werden, nur in so weit in Betrachtung kommen, als sie die Erfüllung desjenigen bewürken können, was eine schon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.
Drittens: alle Verbindlichkeit sezt ein bestimm- tes Subject voraus; dieses kann zwifach seyn, einmal dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das vermöge derselben etwas zu leisten schuldig ist, zweitens dasjenige, welches berechtiget ist, die Erfüllung derselben von jenem zu fordern. Ersteres wird das Subjectum passivum obligationis oder debitor in weitläuftigem Verstande L. 108. D. de V. S. letzteres aber subie- ctum activum obligationis, oder creditor im allge- meinen Verstande genennt L. 11. D. de V. S. Eine Verbindlichkeit kann also sowohl auf Seiten des Credi- toris, welcher vermöge derselben etwas zu fordern be- rechtiget ist, als auf Seiten des Debitoris, welcher vermöge derselben etwas zu leisten schuldig ist, betrach- tet werden. Ist nun der Creditor das Subject der Verbindlichkeit, so wird sie obligatio activa38), ist es aber der Debitor, eine obligatio passiva genennt.
Viertens: alle Verbindlichkeit entspringt aus den Gesetzen. Frägt man nun, wie sie daraus entsteht, so lassen sich zwey Fälle gedenken, nehmlich eine Verbind- lichkeit entspringt entweder unmittelbar aus den Gese- zen, ohne daß derjenige, welchem sie obliegt, sich erst durch eine besondere Handlung solche zugezogen hätte, oder sie entstehet nicht unmittelbar aus den Gesetzen, sondern setzt eine moralische Handlung desjenigen, dem sie obliegt, zum voraus, welche den nächsten Grund ih- rer Würklichkeit enthält. Eine Verbindlichkeit der er-
stern
38) daß sich vom Creditor active eine Obligation prädiciren lasse, beweißt auch Ulrich Huberin Digressionib. Iustinian. pag. 318. sqq.
1. Buch. 1. Tit.
werden, nur in ſo weit in Betrachtung kommen, als ſie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.
Drittens: alle Verbindlichkeit ſezt ein beſtimm- tes Subject voraus; dieſes kann zwifach ſeyn, einmal dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, zweitens dasjenige, welches berechtiget iſt, die Erfuͤllung derſelben von jenem zu fordern. Erſteres wird das Subjectum paſſivum obligationis oder debitor in weitlaͤuftigem Verſtande L. 108. D. de V. S. letzteres aber ſubie- ctum activum obligationis, oder creditor im allge- meinen Verſtande genennt L. 11. D. de V. S. Eine Verbindlichkeit kann alſo ſowohl auf Seiten des Credi- toris, welcher vermoͤge derſelben etwas zu fordern be- rechtiget iſt, als auf Seiten des Debitoris, welcher vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, betrach- tet werden. Iſt nun der Creditor das Subject der Verbindlichkeit, ſo wird ſie obligatio activa38), iſt es aber der Debitor, eine obligatio paſſiva genennt.
Viertens: alle Verbindlichkeit entſpringt aus den Geſetzen. Fraͤgt man nun, wie ſie daraus entſteht, ſo laſſen ſich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind- lichkeit entſpringt entweder unmittelbar aus den Geſe- zen, ohne daß derjenige, welchem ſie obliegt, ſich erſt durch eine beſondere Handlung ſolche zugezogen haͤtte, oder ſie entſtehet nicht unmittelbar aus den Geſetzen, ſondern ſetzt eine moraliſche Handlung desjenigen, dem ſie obliegt, zum voraus, welche den naͤchſten Grund ih- rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er-
ſtern
38) daß ſich vom Creditor active eine Obligation praͤdiciren laſſe, beweißt auch Ulrich Huberin Digreſſionib. Iuſtinian. pag. 318. ſqq.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0046"n="26"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
werden, nur in ſo weit in Betrachtung kommen, als<lb/>ſie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine<lb/>ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Drittens:</hi> alle Verbindlichkeit ſezt ein beſtimm-<lb/>
tes Subject voraus; dieſes kann zwifach ſeyn, einmal<lb/>
dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das<lb/>
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, zweitens<lb/>
dasjenige, welches berechtiget iſt, die Erfuͤllung derſelben<lb/>
