch in
Teurschland doppelte Achtung zu verdienen, weil man
den Kaiser als dessen eignes Oberhaupt, und zugleich

als
99) Man vergleiche aus gratiani Decreto die ganze Di-
stinct. X.
und aus den Decretalib. gregorii IX. cap. 6.
de maioritate et obedient.
Auch den Sachsenspiegel 1.
Buch 1. Art. und die Glosse desselben.
100) Hierher gehört die Stelle des Schwabenspiegels I.
Buch Cap. V. Tom. II. Corp. Iur. Germ. Senckenb. S. 15.
Und als die Päbste und Kaiser zu Concilien und zu
Hofen haben gesezt und geboten aus dem
Decret und
Decretalen. Wann aus den zweyen Büchern nimmt
man alle die Recht, der geistlichen und weltlichen Ge-
richten bedarf
.
1) Eben diese Folge zieht gratianus, wenn er in seinem
Decreto nach Can. 6. Dist. X. anmerkt; Ecce quod confli-
tutiones Principum ecclesiasticis Legibus postponendae sunt.
Ubi autem evangelicis atque canonicis decretis non obvia-
rint, omni reverentia aignae habeantur.

de Origine Iuris.
Zweitens ſtellete man ſich nach der Denkungsart des
mittlern Zeitalters eine von Gott verordnete zwiefache
Gewalt, eine weltliche und eine geiſtliche vor, deren
jede einem ſichtbaren Oberhaupte, jene dem Kaiſer,
dieſe dem Pabſte, anvertrauet waͤre, unter ſich aber ein
ſolches Verhaͤltnis haͤtte, daß die geiſtliche Gewalt
noch vor der weltlichen, ſo wie die Seele vor dem Lei-
be, das Geiſtliche vor dem Zeitlichen, die Sonne vor
dem Monde den Vorzug haͤtte 99). Nach dieſer da-
mahls herrſchenden Idee verſtand ſich’s demnach von ſelbſt,
daß das von der geiſtlichen Gewalt authoriſirte Geſezbuch
nicht allein in der ganzen Chriſtenheit in geiſtlichen und
weltlichen Gerichten zur Richtſchnur dienen 100), ſon-
dern daſſelbe auch vor dem weltlichen oder Juſtinianei-
ſchen Geſezbuche die Oberhand behalten mußte, wenn
es in einzelnen Faͤllen Colliſion zwiſchen beyderley Rech-
ten gab 1). Ja es ſchien das Canoniſche Geſezbuch in
Teurſchland doppelte Achtung zu verdienen, weil man
den Kaiſer als deſſen eignes Oberhaupt, und zugleich

als
99) Man vergleiche aus gratiani Decreto die ganze Di-
ſtinct. X.
und aus den Decretalib. gregorii IX. cap. 6.
de maioritate et obedient.
Auch den Sachſenſpiegel 1.
Buch 1. Art. und die Gloſſe deſſelben.
100) Hierher gehoͤrt die Stelle des Schwabenſpiegels I.
Buch Cap. V. Tom. II. Corp. Iur. Germ. Senckenb. S. 15.
Und als die Paͤbſte und Kaiſer zu Concilien und zu
Hofen haben geſezt und geboten aus dem
Decret und
Decretalen. Wann aus den zweyen Buͤchern nimmt
man alle die Recht, der geiſtlichen und weltlichen Ge-
richten bedarf
.
1) Eben dieſe Folge zieht gratianus, wenn er in ſeinem
Decreto nach Can. 6. Diſt. X. anmerkt; Ecce quod confli-
tutiones Principum eccleſiaſticis Legibus poſtponendae ſunt.
Ubi autem evangelicis atque canonicis decretis non obvia-
rint, omni reverentia aignae habeantur.
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[397/0417] de Origine Iuris. Zweitens ſtellete man ſich nach der Denkungsart des mittlern Zeitalters eine von Gott verordnete zwiefache Gewalt, eine weltliche und eine geiſtliche vor, deren jede einem ſichtbaren Oberhaupte, jene dem Kaiſer, dieſe dem Pabſte, anvertrauet waͤre, unter ſich aber ein ſolches Verhaͤltnis haͤtte, daß die geiſtliche Gewalt noch vor der weltlichen, ſo wie die Seele vor dem Lei- be, das Geiſtliche vor dem Zeitlichen, die Sonne vor dem Monde den Vorzug haͤtte 99). Nach dieſer da- mahls herrſchenden Idee verſtand ſich’s demnach von ſelbſt, daß das von der geiſtlichen Gewalt authoriſirte Geſezbuch nicht allein in der ganzen Chriſtenheit in geiſtlichen und weltlichen Gerichten zur Richtſchnur dienen 100), ſon- dern daſſelbe auch vor dem weltlichen oder Juſtinianei- ſchen Geſezbuche die Oberhand behalten mußte, wenn es in einzelnen Faͤllen Colliſion zwiſchen beyderley Rech- ten gab 1). Ja es ſchien das Canoniſche Geſezbuch in Teurſchland doppelte Achtung zu verdienen, weil man den Kaiſer als deſſen eignes Oberhaupt, und zugleich als 99) Man vergleiche aus gratiani Decreto die ganze Di- ſtinct. X. und aus den Decretalib. gregorii IX. cap. 6. de maioritate et obedient. Auch den Sachſenſpiegel 1. Buch 1. Art. und die Gloſſe deſſelben. 100) Hierher gehoͤrt die Stelle des Schwabenſpiegels I. Buch Cap. V. Tom. II. Corp. Iur. Germ. Senckenb. S. 15. Und als die Paͤbſte und Kaiſer zu Concilien und zu Hofen haben geſezt und geboten aus dem Decret und Decretalen. Wann aus den zweyen Buͤchern nimmt man alle die Recht, der geiſtlichen und weltlichen Ge- richten bedarf. 1) Eben dieſe Folge zieht gratianus, wenn er in ſeinem Decreto nach Can. 6. Diſt. X. anmerkt; Ecce quod confli- tutiones Principum eccleſiaſticis Legibus poſtponendae ſunt. Ubi autem evangelicis atque canonicis decretis non obvia- rint, omni reverentia aignae habeantur.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/417>, abgerufen am 26.11.2024.