von jenem zu fordern. Erſteres wird das <hirendition="#i"><hirendition="#aq">Subjectum<lb/>
paſſivum obligationis</hi></hi> oder <hirendition="#g"><hirendition="#aq">debitor</hi></hi> in weitlaͤuftigem<lb/>
Verſtande <hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 108. <hirendition="#i">D. de V. S.</hi></hi> letzteres aber <hirendition="#i"><hirendition="#aq">ſubie-<lb/>
ctum activum obligationis,</hi></hi> oder <hirendition="#g"><hirendition="#aq">creditor</hi></hi> im allge-<lb/>
meinen Verſtande genennt <hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 11. <hirendition="#i">D. de V. S.</hi></hi> Eine<lb/>
Verbindlichkeit kann alſo ſowohl auf Seiten des <hirendition="#aq">Credi-<lb/>
toris,</hi> welcher vermoͤge derſelben etwas zu fordern be-<lb/>
rechtiget iſt, als auf Seiten des <hirendition="#aq">Debitoris,</hi> welcher<lb/>
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, betrach-<lb/>
tet werden. Iſt nun der <hirendition="#aq">Creditor</hi> das Subject der<lb/>
Verbindlichkeit, ſo wird ſie <hirendition="#i"><hirendition="#aq">obligatio activa</hi></hi><noteplace="foot"n="38)">daß ſich vom Creditor <hirendition="#aq">active</hi> eine Obligation praͤdiciren<lb/>
laſſe, beweißt auch <hirendition="#fr">Ulrich Huber</hi><hirendition="#aq">in <hirendition="#g">Digreſſionib.<lb/>
Iuſtinian.</hi> pag. 318. ſqq.</hi></note>, iſt es<lb/>
aber der <hirendition="#aq">Debitor,</hi> eine <hirendition="#i"><hirendition="#aq">obligatio paſſiva</hi></hi> genennt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Viertens:</hi> alle Verbindlichkeit entſpringt aus den<lb/>
Geſetzen. Fraͤgt man nun, wie ſie daraus entſteht, ſo<lb/>
laſſen ſich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind-<lb/>
lichkeit entſpringt entweder unmittelbar aus den Geſe-<lb/>
zen, ohne daß derjenige, welchem ſie obliegt, ſich erſt<lb/>
durch eine beſondere Handlung ſolche zugezogen haͤtte,<lb/>
oder ſie entſtehet nicht unmittelbar aus den Geſetzen,<lb/>ſondern ſetzt eine moraliſche Handlung desjenigen, dem<lb/>ſie obliegt, zum voraus, welche den naͤchſten Grund ih-<lb/>
rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtern</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[26/0046]
1. Buch. 1. Tit.
werden, nur in ſo weit in Betrachtung kommen, als
ſie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine
ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.
Drittens: alle Verbindlichkeit ſezt ein beſtimm-
tes Subject voraus; dieſes kann zwifach ſeyn, einmal
dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, zweitens
dasjenige, welches berechtiget iſt, die Erfuͤllung derſelben
von jenem zu fordern. Erſteres wird das Subjectum
paſſivum obligationis oder debitor in weitlaͤuftigem
Verſtande L. 108. D. de V. S. letzteres aber ſubie-
ctum activum obligationis, oder creditor im allge-
meinen Verſtande genennt L. 11. D. de V. S. Eine
Verbindlichkeit kann alſo ſowohl auf Seiten des Credi-
toris, welcher vermoͤge derſelben etwas zu fordern be-
rechtiget iſt, als auf Seiten des Debitoris, welcher
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, betrach-
tet werden. Iſt nun der Creditor das Subject der
Verbindlichkeit, ſo wird ſie obligatio activa 38), iſt es
aber der Debitor, eine obligatio paſſiva genennt.
Viertens: alle Verbindlichkeit entſpringt aus den
Geſetzen. Fraͤgt man nun, wie ſie daraus entſteht, ſo
laſſen ſich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind-
lichkeit entſpringt entweder unmittelbar aus den Geſe-
zen, ohne daß derjenige, welchem ſie obliegt, ſich erſt
durch eine beſondere Handlung ſolche zugezogen haͤtte,
oder ſie entſtehet nicht unmittelbar aus den Geſetzen,
ſondern ſetzt eine moraliſche Handlung desjenigen, dem
ſie obliegt, zum voraus, welche den naͤchſten Grund ih-
rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er-
ſtern
38) daß ſich vom Creditor active eine Obligation praͤdiciren
laſſe, beweißt auch Ulrich Huber in Digreſſionib.
Iuſtinian. pag. 318. ſqq.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/46>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.